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endet man diese Fahrt über den weit sich ausdehnenden See, der so groß ist, daß man Land und Heimat vergessen kann. Man verliert fich im Unendlichen  , im stillen, großen Raum, die Wellen schaukeln und der Himmel glüht, sonst nichts. Und schließlich wundert man sich, daß man wieder in die schmale Fahrstraße mündet, die uns nun empfängt. Man erwacht wie aus einem Traum, den die Phantasie aufbaute. Man staunt: Du bist ja in der Nähe von Berlin  . Ganz wo anders hin hatte Dich die Melodie der Dich ewig umgaukelnden Wogen getragen. Noch einmal blickt das Auge zurück: wie herrlich groß und weit die Fläche. Wie schön legen sich die kaum überall sichtbaren Ufer wie ein schmaler, grüner Gürtel um die aufspribende, immer bewegte Fläche! Langsam und vorsichtig gleitet das Schiff in die schmale Fahr­straße. Links und rechts prächtige Ufer; helles Grün und dunklere Töne, Wiesen weithin, eine lachende Fläche. Busch und Strauch beleben die Ebene. Weiter hinten beginnt hinter einer kleinen Sentung Kiefernwald. Schilf wächst hoch am Ufer und das Wasser, das hoch am Ufer anschwillt, wenn wir vorbeifahren, rauscht in den Halmen. Am Ufer wird gemäht, Felder stehen schon voller Getreide­Haufen. Schmetterlinge fliegen über dem Felde. Die Mäher stehen tief im Getreide drin. Sonne bergoldet alles Leben.

Hier ist die Welt ganz anders. So abgeschlossen, eng und still. Und dort das Dorf, Rahnsdorf  , ein richtiges altes Dorf. Ein Durcheinander von alten roten Dächern. Die Sonne liegt gau und warm darauf. Am Ende des Feldes liegt es. So heimlich, so warm liegt es da. Von Häusern gar nichts zu sehen. Nur die fleinen warmen Dächer im Grünen  . Hoch darüber, im blauen Naum, fliegen Lerchen! Und ihr zwitschern dringt leise zu uns herunter, nur wie ein ferner Gruß hörbar.

Da weitet sich wieder die Fahrstraße, ein See nimmt uns auf, flein   und umschlossen: der Dämeritsee. Villen liegen am Ufer. Hellrote und weiße Häuschen. Blau leuchtet das Wasser. Diese Fläche ist still. Es sieht aus, als behüteten die Ufer den sich still einschmiegenden See. Warm liegt das sonnige Licht im Laub der Uferwaldungen, deren Grün fast gelblich erscheint. Zwei helle Kleider am Waldrand, Frauen, die am Walde entlang gehen... Leicht und langsam gleiten wir hin über den See. Am Ufer, die schweigens liegen, nur selten ein Mensch, nur wenig Kinder. Ertner. Eine Birkenallee führt am Ufer hin, junge Bäumchen. Kinder spielen und liegen im Wasser. Kähne schaufeln. Durch einen engen Kanal fährt der Dampfer an Erkner   heran. Hier drängt sich alles. Kleine Häuschen wagen sich bis dicht ans Wasser. Es bleibt nicht viel Raum für den Garten. Und Fabriken nehmen den Platz weg, vor denen die breiten Kähne lagern. Die Essen dampfen.

Woltersdorf  . Dichtes Grün an den Ufern. Zuweilen steigt das Ufer hügelig an; Kiefernwald an den Hängen. Hier ist die Welt zu Ende, scheint's. In breiter Bucht schmiegt sich das Land um den See, und nur wenn man genau hinsieht, sieht man eine schmale Deffnung drüben, jenseits der Landzunge, da gehts wieder hinaus. Dies ist der Flakensee. Hellblau und idyllisch. Wie in einem Badeort ist es hier. Am Ufer in weißen Farben leuchtende Restaurants. Eine Uferpromenade. Am weißen Landungssteg entlang stehen die Händler. Frauen verkaufen in Tüten Birnen, Stachelbeeren, Pflaumen. An hohen Ständern bieten sie Ansichts­postkarten feil. Die Sonne blitt an dem Blech der Einfassung. Motorboote fahren lautlos dahin am Ufer und landen, ohne daß ein Geräusch vernehmbar. Und die Sonne liegt in friedlicher Fülle, segenspendend auf dem hellblauen Wasser. Wie ruhig ist es hier. Zwischen den Bäumen, in den Restaurants nur wenig Menschen. Voll liegt das Licht auf den am Ufer errichteten Badeanstalten, und die nackten Gestalten funkeln ordentlich und lösen sich auf in helle Flecken. Weit, ganz weit weg von Berlin  . Viel weiter noch, als die räumliche Entfernung beträgt. Du mußt nur mit frischen Sinnen anschauen, was Dich umgibt. Dann erscheint Dir alles neu, und selbst das Alltägliche redet zu Dir in einer Sprache, die Dir neue Dinge offenbart.-

