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Aufschwung, daß die einst von Rüdiger eingereichte Offerte begreif-| und Nacht über die wahrscheinlich gewinnenden Nummern und bes lich erschien. Der Reingewinn belief sich für das Rechnungsjahr schäftigten sich mit dem Deuten und Auslegen von Lotterienummern, 1795/96 auf 219 400, im folgenden Jahre auf 467 000 Taler. Das bersilberten und versetzten ihre Habe, Frauen machten heimlich gab Veranlassung, Zahlenlotterien in den neu erworbenen Landes- Schulden usw., nur um die Lotterieeinfäße zu bezahlen; Fallisse­teilen einzurichten. Auch in Ansbach wurde eine solche eingerichtet, ments großer Händler sogar traten ein, und in Gerichtsverhand­obwohl das im Jahre 1769 für die damaligen Fürstentümer Ansbach lungen wurden die haarsträubendsten Dinge zutage gefördert. Die und Bayreuth errichtete Lotto einen so ungünstigen Verlauf auf die Angeklagten erklärten, der heilige Geist sei ihnen nachts im Amts­Moral des Volfes ausgeübt hatte, daß der letzte Landgraf dieser gefängnis erschienen und habe die Glücksnummern der nächsten Fürstentümer, Karl Friedrich, auf Veranlassung des Fürstbischofs Biehung an die Wand geschrieben: man möge sie doch freilassen, das von Bamberg durch eine 1787 erlassene Verordnung alle Lotterien mit sie gewinnen könnten, u. dgl. m. Solche Vorfälle machten sogar in seinen Ländern aufhob und Strafen für Lotterie- Unternehmer auf die Regierung Eindruc; ihre Gegenmaßregeln bestanden aber und-Spieler festsetzte. Neben diesen drei Lotterien bestand noch nicht darin, die Wurzel des Uebels zu beseitigen, d. h. die Lotterie eine in Warschau , und der ursprüngliche Plan des Königs, die aufzuheben, sondern in allerhand Schädigungs-, Straf- und Ab­Lotterien ganz aufzuheben, war ins gerade Gegenteil hineingeblüht. schreckungsmitteln, wie man das ja noch heute in Preußen durch­Auch Friedrich Wilhelm III. war ein entschiedener Gegner der alles nichts, und es ging eben so weiter wie bisher. In den Straßen aus gewohnt ist und in der Ordnung findet. Natürlich half das Zahlenlotterie, verwarf aber die Klaffenlotterie nicht prinzipiell; Berlins sang man zwar: ein Beweis, daß die moralische Triebfeder dabei doch nur recht mangelhaft funktionierte. Wahrscheinlich wäre aber alles beim alten geblieben, wenn nicht 1806 der französische Eisenbesen das Land gekehrt und für die Geschicke der Zahlenlotterie verhängnis­bolle Folgen gehabt hätte. Die französische Offupation von 1806 bis 1808 brachte die Verwaltung der Zahlenlotterie in französische Hände, denen natürlich auch die Ueberschüsse zuflossen; die Ausfälle legten sie jedoch brutal anderen zur Last. Als eine Ziehung einst einen Verlust von 57 000 Zaler ergab, mußte der mit der früheren Regierung in Verbindung stehende Bantier Wulff aus seinem Privatvermögen die Zeche bezahlen. Die in der nächsten Beit ent­stehenden Defizits wurden nur unter Aufwand aller möglichen Kunst­griffe gedeckt. Als sich die Lotteriekassen von den Ausfällen erholt hatten, trat der seit 20 Jahren nicht vorgekommene Fall ein, daß eine bejezte Quaterne gewonnen hatte. Damit war ein Verlust von etwa 60 000 Zaler verbunden, für den die französischen Behörden nicht aufkommen wollten, so daß die Lotterieverwaltung diesen Fall nur unter äußerster Anspannung aller ihrer Kredite überwand.

