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Verlangen nach den Gütern des Lebens, nach Wohlstand, Wissen und schreiben sollte. Nur solch eine Autobiographie, wie demütigend es Freiheit erstanden sei, ein Wille, um jeden Preis und foste auch für mich sein mag, sie zu schreiben, kann für die Leser ein es Ströme des Blutes das Joch der alten Tyrannei abzuschütteln, wahres und fruchtbringendes Interesse haben. Indem ich meinem da habe, fagt Gorki, der Alte vor dem Wolfe von der Eitelkeit all Leben diesen Spiegel vorhielt, das heißt, indem ich es vom Stand­dieser Dinge gesprochen: Was nüßen Wissen und äußere Freiheit, punkte des Guten und des Uebels, das ich getan hatte, prüfte, sah wenn nicht zugleich der Mensch von den Begierden, vom Joch der ich, daß sich mein ganzes langes Leben in vier Perioden auflöſt: inneren Unfreiheit erlöst wird, und was nüzt ein erleichtertes, Jn jene, besonders im Vergleiche zu der darauf folgenden, herrliche, Möglichkeiten der Freude in sich schließendes Leben, wenn jene unschuldige, reine poetische Zeit der Kindheit bis zum vierzehnten wir dennoch dem großen Augenblick des Todes in Jahre. Dann die zweite, jene furchtbaren zwanzig Jahre, die gleicher Weise ratlos wie zuvor gegenüber stehen? Als er die Periode Als er die Periode roher Ausschweifung, der Frondienste des Ehr Rede geendet, war ein großes Schweigen in der Versammlung, ein geizes und der Eitelkeit und der Sinnlichkeit vor allem. Arbeiter aber, ein ganz ungehobelter, sagte zu seinem Nebenmann: Dann die dritte, achtzehn Jahre umfassende Periode von Mir tut die Hand weh, geh' Du zu ihm und schlage dem alten Affen meiner Heirat an bis zu meiner geistigen Geburt, eine!" Mag der Weise" aus noch so ehrlichem Herzen gesprochen eine Periode, die man vom weltlichen Gesichtspunkte aus moralisch haben, jenes befremdete Staunen und der instinktiv durchbrechende nennen könnte; ich will sagen, daß ich während dieser achtzehn Haß des Arbeiters trifft im Gefühl das Richtige: daß es wie närrischer Jahre ein geregeltes anständiges Familienleben lebte, ohne mich Hohn flingt, wenn man die, die nach endlosem Elend ihr Recht irgendwelchen von der öffentlichen Meinung verdammten Lastern in dieser Welt verlangen, mit Reden über die Vergänglichkeit hinzugeben. Nichtsdestoweniger war dies eine Periode, in welcher weltlicher Güter aufhält, mit einer Predigt, die, wo sie überhaupt sämtliche Interessen auf egoistische Familienforgen gerichtet waren; foziale Fragen streift, in die kindliche Naivität urchriftlicher Auf- auf die Vermehrung des Vermögens, auf literarische Erfolge und fassungen zurückfällt und das gewaltige tampf- und zukunftsreiche auf Genuß jeder Art Vergnügens. Und dann dem Ende zu gestaltet Getriebe der Geschichte durch die wunschlose Friedfertigkeit eines sich noch eine vierte Periode von zwanzig Jahren, in der ich jetzt allgemeinen bäuerlichen Gemeindelebens, in der die Tugend" am lebe und in der ich zu sterben hoffe und von deren Gesichtspunkte besten gedeihe, ablösen möchte. aus ich all die Bedeutung meines vergangenen Lebens abmesse, und Darum aber bleibt der Schöpfer von Krieg und Frieden  " die ich in nichts zu ändern wünschen würde, es sei denn in jenen und der Anna Karenina  ", der jegt freilich alles das als künft- Gewohnheiten des Uebels, die mir aus früheren Jahren anhaften." lerisches Geschwät" verwirft, und der grundwahrhaftige, uner- Diese Selbstanschuldigungen, die in ihrer fanatischen Düſterkeit müdlich an seiner sittlichen Vertiefung arbeitende Mensch Tolstoi  , seltsam gegen die Milde, mit der er über andere zu urteilen pflegt so wunderlich verständnislos er mit seinen Erlösungsidealen der abstechen, ziehen sich, anders gewendet, wie ein Refrain durch ulle menschlichen