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Und dann: Kartoffeln und Kaffee! Ein Efel stieg in ihm auf. Wenn's was anderes zu essen gäb, aber das Futter! Er stand auf, schwerfällig. Er taumelte einen Augenblick, als sei er trunken, dann griff er nach dem Hut und zog die Jade an.
Ich muß noch fort!" sagte er zu den Kindern.„ Essen Thr und gehn ins Bett!"
,, Soll ich Der was aufhebe?" fragte die Luis. „ Nein!" Und der Mann war zur Tür hinaus. Als sie mit hartem Laut ins Schloß fiel, schrie die Emma laut auf.
Was is Der denn?" fragte die Luis, eine unerklärliche Angst hatte auch sie gepackt.
Der Vater, der Vater...! Wo geht der Vater hin?" schluchzte das Kind.
"
Das geht uns doch nig an!" sagte der Christian. ,, Dawegen brauchst doch nit eso zu heule!" meinte der Franz und puffte die Emma.
Im nächsten Augenblick stand der Christian vor ihm, seine Augen blitten. Wer heißt Dich's zu stoße?"
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Gemütsruhe auf dem Sommertveg der Chaussee, unter den laubigen, zum Teil noch blühenden Obstbäumen dem eine gute Stunde entfernten Städtchen zu.
Es war wirklich ein schöner Tag. Der Meister hatte recht. Karl Wenzel, der sich von dem ersten Schrecken schnell wieder erholt hatte, nahm seine kurze Tabakspfeife aus der Tasche und brachte sie in Gang. Auch der Herr Wachtmeister war für den era frischenden, belebenden Maientag, der auf dem jungen Grün der Saatfelder lag, nicht unempfänglich. Er zog die Handschuhe aus, lüftete den Helm und lehnte sich bequem gegen die Rückwand des ließ er sich nicht ein. Er konnte ihm nur nochmals sagen, daß er Wagens. Aber in ein längeres Gespräch mit dem Arretierten eine Ahnung habe, aus welchen Gründen die plötzliche Verhaftung stattgefunden habe.
Wenzel tat ein paar fräftige Züge:" Hm, es könnte höchstens wegen' ner Militärsache sein. Mir ist auf der Walze mein Baß weggekommen; da hab' ich mich seit Ende Dezember nirgends mehr gemeldet.' n neuer toftet fünf Groschen! Ich wollte das ja so wie so in nächster Zeit in Ordnung bringen."
Ein Trupp Weiber, Bauerfrauen, mit Kiepen auf dem Rücken famen ihnen von der Stadt her entgegen. Der Gendarm sah nach der Uhr:„ Es ist zehn durch, die kommen schon vom Wochenmarkt. Das laute Erzählen und Lachen der Frauen berstummte, als fie näher famen. Sie blieben vor Neugier stehen und starrten den Sie hoben die Arme gegeneinander, Haß funkelte in Dachdeckergesellen an, als ob er ein Prinz wäre. ihren Augen.
Willst Du mich kommandiere?"
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Wie Müting in jener Nacht nach Hause gekommen war, wußte er am anderen Morgen nicht mehr, als er mit schwerem Kopf aus dumpfem, traumlosem Schlaf erwachte.
Sie werden wohl alle geschlafen haben, tröstete er sich. Und sie hatten auch alle geschlafen, bis auf die Emma. Die hatte in der Nacht wieder einen Asthmaanfall bekommen, und als der Vater schwankenden Schrittes in die Stube getreten war, hatte sie aufrecht im Bett gesessen.
Er aber hatte sie nicht gesehen.
Bolternd hatte er seine Schuhe ausgezogen, hatte Jade und Hut darüber geworfen und war ins Bett gefrochen, bald darauf hatte die Emma seine tiefen, regelmäßigen Atemzüge
bernommen.
Er war betrunken! sagte sie sich, und das Entsetzen packte fie, ( Fortsetzung folgt.)]
Der Verdacht.
Von Gustav Weber.
( Nachdruck verboten.)
Die Frühstückspause war zu Ende, Die Dachdeckergesellen schickten sich an, die Leiter wieder hinaufzusteigen und an ihre Arbeit zu gehen, als plötzlich vor dem Neubau ein Wagen anhielt. Karl Wenzel, der als letter noch an seinen Sachen framte, drehte den Kopf nach der Fensteröffnung: Da fikt ja der Olle oben; was will' n der schon wieder, er war doch gestern erst hier."
Ein anderer, der noch auf den untersten Leitersprossen war, hielt inne und bückte sich, um ebenfalls durch die Fensterluke nach dem Wagen sehen zu können:" Da is ja sogar der Schandarm dabei! Na, da woll'n wir man machen, daß wir an die Arbeit tommen; der Meester is schon vom Wagen runter."
"
„ Das hat er wieder fein eingerichtet. Pünktlich! Damit ja nicht etwa' n bißchen länger gefrühstückt wird!" sagte Wenzel. Der Meister mit seinem ungewöhnlichen Begleiter trat schon in die Tür." Da! Das ist er! Bleiben Sie nur unten, Wenzel, Der Herr Wachtmeister will Sie abholen!"
Mich abholen? Nanu, was is denn los? Sie machen wohl Spaß?" Wenzel war erschrocken an der Leiter stehen geblieben, während die anderen Gesellen eiligst aufstapften.
„ Na, Sie werden schon wissen, was Sie auf dem Kerbholz haben!" sagte Meister Feik.
