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einem Vorwerk bestand. An lebendem Inventar waren 18 Pferde, 70 Stück Rindvich und 1200 Schafe vorhanden; die 2254 Geld­gewinne repräsentierten 68 000 Taler. Es sollten 20 000 Lose je zu 18 Talern ausgegeben werden. Jeder Unbefangene wird meinen. daß ein derartig hoher Einsatz aussichtios sei; dennoch wurden 19 000 Lose abgesetzt und die Lotterie mit Erfolg durchgeführt! Auch die zweite Lotterie, betreffend das Gut Niedergießmannsdorf in Schlesien , bei der 12 000 Rose zu 16½ Talern Einsatz ausgegeben werden sollten, war von Erfolg begleitet; nicht weniger als 11 771 Lose wurden verkauft. Hierbei hatte der Unternehmer einen fetten Gewinn gemacht. Damit aber nicht genug. Er taufte das Gut später um den Betrag von 20 000 Zalern wieder zurüd. Der an gegebene Zived dieser Ausspielungen war damit natürlich voll­kommen verfehlt; man hatte durch Schröpfung Vieler einem Einzigen große Profite in das hungrige Maul geworfen.

Nach diesen Erfolgen" wuchsen nun die Pläne in den Himmel. Die Große vereinte Güterlotterie" sollte eine Ausspielung der Allodial- Rittergüter Dahlwiß, Zadenzien nebst Luisenhof, Neu­borwerk, Kurow und zehn im Wartebruch gelegener Grundstüde zusammen veranstalten. Wie man volkswirtschaftlich die Erwer bung derartiger Güter seitens eines einzelnen rechtfertigen wollte, darüber ließ man sich keine grauen Haare wachsen. Die Hauptsache war das Geschäft. Das ging aber diesmal schon wegen seiner Dimensionen total schief. Die Ausspielung wurde deshalb geteilt, und nun erst widelte sich die Sache glatter ab, aber auch nur zum Nugen der Unternehmer, denn die Güter selbst fielen an die Aus­spieler zurück, da die Hauptgewinne auf die unverkauften Lose trafen. Der Zufall hätte es aber auch anders bringen können, und der Effekt wäre dann der böllige Ruin der Besizer gewesen. Die noch folgenden Ausspielungen, welche sogar viel bessere Güter betrafen, so z. B. das äußerst ergiebige Erbpachtgut Nieder­ schönhausen , das bei Berlin ganz nahe vor dem Schönhauser Tor lag jebt ist diese Gegend ein Teil des ungeheuren Häuser­meeres berliefen ganz fläglich. Nicht einmal die 15prozentige Abgabe war durch den Losabsaß gedeckt, so daß für zwei Güter­lotterien eine Geldlotterie gestattet wurde, die den Einnahmen entsprechende Geldgewinne aussette. Damit war man glüdlich bei einer Geldlotterie zugunsten Privater angelangt! Mit diesen Ausspielungen aber hatte man selbst in Preußen genug. Es waren die letzten gewesen. Wildens Vorhersage hatte sich bis auf das Tipfelchen über dem i verwirklicht. Das schönste dabei war, daß, während der Staat auf Einnahmen aus seinem Lotteriemonopol berzichtet hatte, andere sie für ihre Privatintereffen weggefischt hatten. Wildens berichtete vom Jahre 1811 einen Ausfall an Lotteriegefällen von 350 103 Taler, woraufhin eine Kabinettsorder bom 31. März 1812 der Güterlotterie unter Zurückziehung aller schon erteilten Konzessionen ein jähes Ende bereitete. Später ( 1825) wurden sogar hohe Etrafen auf die Ausspielung inländt scher Grundstüce in ausländischen Lotterien gesetzt.

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Aber wie noch heute die modernsten deutschen Staatsmänner teine Konsequenzenmacher" find, so war es schon damals. Man hatte gerade die Güterlotterie zum Leidwesen manches Speku­lanten, der in der Hoffnung auf eine profitable Ausspielung sich nach dem Erlaß des Ediktes schleunigst mit Gütern versehen hatte, mit Sang und Klang zu Grabe getragen, als man im Schoße weiser Finanzkünstler schon wieder daran dachte, den bereits 1810 ins Auge gefaßten Plan einer staatlichen Domänenlotterie aufzu­nehmen und zu verwirklichen, um größere fiskalische Besize rentabel zu versilbern. Die privaten Güterausspielungen standen aber doch noch zu frisch vor der Erinnerung der Oeffentlichkeit; man ver= zichtete schließlich doch auf die Ausführung des Planes.

