sind. Sehr gut verstand sich auch Hermann Picha auf denschlichten, alten Brcuninger, der— und in dieser tragischen Episodezeigt sich wieder einmal Anzengrubers poetisches Genie!— wahrhaftig an der Einmischung des Pfaffen„zwischen Mann und Weib"zerschellt. Diese Figur erschien in liebevoller Durcharbeitung, wieauch die Szene der dösigen Kreuzelschreiber nebenher und namentlich später die Rauferei. Die war nicht„gemacht", sie war zumMitraufen echt. Die Regie des Herrn Adolf Steinert ver-dient für das alles aufrichtiges Lob. Wenn jedoch die Breuninger-Rolle einige Striche erführe, würde sich das Interesse am ganzensteigern. Etwas outriert nahmen sich— 2. Akt 2. Szene— diebeiden redenden Bauern aus; auch störte ihre mangelhafte Be-hcrrschung des Dialektes. Im übrigen agierte das Ensemble gut.Der einmütige, starke Beifall des Hauses galt neben den Vortreff-lichcn Hauptdarstellern dem großen Dichter. Wie er einst ge-wünscht und gehofft: Wir behalten sein Andenken! e. lc.Musik.Das neue Lorhing- Theater. Allmählich wird dieEröffnung neuer Institute für musikalische Dramatik in Berlinetwas einförmig und beinahe langweilig. Ungefähr in jedem Jahrekommt eine neue Unternehmung für Oper oder für Operette oderfür beides; dazu dann die Sommeropern; und endlich oder erstenshatten wir ja schon mehrere derartige Bühnen. Mit Ausnahmedes königlichen Opernhauses müssen alle diese Theater sich selberunterhalten; auch das„Theater des Westens" erhält unseres Wissenskeinen Zuschuß von den Städten Berlin und Charlottenburg, dessenDringlichkeit und Gerechtigkeit doch so nahe liegt. Dadurch sindnun die Direktionen angewiesen, mit mäßigen Mitteln nach einemgrößtmöglichen äußeren Erfolge zu streben� Wohin das führt,merkt man namentlich an dem Vorherrschen der leichteren, be-quemeren Oper auf allen Bühnen außer der Hofbühne. Dergrößte Teil der Berliner Musikfreunde bekommt auf diese Weisevon den größeren und ernsteren Opern so gut wie niemals etwa?zu hören. Wie viele haben beispielsweise in Berlin einen Gluckgehört?! Dagegen ist um so bequemer der Komponist AlbertLortzing, vor langem in Dürftigkeit gestorben, und jetzt dazuberufen, die Operntheater über ihre Dürftigkeit hinauszuheben.Man kann mit ihm nach allen Seiten Staat machen, kann sich auchdarauf berufen, daß seine Ensembles ganz besonders künstlerischwertvoll sind und ein scharfes Einstudieren verlangen. Imübrigen geht alles, was er darbietet, wohl jedem Publikum soleicht ein und wird durch seine Vorführung komischer Philisterund dergleichen so kassenpraktisch, daß man sich als Direktor aufihn ziemlich sicher verlassen kann.Nun spielt bei jenen neuen Anläufen eine Hauptrolle das Be-streben, etwas sogenanntes Volkstümliches darzubieten. Ueberihnen waltet ein eigentümlicher Unstern, sei es zufällig, sei es ausder Natur dieses Bestrebens heraus. Bequeme Stücke und billigePreise, das soll die Volkstümlichkeit hauptsächlich ausmachen, führtaber in der Tat gewöhnlich nur zu recht„billigen" Leistungen.Vielleicht der günstigste Anlauf in dieser Beziehung war da?National-Theater am Weinbergsweg; doch auch dieses konnte sichgegen die, kurz gesagt, Unmöglichkeit einer privaten Opernbühnenicht halten.Mit frischem Mut ist Direktor Max Garrison