der rauhe Winter wiederkam, dann war unter den Einwanderern die Not groß, und nur durch eilige Flucht nach dem Süden konnten sie ihr Leben retten. Die Flugstrecken, die dabei von den Vögeln zurückgelegt werden mußten, waren anfangs nicht so groß, denn nur allmählich wich das ewige Eis nach dem Norden zurück. Aus Nordafrika   und Spanien   flogen die ersten Wanderer vielleicht nur bis an den eisfrei gewordenen südlichen Fuß der Alpen   oder nach Nordfrankreich; es fiel also den scharfäugigen, mit so großem Orientierungssinn begabten Vögeln nicht schwer, den Weg nach diesen Ländern sich zu merken. Wenn auch die Reise beschwerlich sein mochte, so war doch der Vorteil, während der schwierigen Brut- zeit ein reichliches Nahrungsgebiet zu haben, so groß, daß die Vögel alljährlich den Zug antraten und, sobald die Jungen großgezogen waren, das unwirtlich werdende Land flohen. Dieser Ortswechsel wurde zur Gewohnheit, und Gewohnheit ist unsere zweite Natur; fie beherrschte den Vogel schließlich so sehr, daß er unbewußt, instinkt- mäßig bei der Regung des Bruttriebes den Flug nach dem Norden unternahm und nach vollendeter Mauser sich zum Rückflug gedrängt fühlte. Schließlich wurde dieser Drang zum Instinkte, der sich von Geschlecht zu Geschlecht vererbte. Je weiter inzwischen das ewige Eis nach dem Norden zurückwich, desto weiter drangen in die dem vollen Leben neu erschlossenen Länder die Vögel vor, gewannen dabei gewiß an Flugtüchtigkcit und konnten schließlich die Leistungen vollbringen, die uns heute in Erstaunen setzen. Wenn wir be- denken, daß dieser doppelte alljährliche Zug gegenwärtig schon in hunderttausendster oder gar millionster Generation vollführt wird, so kann es uns nicht wundern, daß der Drang zu ihm dem Vogel angeboren ist, daß er ihn unbewußt so stark beherrscht. Werden doch junge, von den alten getrennte, in Gefangenschaft gehaltene Vögel unruhig, wenn der Zeitpunkt eintritt, in dem Angehörige ihrer Art den Zug antreten. Diese Erklärung des Vogelzuges ist nach dem Stande unseres heutigen Wissens die wahrscheinlichste. Es gibt allerdings Forscher, welche meinen, daß die Vögel von Anfang an insgesamt als Zug- vögel lebten. Dem widerspräche aber manche Erfahrung, so sehen wir, daß der Drang zum Ziehen hauptsächlich bei den nördlich brütenden Vögeln so stark ausgebildet ist, und bei Arten, die mehr in dem Süden oder in den Tropen heimisch sind, weniger deutlich sich bemerkbar macht und völlig schwindet. Die ersten Vögel, die auf der Erde erschienen, waren gewiß nicht flugtüchtig, und der Hang zur Seßhaftigkeit ist noch heute selbst bei Vogelarten, die zu den Zugvögeln zählen, stark ausgeprägt. Finden solche Vögel neue günstige Gebiete, so siedeln sie sich in ihnen an und verzichten auf das Ziehen. Das ist u. a. in Algerien   der Fall. Noch vor einigen Jahrzehnten war das Land zumeist eine Wüste, in welcher die Vögel weder Samen noch Insekten in großer Menge zur Nahrung vor- finden konnten. Jetzt ist das Land durch künstliche Bewässerung zum Teil fruchtbar gemacht worden; die Kultur verschiedener Ge» wüchse ist in stetiger Zunahme begriffen, damit aber haben auch zahlreiche Insekten ihre Lebensbedingungen erhalten und vermehren sich auf den Feldern und in den Pflanzungen weit mehr, als dies dem Landwirt lieb ist. Seitdem diese Wandlung eingetreten ist, verlängern auch verschiedene Zugvögel dort ihren Winteraufenthalt: ja verschiedene Singvögel, Schwalben und Störche, brüten jetzt dort und ziehen nicht nach dem Norden. Es ist klar, daß unsere Stand- Vögel ursprünglich als Zugvögel in unserer Heimat nach der Eiszeit erschienen waren; als sich aber das Klima