Den privaten Unternehmern hatten die Güterausspielungen eigentlich einen ganz schönen Bazen Geld gebracht; so fielen bei der Ausspielung der Herrschaft Amalienburg , deren Erwerbspreis 80 000 Daler betrug, für den General von Rüchel 200 000 Taler( 1) ab. Dabei erließ der Staat diesem Manne die 15prozentige Ab­gabe in der Höhe von 51 000 Zaler! Der edle Herr soll sich gar nicht geschämt haben, dieses Geschenk von dem leeren Staatssädel des reduzierten Preußen anzunehmen. Auch sonst fielen ganz nette Gewinne in der Höhe von 102 844 Taler, 85 000 Zaler, 54 000 Taler usw. für den Ausspieler ab. Der Staat gewann im ganzen eine Einnahme von 61 126 Taler, wofür er die Ausführung der Ausspielungen vorzunehmen hatte. Es blieb an Reingewinn also so gut wie nichts übrig. Auf der anderen Seite wurde das Bublifum ganz gehörig geschröpft, denn die Bereicherung des Aus­spielers fonnte ja nur durch die von den Spielern stammenden Summen geschehen. Auch die 15prozentige Abgabe mußten die Spieler bezahlen. Die Untosten waren bei der Güterlotterie sehr hoch, fie beliefen sich auf 30 bis 40 Proz. der Einnahmen, während fie bei der Klaffenlotterie noch nicht einmal 10 Proz. betrugen. Die Gewinnchancen waren daher noch geringer als bei jeder anderen Lotterie, und was sollte schließlich der glückliche Gewinner eines Gutes in Ostpreußen mit seinem Gewinne anfangen, wenn er selbst als Kaufmann oder dergleichen an Berlin gefesselt war? Wie sollte man auf diese Weise die Landeskultur heben, wenn ein Gut in die Hände von Personen geriet, die weder Zeit noch Geschick oder Lust zur Bewirtschaftung hatten?

Man hätte eben wie Wildens einsehen können, daß Güter­lotterien damals nicht florieren konnten. Die Gesamtheit erlitt nur Schaden; ein paar verkrachten Staatsstüßen wurde auf die Beine geholfen und der Staatssäckel hatte das Nachsehen. Die Interessen schlecht fituierter Grundbesizer konnten nur gefördert

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werden durch zahlreiche gleichzeitige Ausspielungen und für die fehlte das Aktionsfeld. Wer hätte wohl alle die teuren Lose kaufen sollen?- Eine Lotterie tann eben nie ma Is boltswirtschaftlich fegenbringend wirken, weil sie keine Werte schafft, sondern nur berzehrt. Sie nimmt auf der einen Seite viel und gibt auf der anderen weniger, noch dazu nach dem altbewährten Prinzip, daß die Armen die eigentlichen Kosten zu tragen haben. Franz Wortmann

Kleines feuilleton.

Eine liebe Kundin.

ein Geschäft kommt, wo man sie kennt, entsteht eine Banit unter Wenn die Frau Geheimsekretär kräkel in den Verläufern. Jeder zeigt das menschenfreundliche Bestreben, die Ehre, Frau Rätin" zu bedienen, feinen Kollegen zu überlaffen.

Heute ist Frau Kräfel mit Jettchen, ihrer siebzehnjährigen Tochter, unterwegs, und da gehen sie zunächst in ein Spezialgeschäft für Stereoskopbilder. Ahnungslos eilt ihnen der Chef selbst entgegen und fragt sehr höflich:" Sie wünschen, meine Damen?"

ihn

Frau Kräkel wirft durch ihren Kneifer einen strengen Blick auf und sagt furz: Ich möchte Ihren Chef sprechen." Ich bin der Chef."

Ach pardon!" Die Frau Geheimsekretär wird etwas freund licher. Aber, mein Herr, was haben Sie mir bloß für Bilder ge schickt! Ich bin sehr enttäuscht. Die Ansichten gefallen mir ganz und gar nicht." ,, D, das tut mir leid!" Der Chef sieht sich die Bilder an und meint verwundert:" Diese Aufnahmen aus dem Riesengebirge find doch aber gut. Die Bilder gefallen sonst sehr." Frau Kräkel lächelt spitz, wendet sich an ihre Tochter und sagt mit ironischem Nachdruck: Das ist Geschmacjache. Nicht wahr, Jettchen, meinst Du nicht auch?"