Inzwischen wurde der Tilsiter Friede geschlossen. Der mora. Inzwischen wurde der Tilsiter Friede geschlossen. Der mora­lifche Kazenjammer schien denn auch eine günstige Nachwirkung zu haben. Mit der 799. Biehung wurde die preußische Zahlenlotterie im Mai des Jahres 1810 aufgehoben. Es hatten durchschnittlich 16 bis 17 Biehungen pro Jahr stattgefunden. Die finanziellen Ergeb­nisse sind nicht genau bekannt, weil die Erträge der damals auch schon bestehenden preußischen Klassenlotterie in den Abrechnungen ungetrennt mit enthalten sind. Auch über die Erträge während der Bachtzeit ist genaues nicht zu erfahren. Sicher find aber die Ueber­schüsse sehr bedeutend gewesen, denn der außerordentlich gefchäfts­fundige Graf Reuß erklärte einmal lächelnd auf Befragen, daß je drei Ziehungen ein Heiratsgut für seine Töchter abwürfen. Für den Staat hatte die Zahlenlotterie während der ganzen Beit ihres Bestehens( von 1794 bis 1810) einen Reinertrag von 14,6 Millionen Mark gebracht, dessen Verwendung entsprechend preußischen Tradi­tionen selbstverständlich in allererster Reihe militärischen Zweden zugute fam. Für Armen- und andere Zwede fiel natürlich nur herzlich wenig ab. Den königlichen Intentionen", die Zahlen­lotterie folle auch dem guten Fortgang der Manufakturen" dienen, war dadurch entsprochen worden, daß die Lotteriepächter im Laufe der Zeit für insgesamt 394 400 M. Porzellan bezogen. Aber auch damit waren die vielseitigen Aufgaben der Zahlenlotterie noch nicht erschöpft, denn sie war dem Plane Friedrichs II. gemäß auch dazu bestimmt, indirekt die Bevölkerung des Landes zu mehren"! Einem gewöhnlichen Sterblichen wäre es nicht so leicht gewesen, einen dies bezüglich passenden Modus für diese Aufgabe zu finden, dem großen" Könige war das natürlich ein Armschütteln. Er hatte in seinem Patent bestimmt, daß bei jeder Ziehung fünf armen im Lande ge­borenen Mädchen zum Zwede ihrer Verheiratung eine bare Aus­steuer von 50 Taler zugute kommen sollte. Die Namen von 90 solcher Mädchen wurden mit den Nummern der Zahlenlotterie ver­bunden und die 5 mit der Gewinnnummer verknüpften erhielten einen sogenannten Annegenschein, den sie unter Vorzeigung eines Trauscheines gegen 50 Taler einlösen konnten. Im Volksmunde wurden die mit einem Annerenschein beglückten Bräute annettierte Mädchen" genannt. Diese Einrichtung der Aussteuergelber über­lebte nicht nur die Zahlen- und die Quinenlotterie, über welche noch zu berichten sein wird, sie pflanzte sich sogar bis zum Jahre 1815 fort. Durch welche Ideenverbindungen man dahin gelangt war, von dieser Einrichtung eine Bevölkerungsvermehrung zu erwarten, wird wohl ein ewiges Geheimnis bleiben. Dennoch ist auch an diesem Beispiel zu sehen, wie man es in Preußen schon damals ber= stand, die Lösung großer Fragen mit Kleinlichen Mitteln zu be= treiben.

Doch die Konsequenzenmacherei hatte noch nicht ihren Höhepunkt erreicht. Das Edikt, durch welches die Zahlenlotterie aufgehoben wurde, enthielt moralisierende Begründungen, die sich ja ganz gut machten. Tatsächlich hatte die Zahlenlotterie verderbliche Wirkungen ausgeübt. So wird ein merkwürdiger Beleg dafür in einem Be­richte des königlich preußischen Domänen- und Justizamtes in Zinna bom 23. 2. 1795 erbracht. In Luckenwalde hatte die Spielmut die ganze Bevölkerung ergriffen. Für den naiven Menschen, in dem fich die Gewinnsucht regte, besaß die Zahlenlotterie in der freien Selbstbestimmung, die sie dem Spieler gewährte, in der Freiheit, die sie der Phantasie und der Spekulation des einzelnen überließ, einen gewissen Zauber, der mit großer Anziehungskraft wirkte. So machten die braven Luckenwalder die tollsten Bläne, brüteten Tag

Die Best gab die Natur dem Oriente, Unbillig ist sie nie;

Dafür gab sie dem Occidente

Die Zahlenlotterie!"

