-PRO
563
Iles muß auf einem Jrrtum beruhen, Herr Amtsrichter!" Wenzel war erregt, ein heftiges Bittern klang durch seine Stimme: " Ich bin kein Einbrecher! Aber ich kann mir denken, wie das alles zusammenhängt. Mein Baß ist schon vorher weggefommen, ehe ich nach Schwarzhausen kam. Ich vermute, daß er mir von einem Reisegefährten gestohlen wurde. Genau weiß ich's nicht. Ich kenne den Betreffenden auch nicht beim Namen, ich weiß nur, daß er Schlosser ist und aus Schlesien stammt. Aber der hatte pechschwarzes Haar."
Kommen Sie uns nur nicht mit solchen Märchen; das glaubt Ihnen kein Mensch. Gewiß, der große Unbekannte", der wird's wieder gewesen sein! Weisen Sie nach, wo Sie sich in der fraglichen Nacht aufgehalten haben! Wenn Sie das nicht können- der Richter zuckte die Achseln. Im übrigen will ich Ihnen nur sagen, daß Sie durch Leugnen die Sache nur verschlimmern. Wenn Sie es gewesen sind, dann gestehen Sie es lieber gleich. Heraus bekommen wir es doch!"
11
„ Herr Amtsrichter, ich kann nur noch einmal wiederholen: ich bin kein Einbrecher!"
,, Wir können uns jetzt auf weitere Untersuchungen nicht einlaffen. Sie bleiben zur weiteren Verfügung der Staatsanwalt schaft Schwarzhausen in Haft." Er winkte dem Amtsdiener: " Führen Sie ihn ab!"
Mit gleichgültiger, geschäftsmäßiger Miene hatte der Gerichtsdiener den kurzen Befehl ausgeführt und Wenzel in eine Belle gesperrt. Wie vom Donner gerührt stand dieser eine geraume Zeit in der Mitte des engen, dumpfen Raumes. Er war noch gar nicht fähig, den ganzen Sachverhalt richtig durchdenken zu können. Erst nach und nach kehrte seine Ruhe wieder. Also jener schwarze Hallunte hatte ihm den Paß gestohlen und dann den Einbruch in das Kontor verübt. Jetzt sollte er, Wenzel, nun beweisen, wo er in der Einbruchsnacht gewesen sei! Der Steckbrief stimmte. Freilich: Mund gewöhnlich, Nase gewöhnlich, Kinn gewöhnlich, Haar schwarz, Augen dunkel. Das paßte auf den Amtsrichter noch besser als auf ihn.
Es rüttelte jemand an der Tür. Der alte Wärter reichte ihm einen Napf voll Essen herein. Wenzel hockte sich auf den Holzblod und stippte mit dem Löffel in dem Napf herum. Ein paar Löffel voll aß er; bald hatte er genug.
Wieder wanderte er hin und her. Stundenlang. Nur von dem einen Gedanken gequält: wie kann ich meine Unschuld beweisen?
So wurde es Abend. Als er sein Bett und sein Abendessen in die Belle erhalten hatte, da übertam ihn eine bleierne, dumpfe Müdigkeit. Fröstelnd, berzagt fast legte er sich zu Bett; schlief auch bald ein. Die Dämmerung und Kühle des Abends füllte den engen, schmalen Raum; nach und nach wurde es ganz dunkel.
-
So kam der Abend, dann die Nacht. Die Nacht mit unruhigen, schreckhaften Träumen und mit langen, wachen Stunden voll Sorge und Bein. Ungeduldig ersehnte Wenzel den Tag, nur um wieder arbeiten zu können. Und als der Morgen kam und die Arbeit begann, da saß er ohne aufzusehen und flocht fleißig an dem gestern angefangenen Korbe weiter.
" Du hast's schon ganz gut weg!" lobte ihn schmunzelnd der Alte:„ Du lernst leicht! Aber manche, das find ungeschickte Deibels; schneiden sich in die Finger und lernen überhaupt nischt. ich hab' schon' ne Menge kennen gelernt! Wenn man bald an vierzig Jahr auf der Walze ist, dann kann man was erzählen! O, ol" Der Alte erzählte weiter, bis die Mittagspause eintrat. Karl Wenzel aß nicht viel, aber der alte Specjäger hatte ge= funden Appetit; er sorgte dafür, daß beide Eßnäpfe leer wurden. Bald nach dem Essen arbeiteten sie weiter.