Jettchen, die die Länge und den Gefichtsausdrud hat wie ein Strauß, stößt ein kurzes, fullerndes Lachen aus, nickt heftig mit dem Kopfe und meint auch.

Der Geschäftsinhaber, ein junger Anfänger, dem daran liegt, sich möglichst jeden Kunden zu erhalten, fagt verbindlich:" Ich tausche Ihnen natürlich die elf Bilder gern um." Er bringt den Damen Stühle und einen Stereoskopapparat und holt die ge­wünschte Serie vom Harz herbei.

Aber Frau Kräkel sicht sie laum, so mäfelt sie auch schon: Hier die Partie von Gernrode ist ja so weit ganz nett, aber ich vermisse die Kirchturmspize. Warum haben Sie denn die Kirch turmspiße nicht mit auf dem Bilde?" Sie faßt es beinahe wie eine persönliche Beleidigung auf, daß die Kirchturmfpige fehlt. Ein brohender Blid trifft den erschrockenen Mann, und fie fragt in eisigem Tone:" Sie sind wohl nicht sehr religiös?"

Natürlich beteuert der Chef das Gegenteil. Dann turnt er von neuem die Leiter hinauf und wieder hinunter und schleppt Bilder über Bilder herbei. Aber Frau Krälel hat überall etwas zu bemängeln. Wenn sie ein Bild gesehen hat, zeigt sie es ihrer Tochter: Nicht wahr, Jettchen, solche große Wolfe haben wir da nicht ges sehen?" oder:" Meinst Du nicht auch, Jettchen, auf diesem Bilde hat die Bäuerin eine zu dicke Nase?"

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Und jedesmal läßt Jettchen ihr fullerndes Lachen hören, nidt lächelnd mit dem Kopfe und meint auch.

Atemlos und in Schweiß gebadet sucht sich der Chef schließlich Bitte, Herr Krause, zu drücken. Er ruft seinen Gehülfen herbei: bedienen Sie die Damen weiter. Entschuldigen Sie mich, meine Damen, ich bin leider verhindert." Er geht schleunigst hinaus.

Erst nach einer Stunde kommt er zurück und siehe da: Frau Krätel und ihre Tochter sehen sich immer noch Bilder an. Erschöpft, blaß lehnt der Gehülfe an der Leiter; erleichtert atmet er auf, als beim Eintritt des Chefs Frau Krälel sich erhebt und sagt:" Nun schön, dann wollen wir Schluß machen. Bählen Sie die Bilder, die ich gewählt habe, bitte zusammen."

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Herr Krause zählt und notiert: 12 Bilder, elf davon im Ume tausch macht 25 Pfennige."

Wie, zwölf Bilder? nein, hinzukaufen wollte ich jetzt keine 1 Erst im Winter, zu Weihnachten! Da lasse ich also das eine zurüd.

Frau Geheimisekretär Kräkel nimmt noch einmal Plazz. Wieder dauert es eine halbe Stunde, bis sie sich entschieden hat, welches Bild sie zurückläßt. Dann lächelt sie huldvoll und sagt: Ich danke schön, ich werde Ihr Geschäft empfehlen."

Der Chef verbeugt sich und dankt auch.

Aber kaum ist Frau Kräfel zur Tür hinaus, da kommt fie, gerade als er ihr einen fräftigen Fluch nachsenden will, noch eine mal zurück und ruft ihm zu:" Mir fällt eben ein, wir könnten in der Elektrischen das fleine Paket leicht verlieren; denn wir müssen noch weiter. Sie haben wohl die Liebenswürdigkeit, mir die Bilder morgen durch Ihren Laufburschen zuzuschicken."

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Der Chef berbeißt seine Wut: Sehr wohl, gnädige Fraut. ie ist, bitte, die werte Adresse?" " Frau Geheimsekretär Kräfel, Hoferstr. 117, Hof 3 Treppen." Schön, Madame!"

sagt

Da richtet sich Frau Kräfel Hoheitsvoll auf. Sehr energisch sie: bitte, Sie können ruhig weiter gnädige Frau zu mir