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aber die Lotterie war und blieb beliebt, wegen ihrer Erträgniffe auch bei der Regierung, und 15 Jahre hat es noch gedauert, bis endlich die Aufhebung der Zahlenlotterie erfolgte. Nach derartigen Erfahrungen follte man meinen hätte die Regierung ihre Lotteriepläne endlich fallen gelassen. Doch davon war sie weit entfernt. Sie führte nicht nur die Klaffenlotterie in größerem Maßstabe ein, sondern machte dazu noch eine viel größere Dummheit durch die Einführung. einer Quinenlotterie. Um bei dieser zu Gewinnen zu gelangen, mußte man Bestimmungen treffen, damit eine gewisse Anzahl von Gewinnen unter allen Unt ständen herauskäme. So wurde vom Könige ein Plan genehmigt, nach welchem 30 Nummern mit 142 506 Quinenlosen ausgespielt werden sollten, auf die ein Gewinn zu 50 000 Taler, 5 zu 5000 Taler, 12 zu 500 Taler fielen. Der damalige Chef der preußischen Staats lotterien , Wildens, hatte ganz richtig vorausgesehen, daß es nicht möglich war, so viele Lose abzusehen, so daß sich mit positiver Gea mißheit ein bei den damaligen schwierigen Verhältnissen doppel Seinen Widerstand ließ die höhere Weisheit" natürlich unbeachtet, schwer lastender moralischer und materieller Nachteil ergeben müßte, und die Einrichtung wurde durchgeführt. Jedes Los enthielt eine Quinennummer, toftete einen Taler und war unteilbar. Die erste Biehung fand bereits am 20. August 1810 statt, noch fast gänzlich unvorbereitet. Der Zufall wollte es, daß das Ergebnis für die Staatstaffe günstig ausfiel, da der Hauptgewinn auf die% der unverkauften Lose fiel. Die zweite Ziehung aber zeigte, wie recht Wildens gehabt hatte. Noch nicht% aller Lose wurden abgesetzt und dazu trat der Fall ein, daß der Hauptgewinn von 50 000 Zaler auf dieses Fünftel fiel. An Einnahmen waren nur 26 332 Taler erzielt, Gewinne und Spesen betrugen dagegen 67 872 Taler und das in einer Zeit, da Preußen auf die Hälfte verkleinert, durch die riesigen Kriegslasten und Kontributionen gebeugt und bis aufa äußerste geschwächt und erschöpft war. Unter diesen Umständen mußte man selbstverständlich unverzüglich zur Siftierung der Quinenlotterie schreiten. So endete diese Art der Lotterien in Preußen.

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Einen Sozialpolitiker könnte diese Geschichte nur mit Genug tuung erfüllen, wenn er nicht gleichzeitig einsähe, daß es eben doch immer die große Masse war, auf welche die aus derartigen Finanz­operationen entstehenden Lasten und Verluste abgewälzt wurden. Meinte man in so schwerer Zeit wie 1810 nicht auf die Einkünfte des Staates aus der Zahlenlotterie verzichten zu können, so war fein Grund vorhanden, sie zugunsten einer viel schlechteren, bedenka licheren und unerprobten Einrichtung aufzuheben. Die Begründung der Aufhebung der Zahlenlotterie war noch fadenscheiniger als die der Einführung der Quinenlotterie. Meinte man es mit der ersteren Motivierung ernst, so konnte man nicht in demselben Atem­zuge für die zweite eintreten. Die einzige Konsequenz hätte nur die sein können, auf die Lotterie selbst überhaupt zu verzichten, meil jede Art einer Lotterie mit Wetten und sonstigen Glücksspieler deren wirtschaftliche und sittliche Gefahren und Nachteile im Ge folge hat. Vor allen Dingen hat der Staat als Vertreter der Ge­samtheit ethische Aufgaben, die ihn mit der Duldung und Selbst­ausführung von derartigen Unternehmungen in Widerspruch bringen. Franz Wortmann.

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Kleines feuilleton.

ck. Das Leben in einem Bagno. In der Rebue" erzählt Pozzi- Escot von der französischen Straffolonie auf der Insel Neu­Caledonien und dem Leben der Sträflinge: Das Leben des Sträf lings ist von einer automatischen Regelmäßigkeit: Alle Tage, viele lange Jahre hindurch bis zum Tode oder bis zu seiner Befreiung, erhebt er sich, arbeitet, ißt und schläft zur selben Stunde. Nur am Somme tag nach der Messe, der er beiwohnen muß, ist ihm gestattet, wenn er ein gutes Führungszeugnis hat, sich einige Stunden dem Nichts­tun und dem Umherschlendern hinzugeben. In den Depots und Lagern des Inneren schließt man ihm im Schlafzimmer oder in den Höfen ein; auf der Insel Nou kann er am Strande frei umhers gehen vor der Strafanstalt, wenn er Tabak hat, rauchen, auch