daran ge-gangen, aus dem alten„Bclle-Alliance-Theater" in der gleich-namigen Straße ein volkstümliches Opernunternehmen zu schaffen.Am 1. September(vergangenen Sonnabend) wurde es eröffnetund trug auch bereits einen beträchtlichen Erfolg ein. Wenn dabeivon dem„Gründer der Berliner Volksoper" zu lesen war. somöchten wir doch den Kopf darüber schütteln, daß ein solcher Ruhmbereits vor dem weiteren Verlaufe der Sache gespendet, wird,während man sonst derlei doch lieber aufspart, bis sich die Sachewirklich in Uebereinstimmung mit den Absichten erfüllt hat.Zu den Gleichförmigkeiten der Eröffnungen, von denen wiroben gesprochen haben, gehört auch das sehr begreifliche Verhaltender Kritik in einem solchen Falle. Gewöhnlich wird das neueUnternehmen mit Samthandschuhen angefaßt; wohl deshalb, weilerstens die Kritik mithelfen will, künstlerische Wege erfolgreich zugehen, und weil zweitens die äußeren Verhältnisse, zumal der Appellan Volkstümlichkeit und dergleichen wirklich Nachsicht verlangen.In diesem Sinne scheint denn auch über jene Eröffnungsvorstellunggünstiges laut zu werden. Auch wir wünschen nicht nur das Beste,sondern sind auch gerne bereit, für gute Absichten mitzuhelfen, wasimmer sich nur helfen läßt. Ueberdics gab es bei jener Eröff-nungsvorstellung manches recht Gute, so daß wir nur mit vielenEinschränkungen sagen können, es eji doch erst ein unsichererAnfang.Aufgeführt wurde Lortzings„Zar und Zimmer-man n". Dieses vielleicht berühmteste Werk des Komponisten undjedenfalls eine der bedeutendsten komischen Opern Deutschland im13. Jahundcrt, gibt ganz besonders viel Gelegenheit zu äußerlichenBühnenspäßdn. In dieser Richtung wurde leider etwas viel getan,während man gerade darin schon recht übersättigt ist. Dazu kam,daß die Regie nicht eben jenen großen und eingreifenden Zugmerken ließ, der den Kritiker mitreißt zur Begeisterung darüber,daß hier auch nur der Kunstpraxis neue Wege erschlossen seien.In einer überraschend guten Weise hielt sich der Chor. Unterden Solisten ragte wohl am meisten der Darsteller des jungenZimmcrgcsellen Peter Iwanow hervor: Adalbert Lieban.Mit seinem bescheidenen, doch trefflich behandelten Buffotenor undseinem erfreulichen Spiele hob er die Gesamtaufführung in be-trächtlicher Weise. Der Sänger des Saardamer Bürgermeisters,Emil Greder, erfreute durch einen wirklich profunden Baß,störte aber durch seine Komik am meisten. Die Hauptrolle desZaren lag in den Händen von Theo Go e r g c r. Er besitzteinen gut klingenden, stark tenoralen Baryton, spielte aber wieein sehr gewöhnlicher Tenor und brachte in das berühmte Lied„Sonst spielt ich..." so gut wie keine Innigkeit hinein. Es istjammerschade, wie dieser herrliche Sang regelmäßig zu einemsentimentalen Brettlstück herabgewürdigt wird, während doch geradehier so viel an einer bis ins Visionäre vertieften dramatischenKunst zu leisten sein würde.— Unter den übrigen Sängern istHans Brunow zu nennen: er sprang im letzten Augenblick ineine Lücke ein, mit Ersuchen um Nachsicht für Indisposition. Mankann in einem solchen Falle nicht dankbar genug für die Hingebungsein, mit welcher ein Künstler vielleicht sein Renomee aufs Spielsetzt. Aufallend wars aber immerhin, daß wir hier einen so hellkreischenden Tenor zu hören bekamen, wie er sonst eher ausVcreinschören herauszuhören ist.