besserte, fanden sie hier genügende Nahrung, um sich auch im Winter durchzuschlagen, so wurden sie seßhaft. Dieses Untrcuwerden der alten Gewohnheit des Ziehens kann man noch heute bei einzelnen Vögeln beobachten. Daß schwache, kranke oder irgendwie verunglückte und in ihrer Flug- tüchtigkeit gelähmte Vögel den Zug nicht mitmachen, sondern im Lande bleiben und oft der Unbill des Wetters zum Opfer fallen, ist selbstverständlich. Andererseits steht es aber auch fest, daß ganz gesunde und kräftige Vögel sich ihren Artgenossen auf dem Zuge nach dem Süden nicht anschließen und mit mehr oder weniger Glück bei uns zu überwintern versuchen. Eine solche Neigung zum Dableiben zeigen z. V. in Deutschland   die Stare. Seitdem man in den achtziger Jahren darauf aufmerksam gemacht hat. wächst die Zahl der Meldungen von überwinternden Staren von Jahr zu Jahr. Das ist namentlich in denjenigen Gegenden der Fall, in denen der Star sich einer besonderen Fürsorge des Menschen ersreut. In Anbetracht dieser Tatsachen spricht man sogar die Hoffnung aus, daß der Star allmählich zum Standvogel werde. Ein ähn- liches Verhalten wurde noch bei einigen anderen Vogelarten, namentlich bei Rotschwänzchen, bei der Singdrossel, der Dohle und dem gemeinen Reiher festgestellt. Für die gewaltigen Voaelscharen, die nach Milliarden zählen, find diese Ausnahmen nicht bedeutsam. Das Ziehen steht noch bei ihnen in vollster Blüte und wird auch vorherrschen, solange die alljährliche Veranlassung zum Vogelzuge, der Wandel der Jahreszeiten auf unserer Halbkugel, in gleichem Maße besteht._ C. Falkenhorst. Kleines f euilleton. Teuere Zeiten. Die Wiener.Zeit" veröffentlicht folgenden galgenhumoristischen Dialog, den fie inS Jahr 1920 verlegt, und der, wenn die Teuerung in der bisherigen Weise fortschreitet, ganz gut einmal Wirklichkeit werden kann: Die beiden Freunde Müller und Mayer'spazieren über die Wiener Ringstraße  . Müller:Wie gchf'eS Ihnen, lieber Mayer?" Mayer:.Ich danke. Ich fühle mich sehr erfrischt heute. Am Mittwoch wasche ich mich immer mit Seife, und das wt mir sehr wohl."- Müller:Sie Glücklicher, ich kann mir so einen Luxus nicht erlauben. Mein Nachbar, der Bankdirektor Sie wissen ja, der Protz wäscht sich jeden Tag mit Seife. Ueberhaupt, der führt Ihnen ein Leben I Jeden zivcilen Tag Rindfleisch, am Sonn» tag sogar Geflügel; ich habe selbst seinen Azorl die Knochen fressen sehen. Und dreimal in der Woche werden sogar alle Zimmer g e heiztl" Mayer:Was Sie sagen! Mit Kohle?" Müller:Ja, mein Lieber, mit Kohle, mit schlefischer Kohle l Ich Hab' es übrigens jetzt auch ganz erträglich warm." Mayer:Womit heizen Sie?" Müller:Mit meiner Bibliothek. Ich bitte Sie, die Bücher sind jetzt so billig. Neulich hat meine Frau auS dem Goethe ein großartiges Gulasch gekocht." Mayer(zweifelnd):Gulasch?" Müller:Du lieber Gott I Was soll man tun? Meine Frau hatte Geburtstag. Da muß man doch etwas springen lassen. Ich habe inir eben einen größeren Vorschuß genommen. Aber waS seh' ich? Sie tragen ja neue Handschuhe!" Mayer:WaS Ihnen nicht einfällt I Die Hab' ich vor acht Jahren mit großen Opfern erworben. Man schont halt seine Sachen. Meine Stiefel gefallen Ihnen auch, nicht wahr? Ja, ich Hab' halt Glück gehabt. Bor drei Wochen Hab' ich einen Treffer in der Lotterie gemacht und da Hab' ich meine Garderobe durch ein Paar Stiefel und drei Hemden ergänzt. Komisch, daß fie einen in den Wäschegeschäften immer mitHerr Graf" ansprechen." Müller:Na ja. Was gibt's denn sonst Neues? Haben Sie die Zeitungen schon gelesen?" Mayer:Ja. Die Fleischhauer haben beschlossen, mit den Preisen in die Höhe zu gehen." Müller:Was geht das uns