Kleines feuilleton.

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o. g. Alte Häuser. Es war da oben in Kopenhagen auf dem Runden Turm", jenem Turm, in dem keine Treppe empor führt, sondern nur ein gewundener Schnecengang. Die Kopenhagener lettern so wenig hinauf, wie der Berliner auf den Rathausturm; aber die Fremden geben sich Rendezvous auf der Plattform. Fremde aus aller Herren Länder trifft man da. Heut überwogen die Ber­Viner, das liebe heimische Deutsch von der Spree schwirrte in allen Tonarten um uns herum. Uebrigens war es sehr elegante Ge­sellschaft. Nordlandsreisende, die die Taschen voll Geld hatten und cs sich wohl auch zu Hause an nichts fehlen ließen. Die Damen trugen seidene Reisemäntel und an den Seemüßen kostbare, wehende Schleier; die Herren verrieten das Tiergartenviertel.

Sie hatten gut diniert und getrunken und befanden sich in fehr animierter Stimmung. Es war ein Lachen und Plaudern hin und her; das Bild zu unseren Füßen riß alles zu lauter Be­wunderung hin. Und das Bild verdiente die Bewunderung. Weit draußen der Sund, leuchtend im reinsten krystallenen Blau, begrenzt bon Schwedens weißgelben Küsten. Seeland mit seinen Bergen und Wäldern, tief unter uns im Grunde Kopenhagen selbst, ein Gewirr von Dächern, Kuppeln und grünen Türmen. Der laute Lärm der Straßen drang nur wie ein fernes dumpfes Brausen zu dieser Höhe empor.

Zu unseren Füßen lag die alte Stadt", Kopenhagen , wie es Seit Jahrhunderten war: Straßen so eng, daß kaum zwei Menschen aneinander vorüber konnten, Häuser mit hohen Giebeldächern, mit niederen, eng zusammengerückten Fenstern und seltsam altertüm­lichen Fronten, Häuser, die aussahen, als wüßten sie tausend Ge­Schichten.­

Und hinter den Häusern enge Höfe, darein sich wieder andere Häuser schoben, finstere Hinterhäuser mit seltsamen Anbauten, mit Galerien und Treppen und Treppchen, mit Pfeilern und Vor­Sprüngen und allerhand dunklen geheimnisvollen Gängen und

Winkeln.

Die Berliner Damen waren hingerissen.

Das ist Poefie," rief die eine, das ist Romantik! Nein, das ist einfach entzückend, wundervoll."

Wie ein Märchen," hauchte die zweite mit sentimentalem Augenaufschlag.

Kinder, wenn wir das in Berlin hätten." Ach Gott, Berlin , Berlin dagegen!" Die Sentimentale lehnte sich über die Brüstung: Berlin ist ein ganz triviales Nest."

" Sieh Dir bloß die alten dunklen Straßen an." Die erste begeisterte sich von neuem, und wie verräuchert das alles aussieht, ba kann man sich ja Geschichten zu ausdenken; nein, ist Berlin da­gegen langweilig mit seinen neuen modernen Häusern."

" Es ist wie ein Märchen von Andersen," hauchte die Senti­mentale wieder, es ist so wundervoll grufelich und bezaubernd. Bei uns reißt man so was natürlich alles nieder und baut alte Tangweilige Mietskasernen hin."

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" Ja, in Berlin haben sie gar keinen Sinn für-" Altes Gerümpel!" sagte einer der Herren.

"

Die anderen lachten, aber die Damen verzogen schmollend den Mund. Sie sind abscheulich, Doktor," maulte die Sentimentale mit etwas gemachter Koketterie." Sie sind auch so einer, der Teinen Respekt hat vor dem, was das Alter heiligt; wenn es nach Ihnen ginge, müßte man das alles herunterreißen und Neubauten hinstellen, lange, langweilige Mietstasernen, die ebenso nüchtern find wie bei uns."

Der Herr ließ die Vorwürfe ruhig über sich ergehen, er ant­wortete nicht, aber ein etwas ironisches Lächeln spielte um seinen Mund. Das brachte die andere Dame noch mehr auf: Lilly hat recht. Sie haben keinen Sinn für Poesie. Wenn wir solche alten Häuser in Berlin hätten, wär' das schön!" Sie warf einen wär' das schön!" Sie warf einen ordentlich sehnsüchtigen Blick auf die alte Stadt hinab, allein der Doktor fragte lakonisch:" Würden Sie drin wohnen wollen?"

Die beiden Damenköpfe fuhren gleichzeitig herum, und helle Empörung malte sich auf ihren Gefichtern.

" Wohnen? In solchen alten Häusern? Um des Himmels willen!" rief Lilly.

" Da hat man ja gar keine Bequemlichkeiten," fiel die andere ein, tein elektrisches Licht, keine Zentralheizung, ich glaube, nicht mal' ne Badestube!"