Natur und ihrer gegenwärtigen Entwicklungsstufe auch Dokumente des Burikowschen Werkes. Der junge Tolstoi, den der gegenüber steht, doch immer eine der merkwürdigsten Erscheinungen Alte als einen so abgebrühten Frebler darstellt, war nach dem der Zeit. Die Bücher mancher anderen Autoren mögen noch Eindrucke, den man aus den hier gesammelten Tatsachen und Tage­mehr als seine gelesen werden als Persönlichkeit, in der Art buchnotizen empfängt, im Grundzug seines Wesens, von dem, der seiner Lebensführung ist keiner so bekannt geworden, hat feiner so die später die Bekenntnisse" schrieb, wohl gar nicht so durchaus ver Phantasie der Mitlebenden beschäftigt, wie er. Viele Federn haben schieden. Ein wildes Naturell riß ihn zu Ausschreitungen fort, und es den Alten geschildert, wie er auf seinem Gute Jasnaja Poljana   im gab geiten, wo er das nagende Gefühl der inneren Zerrissenheit hinter Bauernfittel gewöhnliche Handarbeit verrichtet, er sich einem Gebaren hohler Eitelkeit und hochfahrenden Stolzes berbarg; aber im Felde, in seinem Schreibzimmer, im Kreise seiner zahlreichen von innen angeschaut, so wie ihn die intimen in jenen Tagebüchern Familie bewegt. Vor allem aber Tolstois eigene Schriften, in denen figierten Selbstgespräche zeigen, erscheint sein Wille auch damals bon tiefer er für seine Lebensanschauungen Propaganda macht, sind gleichzeitig Sehnsucht nach ethischer Reinheit und Kraft erfüllt. Unausrottbare allerpersönlichste Bekenntnisse, Berichte aus seinem Leben, wie es wahrhaftigkeit und ein Bedürfnis, im schroffen Gegensatz zu der gewesen und wie es fich wandelte. fonventionellen Modemeinung, von innen heraus, nach selbst­Eine durchgeführte Biographie, die in künstlerischer Plastik den gefundenen Ueberzeugungen sein Leben zu gestalten, laffen ihn gesamten Ablauf dieser innerlich so bewegten Existenz, wie die Be- den Stachel des Widerspruches aufs schmerzlichste empfinden und ziehungen derselben zur Besonderheit russischer Verhältnisse hervorbereiten die Möglichkeiten einer vollen Läuterung vor. treten ließe, wäre von ungewöhnlichem Interesse. Das Werk Mit feiner Strichelung enttverfen Graf Tolstois Erinnerungen" Buritows, eines Freundes und Gesinnungsgenossen, wovon so- Borträts aus der Umgebung, in der er aufwuchs. Namentlich die eben der erste Teil: Tolstois Biographie und Memoiren. Band I: Gestalten der früh verstorbenen edlen Mutter, der liebevollen Kindheit und frühes Mannesalter*), erschienen ist, tann nur als Tante Tatiana, deren Güte, meint er, ihn selbst zur Fähigkeit Borarbeit für eine solche Aufgabe gelten; was der Verfasser gibt, uneigennüßiger Liebe erzogen habe, wie der grenzenlos verwöhnten, ist bloße Sammlung von Briefen und Tagebuchblättern des Grafen, typisch aristokratischen Großmutter treten lebendig hervor. Innig von gedrucktem und ungedrucktem Material, eine Zusammenstellung, war das Verhältnis zu den Brüdern. Mit dem Aeltesten Sergei, die überdies mehr auf Vollständigkeit als auf übersichtliche Gruppierung einer in fich abgeschlossenen, allem Grüblerischen abholden Natur Gewicht legt, und das Bedeutsame, das sie bringt, vielfach mit recht von unbewußtem Egoismus", verbanden ihn am wenigsten gemein gleichgültigem Notizenkram( sogar die Noten in Tolstois Schul- fame Wesenszüge. Aber eben um dieser völligen Verschiedenheit zeugnissen werden uns nicht geschenkt!) berwässert. willen war dieser für den jungen Leo Gegenstand andauernder Bewunderung. Die beiden anderen, im frühen Mannes­alter bon der Schwindsucht hingerafft, scheinen gleich ihm selbst Menschen von ausgeprägter Innerlichkeit und starkem ethischen Empfinden, wenn auch nicht gefestigte Charaktere gewesen zu sein. Ueber den liebenswürdigen und phantasievollen Nikolaus bea richtet