Einige Stunden später kam der Amtsdiener:„ Wenzel! Zum Herrn Amtsrichter!" Kurz, befehlend klang seine Aufforderung. Schweigend folgte ihm Wenzel zum Richter. Dieser bedeutete ihm freundlich, daß soeben eine Depesche von Schwarzhausen eingelaufen sei. Es sei nach dem gesandten Bilde festgestellt, daß er, Wenzel, mit dem gesuchten Verbrecher nicht identisch sein könne. Er werde demnach sofort aus der Haft entlassen. Das Bild sei natürlich noch nicht wieder zurück.
Wenzel wurde heiß und rot und wieder bleich. Er wollte etwas sagen, aber er konnte nichts Zusammenhängendes denken, noch viel weniger sprechen. Er war zu aufgeregt. Mechanisch unterschrieb er das Protokoll.
Zehn Minuten später war er auf der Straße. Das Sonnenlicht blendete ihn. Er kam sich vor wie ein Betrunkener, so unsicher war sein Gang. Die Leute, die ihm begegneten, blieben stehen und schauten ihm nach.
-
Allmählich fand er seinen Gleichmut wieder; in vollen Zügen genoß er die warme, belebende Frühlingsluft. Meister Feik besperte gerade, als Wenzel bei ihm eintrat; kurz und nichtachtend erwiderte er dessen Gruß. Weiterarbeiten?. Nee! Ein Mensch, der einmal in solchem Verdacht gestanden hat, der ist immer verdächtig! An dem bleibt für alle Ewigkeit was hängen. Und schließlich, wer. kann denn wiffen, ob nicht doch was dran war? Diesmal ist's Ihnen vielleicht gelungen, fich rauszulügen. Nee, nee, sicher ist sicher! fönnen ja heut noch hier schlafen und essen. Doch halt mal, ich dente grade dran: Sie sind ja im Verband! Als wir gestern nach Ihrem Bilde suchten, da hab' ich Ihr Buch gefunden. Schon beshalb hätte ich Sie entlassen! Solche Leute sind mir zuwider; die sind zu allem fähig!"
-
-
Sie
Wenzel stand einen Augenblick berdugt, dann lachte er dem In unruhigen, quälenden Träumen wälzte sich Wenzel bis Meister ins Gesicht:„ Geben Sie mir man schnell meinen Fremd Tagesanbruch auf dem Strohsack. Dann stand er auf. Das Reinigen der Belle, das Waschen und Frühstüden brachten ihmettel, Meister. Und schlafen will ich denn auch schon lieber gleich in der Herberge."
furze Zerstreuung. Dann saß er blaß und frierend auf dem Holzblock und zählte die Nägel in den Dielen, zählte die Löcher in den Wänden und die Risse in der Decke.
Es war bereits neun Uhr durch, als die Tür aufgeschlossen wurde. Der Amtsdiener kam: Kommen Sie raus! 8um Herrn Amtsrichter!"
Also Wenzel," empfing ihn der Richter,„ die Staatsanwaltschaft Schwarzhausen hat zurückdepeschiert: es sei möglich, daß Sie nicht der gesuchte Einbrecher find. Nach den Angaben des Bauern, bei dem dieser zuletzt gearbeitet und auch gestohlen hat, muß der Betreffende mindestens dreißig Jahre alt sein. Demnach könnte man Ihnen die Geschichte von dem gestohlenen Baß wohl glauben. Der Bauer hat erklärt, daß er den Dieb auf das bestimmteste wieder zu erkennen vermag. Um nun einen unnötigen Transport zu vermeiden, werden wir von Schwarzhausen ersucht, eine Photographie von Ihnen zu übersenden. Wir müssen natürlich die Photographie erst anfertigen lassen; dann wird sich's ja herausstellen, ob Sie mit dem Diebe identisch sind oder nicht. Es kann da, alles in allem, noch ne Woche darüber vergehen. So lange müssen Sie schon in Haft bleiben. Es geht nicht anders." Der Richter schloß mit einer bedauernden Handbewegung. Aufmerksam hatte Wenzel zugehört:„ Das ist der Schwarze gewesen. Ganz bestimmt! Der war so alt. Aber wenn's geht, ich hab' noch' ne Photographie von mir, als Soldat; die ist im borigen Jahr gemacht. Vielleicht können Sie die gebrauchen? Dann dauert es doch nicht so lange."