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zu seiner Mutter begeben zu dürfen." Als Bürger können Sie gehen, wohin Sie wollen. Aler wir werden Sie zu bestrafen wissen, wenn Sie uns verraten."" Und die anderen Offiziere?" Die anderen Offiziere sind hier Gefangene." ,, Und wenn sie wie ich als Bürger das Recht verlangen, in Tiflis   frei umherzugehen?" ,, Kameraden müßten dann für sie bürgen, wie wir für Sie bürgen."

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In diesem Augenblick erscheint ein Oberst, das Geficht purpur­rot vor Zorn, die Uniform aufgeknöpft. Die Soldaten umringen ihn:" Nicht weiter, Oberst!" ,, Was! Eine Rebellion! Man schieße auf die Kerle! In Reihe und Glied oder ich kommandiere Feuer auf die Meuterer!" Keiner rührt sich, aber die Soldaten nehmen eine drohende Haltung an." Herr Oberst, ich bitte Sie," mischt sich der Leutnant ein, beruhigen Sie sich. Bedenken Sie, daß Sie für alles verantwortlich sind. Es ist gegenwärtig hier kein Mann, der Ihren Befehlen gehorchen würde. Und wenn geschossen wird, werden wir das Ziel sein. Man muß mit den Soldaten ruhig sprechen, man muß unterhandeln." Der Zorn des Obersten legt sich bald. Drei oder vier andere Offiziere kommen dazu. Man be= schließt rasch, daß der Leutnant sich mit einer Abordnung des Re­giments in Verbindung setzen soll.

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Also, Bürger," sagt der Leutnant zu etwa hundert Soldaten, die sich um ihn scharen, worüber habt Ihr zu klagen? Warum diese Revolte?" Die politische Revolte ist noch nicht beschlossen, Leutnant. Wir wollen nur unseren Dienst nicht weiter tun. Wir streiken." ,, Gut, aber warum denn eigentlich?" Ein Soldat tritt vor und spricht: Leutnant, wir haben Recht auf Decken. Der Zar hat sie bezahlt. Sie sind geliefert worden, aber Oberst X... hat sie vor drei Wochen verkauft. Wir kennen den Käufer und wissen, was er bezahlt hat. Wir haben Recht auf Kohle, und man gibt uns zum Heizen nur schlechten Kohlenstaub. Unsere Kohle ist von dem Major X... verkauft worden. Wir haben Recht auf Zucker. Er ist von dem General X... unterschlagen worden. Wir können für alles Beweise bringen. Früher ließ man alles hingehen. Jezt fordern wie die Gerechtigkeit ebenso wie die Bürger. Gut! Gut! Und wenn man Euch Eure Decken, Eure Kohle, Euren Zucker gibt, hört Ihr dann sofort auf zu streiken?"" Wir hören dann zu streiten auf, wenn man uns aber wieder bestiehlt, fangen wir den politischen Streit an." Was ist denn das: politischer Streif?"" Der Streit durch die Revolution!"

