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Serein!" rief's von drinnen. Da ging er in die Stube.
und er
Rembrandts Radierungen erzählen sein Leben, denn von Es war ein fahler, dunkler Raum. An blaugetünchter Anfang seiner fünstlerischen Betätigung an begleiten sie ihn. Wand ein rotgedecktes Bett, nicht weit davon ein glühender Frühe machte er sich mit der Radiertechnik vertraut Ofen und in der Mitte der Stube ein Tisch, weißgedeckt. gebrauchte die Kupferplatte wie das Papier, er gebrauchte fie, alles auf sie zu bringen, was er sah, auch wenn es als Bild keine Davor stand die Marie und bügelte. Bedeutung haben sollte. Dem Gebrauch der Zeit entsprechend, gab er sich sehr oft nicht die Mühe, das Spiegelbild aufzuzeichnen, so daß die Drucke umgekehrt wurden.( Wir sehen dann den Namenszug Rembrandt " verkehrt.)
Wirr umwehte das krause Haar ihren Kopf; aus der losen, Halboffenen Jacke wuchs ihr Nacken fest und voll hervor.
Sie wandte sich nach dem Eintretenden um. Ah, Müting!" sagte fic, und die rote Freude ging über ihr Gesicht. Set Dich!" Cie rückte ihm einen Stuhl hin, ' s is hip hier," sagte sie dann und strich sich die feuchten Locken aus der Stirn, aber bei meinem Geschäft!" Und sie trug ihr Eisen auf den Herd.
„ Na, was is Dir denn?" Sie lehnte vor ihm am Tisch, knöpfte sich die Jacke zu und zog die Schürzenbänder fester um die Taille. Ich hab mer's leicht gemacht bei der Hib," entschuldigte sie. Und:' s is doch niemand krank bei Euch daheim?" fihr sie fort.
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Müting drehte den Hut in der Hand. ,, Krant is niemand," sagte er,„ aber, hm
mutter geht fort!"
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die Groß
" Was Du sagst?" Der Marie Augen glänzten. Ei und warum dem, hä? Habt Er was mit enander gehabt?" " Hm." Müting räuspelte sich. Na ja:' s war mer halt schon lang net recht! Die alte Frau! Mei Kinner haben ihr Ordnung nit bei er, se werde geplagt und friege nir rechts gu esse. Na und da hab ich gedacht," er kragte sich hinterm Ohr, hab ich gedacht. Er sah zu Marie auf. Du bist doch stark und g- sino, Marie, fannst schaffe, wenn Du am End.?'
Dittend schaute er das Weib an.
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Der schoß die Röte jäh in die Stirn. Wie ein Nebel zog es an ihren Augen vorbei. Der Mann vor ihr verschwand und die blaue Wand hinter ihm. Wollte er sie zur Frau, oder oder nur...?
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Sie fuhr mit der Hand an die Schläfen. Die Hand war feucht und heiß, ihre Stirn war falt. Und dann fielen die Nebel. Ihre Augen begegneten wieder Mütings flehendem Blick. Si, Marie willst mer meinen Haushalt versorge?" Also Heirate nit, dachte die Marie, das nit! und sie zupfte an ihrer Schürze. Ja, Chrischan," sagte sie und wurde rot, ich tät's wohl gern, sehr gern, aber hm, ja... Du mußt doch einsehe... weißt, wenn die Mensche nit eso schlecht wäre...!"
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" Ja aber wenn de am Tag zu mer kommst! Du kannst ja zum Schlafe die Stube hier behalte, ich bezahl der die Miet!" ,, Nee, nee!" Die Marie wehrte mit der Hand. Ich weiß, Du hast Müh genug, rumzufomme, auch eso schon! Und dann das noch! Nee, nee!" Der Mann ließ den Kopf hängen. Sie schwiegen beide eine Weile.
Und wenn ich er versprechen tät, se zu heiraten? schoß es Müting durchs Hirn. Aber: nee, nee! Er wies den Gedanken von sich. Er schaute auf den Boden nieder. Der is schlecht geschruppt, dachte er, wenn das em Luis sein Stub gewese wär...!