,, Wir können Sie uns ja mal ansehen. Wo ist sie?" " In meinem„ Berliner ", ich meine in meinem Ränzel steckt sie, zwischen meinen Briefen. In meiner Schlafkammer." So, nun dann werd' ich sie mir mal holen lassen. Sachen bleiben dann vorläufig beim Meister Feik. können dann wieder gehen."
-
-
Ihre Hm, Sie
-
Der Richter winkte dem Amtsdiener. Wenige Minuten später faß Wenzel wieder mit seinen Gedanken allein in der Zelle." Also auf den Bauern tam es nun an. Wenn der ihn jeßt für den schwarzen Gauner hielt, dann war alles vorbei. Dann war er ein Verbrecher. Er machte sich auf das Schlimmste gefaßt. Das Bild war abgeschickt. Langsam verstrichen die Stunden. Der Wärter brachte Wenzel in eine Nebenzelle; dort saß ein alter Fechtbruder und flocht Körbe. Der Alte zeigte sich als ein guter, gesprächiger Lehrmeister. Wenzel war flint und aufmerksam bei Ser Arbeit. Er suchte Zerstreuung.
und
Kleines feuilleton.
k. Bon alten Geweben. Vor furzem ist der Sarkophag Karls des Großen in Aachen geöffnet worden, um seine seit vielen Jahrhunderten dort ruhenden wundervollen alten Gewebe dem Licht des Tages und der Deffentlichkeit wieder zu schenken. Zwei tostbare Stoffe, von denen der eine dem zehnten, der andere dem zwölften oder dreizehnten Jahrhundert entstammt, wurden aufgefunden. Es sind nur ganz wenige unversehrte Ueberreste aus der Zeit der frühesten abendländischen Weberei erhalten und die ganze bis in die ferne Urzeit hinaufreichende Geschichte dieser ehrwürdigen Kunst wird nur selten durch Funde erhellt, muß vielmehr aus alten Denks Quellen, aus Mosaiken Vasenbildern, und mälern werden. Berichten studiert Technik der Wohl reicht die Weberei bis in das graue Altertum zurück; wir wissen von den herrlichen wollenen Geweben, die schon die alten Assyrer und Aegypter verfertigten. Die Griechen bewunderten die thrischen Teppiche und die Wollenzeuge des alten Babylon, die Juden lernten bei der herrlichen Ausschmückung der Stiftshütte das Sticken mit farbigen Wollenfäden, die Kunst des reichen Geivebes von den Aegyptern. Indien , das Land der üppigsten Stoffe, wußte wohl schon vor Tausenden von Jahren jene Schals und feinen Zeuge zu verfertigen, die noch heute als unerreichte Wunder zarten Gespinstes dastehen. Die Griechen haben vor allem diese orientalische Kunst der Wollenweberei übernommen und in der einfach festen Schönheit ihrer Kleider ausgebildet. Allmählich erst beginnt in der abends ländischen antiken Kultur ein Kampf zwischen Wolle und Seide, und in den Spätzeiten des höchsten Luxus und des Verfalles siegt der Seidenstoff, das Kind der fernen chinesischen Lande. In China ist die Pflege der Seidenwürmer, die Kultur des Maul beerbaumes und die Fabrikation von seidenen Stoffen schon im dritten Jahrtausend v. Chr. nachweisbar. Von hier kamen diese wundersamen Stoffe als höchster Schmuck nach Indien , zu den Assyrern und Phöniziern und spät erst zu den Griechen und Römern. Zunächst wurden sie nur bei hohen Festlichkeiten, zu Ehren der Gottheit getragen und erst die verweichlichte Dekadenz der römischen Kaiserzeit gefiel fich in diesen„ toischen" Ge wändern, die wie ein„ leinener Rebel" leicht und weich die Ge stalten umflossen. In dem byzantinischen Kaiserreich ist dann endlich