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hl. Ein seltsamer Boltsstamm in Spanien  . Spanien   ist in ethnologischer Hinsicht verhältnismäßig reich an merkwürdigen Rassenmischungen. Besonderes Interesse erwecken neben den Zigeunern und Basken die wenig bekannten Maragatos, an scheinend Nachkommen der alten, aus Spanien   vertriebenen maurischen Eroberer, die noch im westlichen Teile des Landes ihre streng gesonderten Wohnsize haben. Die Maragatos bewohnen im Südwesten von Astorga   in der Provinz Leon   einen Maragateria" genannten Landstrich, der sich zwischen den Bergen Foncebades und Telono erstreckt und 450-500 Quadratkilometer groß ist. Ihre Hauptdörfer find Santiagomillas, Val de San Lorenzo, Pradorrey, Beldedo, Rabanal, Santa Colomba und Vallar de Golfer. Alle diese Dörfer waren ehemals durch eine Art Vertrag miteinander verbunden, in dem sich noch Spuren vorfinden. Noch heute sehen die Maragatos die anderen Bewohner des Landes fast als Fremde an, mit denen sie möglichst wenig zu schaffen haben wollen; mit allen Fasern ihres Herzens aber hängen sie an ihrer Heimat. Da das Land jedoch sehr wenig ertragreich ist, wandern fie zeitweise aus, um bestimmten Geschäften nachzugehen, aber sowie sie vom Glück begünstigt werden, setzen sie sich wieder in ihren Dörfern fest. Gewöhnlich sind sie als Maultiertreiber tätig, aber je nach der Gegend, die sie aufsuchen, wechseln sie die Beschäftigung. So verkaufen sie in Astorga   Schokolade, in Palencia   Decken und in Madrid   haben sie besondere Fischhandlungen. Dieser Beruf erklärt fich durch die Tatsache, daß Maragateria auf dem halben Wege zwischen den Fischereien Galiziens   und Asturiens   und der Hauptstadt gelegen war, sodaß die Maragatos, nachdem sie beim Transport der Fische auf den Landstraßen beschäftigt worden waren, schließlich in Madrid   den Verkauf übernahmen. Dort stehen sie nun unter den anders gekleideten Großstädtern als letzte Träger einer ver­gangenen Kultur in ihrer malerischen Tracht, die sie mit einer erotischen Stimmung, umgibt und zusammen mit einigen Besonderheiten in Szenen aus der russischen Revolution schildert Gabriel Sitte und Sprache ihren maurischen Ursprung zu bestätigen scheint. Bertrand in der Petite Republique". Typisch ist die Schilderung Die Männer tragen einen großen Filzhut, eine Jacke, die das große einer militärischen Meuterei:" Um sechs Uhr morgens Lederivams erseßt, mit Nadeln festgesteckt wird und von einem versammeln sich die Artilleriegarden von Tiflis  , die in großen Ge- Gürtel mit Kupferzieraten gehalten wird, weite bauschige Hosen bäuden kaserniert sind, im mittleren Hof vor dem Pavillon der aus Wolle oder Marino, auf die manchmal eine Art roter Nock mit Offiziere und beschließen, sofort zu streifen. Ein durch den Lärm Knöpfen aus Goldfiligran in der Art der Fustanella" fällt und aus dem Schlaf gemedter Leutnant legt rasch seine Uniform an Wadenstrümpfe aus Stoff, die über den Fuß herabreichen. Noch und will wissen, was der Standal zu bedeuten hat. An der charakteristischer ist die Tracht der Frauen. Sie besteht aus einem Schwelle des Pavillons halten ihn die Soldaten zurüd: Sie großen buntgestreiften Schleier mit langen Fransen, der Kopf und dürfen nicht weiter, Leutnant!" Seid Ihr verrückt?! Erkennt Schultern bedeckt, einem furzen, gewöhnlich braunen Kleide, dessen Ihr mich nicht?"" Ja. Sie sind unser Leutnant!"" Dann Aermel hinten geschlitzt sind, und einer mit Arabesken gestickten benehmt Euch, wie es jich geziemt!"" Beutnant, wir schuldeten Schürze. Das gescheitelte Haar fällt zu beiden Seiten des Gefichtes Ihnen Respett und Gehorsam, weil Sie unser Vorgesezter waren, in Flechten herab, in den Dhren hängen schwere Ringe und um Hals und aber seit heute früh streifen wir, und wir haben keinen Vor- Brust schlingen sich eine Menge Ketten, Halsbänder, Schnüre, Münzen, gesetzten mehr."-" 3hr proklamiert also die Empörung?" Ja, Agraffen und Amulette von uralter arabischer Form. Früher ließen Leutnant, aber keine politische Revolte. Mehr können wir darüber sich die Männer nach muselmännischer Art den Kopf bis auf eine nicht sagen."" Laßt mich heraus."" Nein, Leutnant." Locke scheren, aber diese Haartracht ist nicht mehr üblich. An Fest Schön, ich habe also teine Autorität mehr bei Euch, aber ich bin tagen schmücken die Maragatos ihre Hüte mit Blumensträußen und ein Bürger, der von anderen Bürgern die Freiheit verlangt, sich ihre Kleider mit Bändern. So gekleidet ziehen sie bei bestimmten

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Kleines feuilleton.