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h. Die Heimat Ser Kokospalme. Der bisherigen allgemeinen Annahme, daß die Kokospalme asiatischen Ursprungs sei, tritt ein amerikanischer Professor entgegen, indem er sein Land als Heimats land für diese Pflanze reklamiert. Diese Ansicht wird einmal da­durch unterstützt, daß alle Gattungen der Unterfamilie Cocaceae in Amerika heimisch und auf diesen Erdteil beschränkt sind. Weiter stützt sich diese Anschauung auf die Zeugnisse spanischer Chronisten und Eroberer, laut denen die Kokospalme schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts in Zentralamerika und an manchen Stellen Südamerikas weit verbreitet war. Der Name wird auf spani­ schen Ursprung, coca" für Kernnuß, zurückgeführt. Als besondere Heimat wird das Andengebirge Kolumbiens genannt, wo Alexander von Humboldt noch 100( vermutlich englische) Meilen vom Meere entfernt wiederholt Kokospalmen antraf. Von hier aus soll diese Pflanze in vorgeschichtlicher Zeit nach Polynesien und den Malai­ischen Inseln gekommen sein, und zwar ist Verbreitung durch Men­schen anzunehmen, da die Nuß in den Meeresströmungen bald ihre Keimkraft einbüßt. Uebrigens geben auch deutsche Botaniker als Heimat der Kokospalme das tropische und subtropische Amerika an. Es flingt also gar nicht so unglaublich, was der Amerikaner be­hauptet.-

f. 1. Statistisches vom Statspiel. Die Tatsache, daß geübte Statspieler den ungeübten gegenüber stets die größere Gewinns chance haben, wird von manchen Leuten auch dadurch zu erklären versucht, daß sie meinen, der geübte Spieler habe eben schon häufig ein und dasselbe Spiel gespielt. Diese Vermutung ist irrig. Sehen mir einmal zu. Das Statspiel wird bekanntlich mit 32 Karten­blättern gespielt, die in vier durch verschiedene Farbengebung sich unterscheidende Gruppen von je 8 Karten zerfallen; in jeder Gruppe ist eine Starte als Bube oder Wenzel benannt, und den bier Farben entsprechend gibt es einen ersten, zweiten, dritten und vierten Wenzel. Jeder der drei Spieler erhält zehn Karten, die zwei übrigen Karten bilden verdeckt auf dem Tische liegend den sogenannten Stat. Wenn wir nun fragen, wie viele voneinander verschiedene Statspiele es gibt, so entscheidet die Reihenfolge darüber, in der die 32 Kartenblätter ursprünglich lagen. Anderer­seits ist es gleichgültig, in welcher Reihenfolge jeder der Spieler feine 10 Karten erhielt, und in welcher Reihenfolge die zwei Karten im State liegen. Nach den Lehren der Permutations­rechnung ergibt sich, daß 2 379 544 036 309 440 Spiele möglich sind. Um einen Einblick in die Größenordnung dieser Zahl zu gewinnen, denke man sich 50 Millionen Menschen, das sind etwa alle über 7 Jahre alten Bewohner Deutschlands , Tag und Nacht ohne die geringste Pause Karten gebend, und rechne 1 Minute als den Zeit­aufwand für einmaliges Mischen und Austeilen der Karten, man denke sich ferner, daß jedes Spiel vom anderen verschieden ist: dann bedarf es 90 Jahre, bis alle vorhandenen Möglichkeiten er schöpft sind.

u.

Technisches.

Dünne Drähte. Zu manchen technischen Zweden braucht man außerordentlich feine Drähte, so besonders für gewisse elektrische Apparate solche, die einen Durchmesser von dem hundert­sten Teil eines Millimeters, ja noch weniger besitzen. Selbst­verständlich kann man so zarte Fäden nicht ziehen, denn dabei würden sie sicher zerreißen. Aber die Technik weiß sich zu helfen, und zwar, indem sie dieselbe Elektrizität heranzieht, der die Drähte dann wieder dienen sollen. Dicke Drähte werden in ein elektro­Ihtisches Bad hineingehängt, und der elektrische Strom nagt all­mählich etwas von dem Draht ab. Auf diese Weise kann man diesen Strom muß natürlich so schwach sein, daß die Verdünnung nicht so fein werden lassen, wie man ihn zu haben wünscht. Der elektrische zu jah vor sich geht, denn sonst könnte der Draht leicht reißen, aber Methode ist zur Herstellung von Silber-, Kupfer- und Phosphor­bei richtiger Stromwahl erhält man sehr gleichmäßige Drähte. Die bronzedrähten geeignet und ermöglicht ihre Herstellung in furzer

Zeit,

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Humoristisches.

Kindliche Phantasie.

Nacht ein Floh gebissen!"

Mutter, mich hat die ganze

Weshalb hast Du ihn denn nicht gefangen?" Er funtelte mich so wild mit den Augen an!"

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Und ungesund muß es auch sein!" rief Lilly, huh, denken Sie doch mal die niedrigen Stuben, und lüften kann man auch nicht Ein Rätsel. Dichterling: Sehr auffallend! Ueber ordentlich, und-pfui! nein, zum Wohnen wären solche alten Buden zehn Jahre hatte ich dieses Frühlingsgedicht in meinem Schreib­für mich nicht!" tische liegen, und jetzt schreibt mir die Redaktion, es sei noch nicht

Also ist es doch das beste: weg damit

=

oder soll man sie reif." leer stehen lassen und so aufheben, bloß wegen der Poesie?"

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Die beiden Damen machten verdußte Gesichter: Ja, wenn Sein Beileid. Bei Serenissimo war plötzlich ein man das bedenkt" meinte die Aeltere fleinlaut aber Lilly Stallbursche gestorben. Teilnehmend erkundigte sich Hoheit nach der rief: Ach, laß Dir doch nicht überrumpeln; als ob es nicht genug Todesursache. arme Leute gäbe, die in den alten Häusern wohnen könnten. Die find noch froh, wenn sie einen Unterschlupf finden. Laßt doch die alten Buden stehen für die armen Leute; man kann ja das Nützliche mit dem Angenehmen bereinen."

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Darmberschlingung", berichtete der Oberstall­meist er. Serenissimus stand starr. Aber, aber", sagte er endlich fopfschüttelnd, wie konnte der Mann auch so etwas ver -slingen!" ( Lustige Blätter.")

Na eben!" Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin , Drud u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.

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