an? I" clc. Exotische Leckerbissen. Tic kulinarischen Genüsse, die die Natur uns bietet, scheinen sich für den zivilisierten Europäer zunächst auf Tier, Vogel und Fisch zu beschränken. Aber auch Reptilien und Insekten haben an der großen Speisekarte der Welt einen beträchtlichen Anteil, wie wir aus einem Artikel in«Cham  » bers' Journal" erfahren. Die Tiere mögen noch so unappetitlich im Aussehen, so scheußlich in ihren grotesken Bewegungen, so schleimig und ekelhaft beim Anfassen, so bösartig in ihrem Charakter, ja selbst giftig sein, die Begehrlichkeit der Menschen läßt doch nicht von ihnen ab, sondern bereitet sich aus ihnen ein Mahl, Die Seeschildkröte ist eine besonders hochgeschätzte Speise; auch die Landschildkröte gilt überall, wo sie gefunden wird, als eine hervor» ragende Delikatesse. Eidechsen aller Arten und Größe werden in Asien  , Afrika  , Amerika   und Australien   gegessen. Krokodile und Alligatoren, so schreckenerregend sie auch lebendig sind, geben erlegt ein Gericht und zerfließen Aegyptern und Afrikanern mit Wohl» geschmack auf der Zunge, während sie manchem Europäer zwar auch recht gut schmecken, aber leicht etwas weichlich erscheinen. Ein be» sonderer Geschmack, den wohl nicht alle teilen werden, gehört aller» dings schon zum Verspeisen von Schlangen; die Chinesen bevor» zugcn besonders den Genuß dieser Tiere und halten ihn für so gesund, daß sie ihn als wertvolle Medizin ansehen, doch beteiligen sich auch die Indianer Amerikas  , die Neger Afrikas  , Malaien und Japaner gern an einem Schlangenragout. In Europa   sind wohl die Italiener die einzigen, die eine Art Schlangengelee als Speise kennen. Das Fleisch der Boa Constrictor, das gar manchen- in Anbetracht der Gefährlichkeit dieser Schlange nicht gerade'ehr appetiterregend erscheinen mag, schmeckt angeblich wie weieyes, junges Kalbfleisch. Frösche werden allgemein gegessen im Osten und im Westen, in China   und den Vereinigte» Staaten. Die Fran» zosen, die ja besonders gut wissen, was wohlschmeckend ist, haben zuerst Frösche auf die europäische Tafel gebracht, und seitdem hat sich hier und da wohl auch ein deutscher   Feinschmecker zu einem Ragout von Froschschenkeln aufgeschwungen. Tie Jankees haben dies« Errungenschaft der französischen Küche mit besonderem Eifer sich zu eigen gemacht. Schnecken, die beim ersten Anblick so schleimig und ekelerregend erscheinen mögen, begegnen in Frankreich  , in der Schweiz  , im Süden Europas   und in den Vereinigten Staaten  durchaus nicht dem gleichen Widerwillen, wenn sie gekocht und zu» bereitet sind. Vielfach werden auch Schnecken von Frauen und Kindern gesammelt und auf besondere Gemüsearten gesetz., die ihnen zur Nahrung dienen und denen sie, wie eS heißt, einen be­sonders ausgezeichneten Geschmack verleihen. Das Beispiel Johannes des Täufers, der sich von Heuschrecken und wildem Honig nährte, ist noch heute für sehr viele Völker maßgebend. Die Haupt» esser von Heuschrecken   sind afrikanische Stämme. Die Araber zer- mahlen, wenn Hungersnot ihr Land befällt, getrocknete Insekten, die sie gesammelt haben, zu Staub und mischen es dem Mehl bei, aus dem sie Brot backen. Honig ist ja ein weltbekanntes Genutz- mittel, aber einzig stehen die Singalesen da; sie essen Bienen, um ihrem Atem Wohlgcruch zu verleihen. Ameisen sind ein Lieblings- essen in Brasilien  , Ostindien und Mexiko  . Die großen Termiten verspeist man mit Vorliebe in Afrika  , und der Chinese ist ja der Verehrer von allen Insekten; sie spielen auf seinem Speisezettel die allergrößte Rolle. Ein Leckerbissen in Neu-Caledonien sind große Spinnen und in Brasilien   18 Zoll lange Tausendfüßler,