— Die einzige beträchtlicheFrauenrolle war in den Händen von Johanna Martin gutaufgehoben, zumal infolge ihres gewandten Spieles.Die Neueinrichtung des Theaters(Georg Hartwich u.C o.) macht sich für das Sehen und Hören recht gut, für das Gehenund Sitzen jedoch durch Ucberenge>o ungünstig, daß es bcispiels-weis- auf unseren Plätzen beinahe nicht auszuhalten war.— sz.Humoristisches.— Aus der„Jugend". Der Herr Ortspfarrer in-spiziert die Schule und läßt sich von den Kindern verschiedene Vögelaufzählen. Der Pfau ist noch nicht genannt worden. Er sucht da-her die Kinder darauf zu bringen:„Nun, wie mag dieser Vogel heißen? Er geht immer sehr stolzumher und kümmert sich um niemand. Na? Ueberlegt Euch, werist denn das, der immer so aufgebläht herumläuft? Ihr kennt ihnalle. Er läuft oft über den Gutshof und tut, als wenn er derliebe Herrgott selber wär?— Na, seht der kleine Karl wirds Euchsagen."—Der kleine Karl(der den Finger erhoben hat):„Das istder Herr Pfarrer."—— S ch u l h u m o r. Lehrer(zu den neueingetretenen Vor-schülern):„Was ist denn Dein Vater?'Karlchen:„Mein Vater ist bei der Postl*Lehrer:„Und Dein Vater, Fritz?"F r i tz ch e n:„Mein Vater geht ins Geschäft I"Lehrer:„Was tut denn Dein Vater, HanS?"t ä n S ch e n:„Mein Papa, tut gar nichts!"ehrer:„Was ist er denn?"Häuschen:„Oberleutnant."---Notizen.— Der italienische Dichter Giuseppe Giacosa starb, SO Jahrealt, in seinem Geburtsort Parella.—— Peter Rosegger soll schon zu seinen Lebzeiten einDenkmal in Form eines Märchenbrunnens erhalten— und zwarin Kapfenberg(Steiermark).——„Die Feinde" heißt daS neueste Drama von Gorki. DerVerlag Ladyschnikow bezeichnet die Nachricht, daß der Dichter einSchauspiel unter dem Titel„Die Töchter des MondeS" geschriebenhabe, als unzutreffend.—— Mit Erfolg aufgeführt wurden: Rudolf HerzogsSchauspiel„Die Condottieri" im WiesbadenerResidenztheater;„Ortrun und Jlsebill", Märchen-komödie von Otto Ernst, im Hamburger Thalia«theater; im Kölner neuen Stadttheater:„DaSsüße Gift", musikalisches Lustspiel von Martin Frehsee,Musik von G o r t e r; und das soziale Drama„Der Phönix"von Friedrich Elbogen im Wiener deutschen Volks«theater.——„Baccarat", ein Schauspiel von Henry Bernstein,wurde vom Münchener Hoftheater zur Aufführung an«genommen.—— Eine Krähenkolonie. In Loiz bei Sternberg i. M.fand man auf 407 Bäumen 4378 Krähennester, die 463 Eier, 9533Junge und 87S6 Krähen enthielten. Die Krähenstadt wurde zer-stört.—— Die Erfindung der Feuerwaffen. In einerPolemik zwischen dem englischen Chemiker Oskar Guttmann unddem deutschen Sanskritforscher Professor Oppert macht der letzt-genannte darauf aufmerksam, daß Feuerwaffen in indischen undarabischen Schriften erwähnt werden, lange bevor Feuerwaffen inEuropa bekannt waren. Die älteste Erwähnung von Feuerwaffengeschieht in den alten indischen Epen, so in der Mahabharata,einem im zweiten Jahrhundert n. Chr. vollendeten Epos. NachOppert wäre also Indien als Heimat der Feuerwaffen anzu-sprechen.—Verantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin.— Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckcrei u.VerlagSanstaltPaul Singer LcCo., Berlin L�V.