Die Marie war seinem Blick gefolgt. Ich hab so viel Bu bügle alleweil," sagte sie,„ da bin ich abends müd, zu müd, um erscht noch anzufange mit puze!'
( Fortsetzung folgt.]]
( Nachdruck verboten.)
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Ich habe immer gefühlt, nur die Musik wäre fähig, dem Empfindungsgehalt, der ringenden Psychis Rembrandts nahe zu tommen. Worte fönnen es nicht, Worte sind nur Krüden . Töne künden und offenbaren. Worte begrenzen das Leben, Töne machen es frei und geben ihm Raum. Und Rembrandt braucht Raum und Freiheit denn Raum und Freiheit sind sein Leben. Durch sie strömt die Wirklichkeit sich zu dieser Bedeutung, zu diesem Gehalt. zu diesen Horizonten aus, die wir immer noch zu erfüllen streben, nach denen wir greifen wie der Knabe, der ihnen auf den Berg nachgestiegen ist. Rembrandt der Radierer- und Rembrandt der Maler es ist nur ein äußerer Unterschied, nur eine äußerliche Geteiltheit. Es ist ein Einssein in beiden, ein Zusammenschluß in seiner Persönlichkeit, ein Wechselspiel in seinem Leben, dieser Tragödie des Künstlers, diesem Trauerspiel des Proletariersohnes, der zur Höhe stieg und wieder von ihr absteigen mußte, tiefer als Daher er gekommen war
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Aus dem Jahre 1629 befißen wir ein Selbstporträt von ihm. Die Radiertechnik ist noch ganz und gar nicht beherrscht, die Linien sind ohne Zucht und Direktion. Sie sind„ talligraphisch"-sie bringen nur, so gut es eben geht, die allgemeinen Formen heraus, sie haben noch keine besondere Sprache. Sie find lose und zufammenhanglos. Rembrandt ist dreiundzwanzig Jahre alt. Mit vierundzwanzig ist er schon ein gutes Stück weiter in seiner Technik. Seine Linie hat bereits Bucht. Sie flattert nicht mehr, sie löst sich nicht mehr los. Es ist ein Zusammenhang, es ist Bu fammenhalt in den Strichen. Sie sind noch ein wenig furz, ein wenig mühevoll. Sie enthalten noch ein Zuviel. Es ist die Radierung des Bettlers", die ich meine. Eine breite, plumpe Gestalt, fißt er an der Straße. Wirres Haar, gramvolle und doch scharf lugende Augen. Nicht ohne Fordern, fast zu gering der Ausdruck des Bittens. Diskret streckt sich die Hand aus dem Aermel heraus leise gerundet, auf das Bein aufgelegt. Klobige Schuhe, loße Zehen. Ein Kompositionsfortschritt außer dem rein tech nischen der Linienführung: das Selbstporträt war in die Mitte gefeßt, ein wenig platt, ohne einen spezifischen Raumsinn; der Bettler hat schon das Typische der Rembrandtschen Raumbehandlung, das Aus- der- Mitte- Rücken des Gegenstandes. Und Der Bettler ist halb von hinten, von dem weiteren und freieren Raumbehandlung und Lichtwirkung einen sich schon ausgezeichnet. Raum aus beleuchtet. Die Helligkeit hebt sich scharf vom Dunkel und durchdringt sie zu einer schönen Plastik.