der große Schriftsteller Turgeniew, er habe die Demut der Lebensführung, die sein Bruder Leo in der Theorie ausgearbeitet, in Wirklichkeit geübt und in seiner ärmlichen Moskauer   Behausung " Ich leide augenblicklich", heißt es in dem am Anfang der mitten im Proletarierquartier das, was er besaß, gern Erinnerungen" mitgeteilten Tagebuchblatte vom Januar 1903, mit den Aermsten geteilt. Und was Tolstoi vom jüngsten, " Dualen der Hölle. Ich rufe mir alle Abscheulichkeiten meines Mitento, dem weltfremden, immer schlecht angezogenen früheren Lebens ins Gedächtnis. Diese Erinnerungen wollen nicht Burschen mit den stillen, schönen Augen" erzählt, gemahnt weichen und sie vergiften mein Dasein. Die Leute pflegen es zu in seiner Seltsamkeit an Figuren Dostojewskyscher Romane. bedauern, daß das Individuum nach dem Tode fein So z. B. erschien Mitento nach Beendigung seiner Studien eines Erinnerungsvermögen bewahrt. Welches Glück! Welche Marter Tages unter anderen Bittstellern im Ministerium, wie stets in sehr wäre es, wenn ich mich in diesem Leben allen Uebels, all' zweifelhafter Kleidung, und erklärte in der Audienz, er sei ein dessen, was für das Gewissen qualvoll ist, entsinnen würde, russischer Adliger, der sich seinem Lande nüßlich zu erweisen wünsche das ich in einem früheren Leben begangen habe. Und und sich für das Tätigkeitsgebiet der Gesetzgebung vorbereitet habe" I entsinnt man sich des Guten, so muß man sich auch des Ueblen und als aus der Anstellung nichts wurde, lief er bei seinen Bea entsinnen... Es ist wahr, nicht mein ganzes Leben gehörte dem fannten mit der treuherzig naiven Frage: Wo müßte man Uebel. Dieses dominierte nur während eines Zeitraums von zwanzig dienen, um nüßlich zu sein", herum. In besonders warme Jahren. Es ist auch wahr, daß selbst während dieses Zeitraumes herziger Liebe schloß er sich an leidende schiffbrüchige Existenzen mein Leben nicht das ununterbrochene Uebel war, als das es mir an, verkehrte mit Mönchen und Pilgern und lebte während meiner Krankheit erschien; denn selbst damals erwachten bis zu seinem sechsundzwanzigsten Jahre in strenger Enthaltsamkeit. hin und wieder in mir Regungen des Guten, wenn fie Dann plötzlich trat ein Umschwung ein, er geriet in einen Strudel auch nicht allzu lange anzudauern vermochten und bald bon von Ausschweifungen; nicht so sehr diese selbst, als der seelische ungezügelten Leidenschaften erstickt wurden. Nichts destoweniger Kampf und die Gewissensbisse" waren es, die, nach Ansicht Leo zeigten diese Betrachtungen es mir besonders während meiner Tolstois, seine Widerstandskraft gegen die Keime der Schwindsucht Krankheit klar, daß meine Autobiographie, so geschrieben, wie Auto- brachen und ihm einen raschen Tod bereiteten. Ein unglückliches, biographien gewöhnlich geschrieben werden, eine Lüge sein würde, pocennarbiges Mädchen, das er mitleidig aus einem schlechten Hause wenn sie mit Stillschweigen über die Greuel und das Verbrecherische losgekauft, pflegte den Sterbenden. in meinem Leben hinwegginge, und daß ein Mann, wenn er feine Lebensgeschichte schreibt, die volle und genaue Wahrheit nieder­

Auf Burikows Bitte hatte Tolstoi begonnen, selbst Erinne rungen", die dem Buche einverleibt werden sollten, niederzuschreiben. Leider sind sie sehr fragmentarisch ausgefallen und brechen früh ab. Tolstoi   berichtet, wie er, nachdem er sich zur Abfassung von Memoiren entschlossen, plötzlich erkrankte, und dann, als ihm die Genesung Mußestunden der Rückschau gab, von den herauf beschworenen Bildern der Vergangenheit wie von einer Schar rach süchtiger Feinde verfolgt worden sei.

*) Wien   und Leipzig  . Verlag von Morik Pertes. 500 Seiten.

( Schluß folgt.)

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