Der Gendarm strich seine wildledernen Handschuhe glatt, rückte am Helm und am Koppel, und kam über Bauschutt, Bretterund Lattenstücken auf Wenzel zu.„ Sie sind verhaftet!" Donnerwetter! Na, das Ding is gut!" " Machen Sie keine Bemerkungen, Mann! Hier ist ein schrift ficher Haftbefehl vom föniglichen Amtsgericht! Nehmen Sie Ihre Sachen und fommen Sie auf den Wagen."
Ja was hab' ich denn eigentlich verbrochen?". " Lun Sie nur nicht so!" mischte sich der Meister ein. Wenzel zudte mit den Achseln.
Der Wagen hatte bereits umgelenkt. Neugierige aus den anliegenden Gehöften standen in Gruppen tuschelnd und flüsternd
dabei.
" Fahren Sie wieder mit, Meister?" frug der Gendarm, nachbem er auf dem hinteren Sitz neben dem Verhafteten Platz genommen hatte.
" Nee, ich danke!" flang es unmutig zurüd. Es ist ja schönes Wetter, laufe lieber zurück!" Er ging in den Neubau.
Das Gespann sette sich in Bewegung. Die beiden Ackerpferde gingen ihren gewohnten Schritt. Und so fuhren sie in aller
Kein
In dem kleinen, industrielosen Ackerstädtchen war es etwas Seltenes, daß der Gendarm mal einen hereinbrachte. Wunder, daß sich auch in den Haustüren und Fenstern viele Neugierige zeigten, die mit fragenden Blicken dem Verhafteten folgten. Der war trotz seines erst furzen Aufenthaltes im Orte eine bekannte, gewissermaßen sogar eine berühmte Persönlichkeit. Wenzel hatte nämlich, furz nachdem er bei Meister Feit angefangen, eine lebensgefährliche Reparaturarbeit hoch oben unter den Kreuzblumen der Stirchturmspiße ausführen müssen. Weil er sich sofort zu dieser Arbeit, die keiner der alten Gesellen machen wollte, bereit erklärt hatte, war er Jeim Meister gut angeschrieben.
Jung und alt, groß und klein hatte ihm, wie er dort oben in schwindelnder Höhe arbeitete, gespannt zugesehen. Jetzt mußte Wenzel es sich gefallen lassen, daß ihm die Schulkinder über den freien, ziemlich großen Markiplak bis zu der breiten, steinernen Treppe im Rathaus nachliefen.
Als er an der Seite des Gendarmen die Treppe hinaufstieg, ergriff ihn ein unbehagliches, widerliches Gefühl. Na, wenigstens mußte er jetzt doch bald erfahren, was man eigentlich von ihm wollte.
Der Gendarm ging nach Erledigung der notwendigen For malitäten wieder seines Weges. Wenzel saß im Zimmer des Gerichtsdieners und wartete. Endlich klingelte es. Der alte Graubart in der dunkelblauen Amtstracht gab ihm einen Wink. Schweigend gingen sie den langen, schmalen Korridor entlang bis zum Zimmer des Amtsrichters. Der Gerichtsdiener öffnete; beide traten ein. Wenzel hatte seine Müße abgenommen und trat vor den Schreibtisch des Richters. Der Amtsdiener blieb an der Tür. Seitwärts des Amtsrichters saß der Gerichtsschreiber, bereit, das Protokoll aufzunehmen.
Der Richter, ein Mann im Anfang der Vierzig, musterte Wenzel scharf
Also, Sie sind der Dachdecker Friedrich Karl Wenzel, geboren zu Winterburg am 2. 12. 81," begann der Richter. " Jawohl!" Wenzel antwortete furz.
'"
" Jawohl, Herr Amtsrechter!"
Den hab'
" Sind Sie im Besize Ihres Militärpasses?" Aha, also doch wegen des Passes! dachte Wenzel. ich verloren!" sagte er dann laut." Auf der Wanderschaft ist er mir abhanden gekommen. Ich wollte die Sache ohnehin in allernächster Zeit in Ordnung bringen, Herr Amtsrichter."
Der Amtsrichter beachtete das gar nicht; er frug weiter, wo Wenzel nach seiner Entlassung vom Militär gearbeitet; ob er auf der Wanderschaft auch nach Schwarzhausen gekommen sei, ob er dort gearbeitet habe, und schließlich, wo er in der Nacht vom 21. zum 22. Dezember gewesen sei. Er sei,
Wenzel beantwortete es alles so gut er konnte. nachdem er in Schwarzhausen teinerlei Beschäftigung gefunden, immer die Elbe hinauf von Dorf zu Dorf gewandert und habe in den Dorfgasthöfen, meistenteils auf den Heuböden, übernachtet, weil es dort billiger sei als in den städtischen Herbergen. Wo er gerade am 21. Dezember gewesen, das wisse er nicht. Er wisse nicht einmal die Namen all der Dörfer, die er durchwandert habe.
„ So! Nun, dann werde ich es Ihnen sagen!" Der scharfe Blick des Richters ruhte auf Wenzel: Sie haben in der Nacht vom 21. zum 22. Dezember in Schwarzhausen einen schweren Einbruchsdiebstahl in ein Geschäftskontor ausgeführt! Dabei haben Sie auch Ihren Paß verloren; der ist an der Einbruchsstelle ge= funden worden. Kurze Zeit danach haben Sie in einem Dorfe bei Schwarzhausen bei einem Bauern gearbeitet und sind einige Tage später, nachdem Sie auch den bestohlen, bei Nacht und Nebel spurlos verschwunden. Sie werden deshalb fteckbrieflich verfolgt; das Signalement stimmt bis auf die Haarfarbe ganz genau. Hier steht: haar schwarz. Ihr Haar ist aber dunkelbraun. Vielleicht beruht das auf einem Irrtum."