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Im gleichen oder folgenden Jahre radiert Rembrandt seine Mutter. Alle Liebe ist darin, die Striche gleiten in einem innigen Spiel. Sie versäumen nichts. Sie gehen jedem kleinsten Fältchen nach. Sie find rund. Da ist ihr Spiel in dem inneren Augenwinkel, da ist ihr Jneinandergreifen an der Nasenseite, und da ist der feine Mund. Die festgekniffenen Lippen, um die sich ein Lächeln kräuselt, das ganz verborgen ist. Ganz verborgen in der Würde; aber der Güte nicht entschlüpfen kann, die es verrät. Und einem anderen nicht: der Erzählerlust. Es ist ganz flüchtig, es ist in Schweigen und Strenge aufgelöst und in ihnen gebunden, aber es wird einem auf einmal lebendig. Man lauscht man lauscht den alten Bibellegenden, die dieser Mund wußte. Und die feinen Hände diese feinen Patrizierhände der Bäderstochter, die ein fünstlerisches Genie geboren. Und diese Patrizierwürde in ihrer ganzen Haltung, wie der Schleier über ihre Schulter fällt, wie sie sich in dem Sessel mit der hohen Lehne breit und doch vornehm zurücklehnt, wie sie die Hände im Schoße übereinanderlegt. Tausendfaches Detail, aber ein Ganzes ein ganzes Bild. Ein Porträt. Mehr als ein Porträt. Die Mutter. Die Patrizierin. Die Greisin mit der vornehmen Würde, mit dem verschwiegenen Reichtum ihres Lebens, mit der beherrschenden Erhabenheit ihres Standes und Matronentums. Es ist Kriegszeit, unruhige Zeit, die ein bewegtes Leben im Gefolge hat. Kommen und Gehen die Straßen werden nicht leer. Seltsame Gestalten phantastische reiche, phantastische arme Menschen aus fremden Ländern, Bettler, Krüppel, Lahme, Stelzende, Hintende, Charlatane. Rembrandts Griffel hält sie fest. Sein Wirklichkeitssinn wird genährt. Es sind immer Menschen, an die er sich hält. Aber sein phantastischer Sinn ist vorläufig noch stärker. Seine Phantasie schweift gerne. Er liebt die Pose. Kriegszeiten haben immer etwas Rodomontadenhaftes. Man sehe die Krieger der damaligen Zeit nur rein auf ihr Aeußeres hin an: der breitkrempige Hut, die wallende Straußfeder und der an den Enden aufgezwirbelte Schnurrbart. Auch Rembrandt ist das von angesteckt. Er ist ein richtiger und tüchtiger Brahler. Aber bei ihm erhöht sich der Prahlgeist zu einem dekorativen Sinn, zu einem Prachtbedürfnis, zu einer Fülle des Blendenden und Reichen im Aufbau seiner Personen, in ihrer Bedeutung. Er radiert 1632 den Perser. Er radiert sein Selbstbildnis. Er lernt in diesem Jahre Saskia kennen. Zwei Jahre später wird sie seine Frau. Die Patrizierin heiratet trotz des Widerstandes der Familie den Müllerssohn, diesen Bären mit den groben Formen, den derben Zügen, den schlechten Manieren. Da trumpft er auf. Er läßt seinem phantastischen Sinne die Zügel schießen. Er umgibt sich und sein schönes Weib in seinem Hause in der Breestraat zu Amsterdam , am Anfang des Judenviertels, mit unerhörter Pracht. Er besitzt Samt und Seide, Gewaffen und Juwelen, Gold und Perlen er besitzt seltene Bilder, wertvolle Drucke, Gipsabgüsse. Er ist kein Proletarier mehr, er ist ein Patrizier. Er radiert sich als Patrizier, wie er sich als solchen malt. Im Jahre 1634, im Heiratsjahr, stellt er sich mit breitem, sattem Gesicht dar, aufgezwirbeltem Schnurrbart, Zwidelbart, reichem, frausem Haar, Barett mit Reiherfeder." Ich besize!" ganz breit und fest- in die Mitte gesetzt. Ohne Finessen schwer bis zur Plumpheit das wertvolle Gewand. Dann zwei Jahre später das feinere Bildchen mit Sastia zusammen. Breit sitt er am Tische, scharf an die Seite gerüdt, ein massiver Stopf, eine dide Nase, aber unter dem Schatten der breiten Sutkrempe bliken zwei große, helle, scharfe,
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