um feinen großen momentanen Erfolg. Ms er seine„Lene" schried, mußte die Leserwelt erst lernen, daß auch eine einfache Dienstmagd ein Mensch sei, wert, zur Heldin eines Romans gemocht zu werden. Krauß selbst ließ sich von der Schnelllebigkeit unserer Zeit auch in literarischer Beziehung und der Ungunst des Geschmackes nicht beirren— lächelnd sprach er davon und so führte er durch die drei Bände seines„Heinmt'-Romans den prächtigen Charakter der Lene durch, einer der stärksten, wahrsten und aufrichtigsten Frauen- charaktere, echt realistisch, voll strotzender Gesundheit und Klarheit deS Empfindens, wie sie unsere neuere Dichtung selten aufzuweisen hat. Eine Gestalt, die neben den Gestalten Gottsried Kellers bestehen kann. Wie alles Starke niemals verloren gehen kann, so muß auch diese Schöpfung einmal ihre richtige Bewertung finden und sich die Gunst der Leser erzwingen zum Ruhme ihres Schöpfers. Schade, daß dieser Ruhm, nun der Dichter tot ist, nur ein Nachruhm sein kann!— Wir gehen mit Lene den Lebensweg von früher.Kindheit an durch Jugendleiden, durch Armut und die Zwitterstellung des Waisenkindes bis zur Selbständigkeit der Diensimagd, ihre Ver- folgungen und Versuchungen, ihrer entsagenden Liebe bis zu ihrem endlichen Entschluß, die Frau des verwitweten Försters von Konradsreuth zu werden. Und wir sehen sie an der Seite ihres Mannes, wie sie ihm beisteht als treuer Kamerad und mit ihm ohne Sentimentalität den Wald lieben lernt, der den Stadtleuten nur ein Spekulationsobjekt, den Förstern und Holzern aber ein Stück ihrer Seele ist. Und wir sehen sie in schwerer Stunde, da der Förster, halb gebrochen durch eine falsche Anklage, sich verzweiflungs- voll den Tod geben will, den Mann aufrichten und ihn ins Leben weisen. »Bor ihnen lag der Hau, stumm standen die Kiefernbüsche, als leuchte jede Nadel der Nacht entgegen. Hoch über sie hob sich eine alte starke Föhre, in ihrer breiten, gesunden Krone lohte die sinkende Sonne. .Lene wies mit der Hand nach dem Baume.... .Das bist du!... Und ich deine Sonne I... Wo Mann und Weib zusammensteh'n, kein Teufel kann's dernrachen l.. So klingt der Band„Der Förster von Konradsreuth" aus, in dem neben dem Lied des Waldes auch das Lied de« ForsthauseS und der Förstertreue gesungen worden. Und wir sehen im dritten Bande die Lene die Tragödie der jungen Witwe erleben, an die die Versuchung herantritt, durch eine neue Heirat sich ihrer ärmlichen Verhältnisse zu entledigen. Aber sie entsagt. Klar und groß steht das Bild ihres Mannes vor ihr, der ihr immer noch den letzten und besten Rat weiß.„Ihr Inneres war ruhig. Sie wußte, daß der Sturm, der sie die letzten Tage durch- wühlt, der letzte gewesen." Wir nehmen Abschied von Lene, aber es ist kein trauriger. Er hat einen schönen und hohen Aufklang. .Aus den Essen stieg der Rauch kerzengrade in die Lust. Ein neuer, schöner, klarer aber kühler Tag stand in Aussicht. Der Herbst war da I „Auch meiner ist gekommen I" dachte Lene. Wer mit leuchtenden Augen ging sie hinab, an die Arbeit. In den Kreis des Kulturhistorischen dieser Romantrilogie fügen sich auch die übrigen Bücher von Krauß, die aber dem Romanwerke an Bedeutung nachstehen, ein. Echte Poesie in Humor und Tragik enthalten noch die fünf Skizzen und Geschichten, die er unter dem Titel„Im Waldwinkel" vereinigt hat. Dem gleichen Boden ent- wachsen, werden in ihnen die Förster und Heger, die Holzhaner, Beerensammler und Pilzesucher in den Sitten ihres Landes und dem Merglanben, der ihr Empfinden beherrscht, lebendig. Als eine sprachliche Vorstudie für seine poetischen Werke dar? man die Dialektstudie.Eghalandrischs" persönlich bewerten. Zum erstenmal ist in ihr der Egerländerdialekt literarisch verwertet worden.— In letzter Zeit sprachen wir viel von dem neuen Buche, daS Krauß diesen Herbst herausbringen wollte. Seine Schreibweise war immer knapper, sogar bis zur Abgerisjenheit gediehen. Ich wies auf die Gefahr hin, die darin liege. Er lächelte und bat, Vertrauens- voll das Ganze abzuwarten. Die Beziehungen, die im einzelnen ver- loren gingen, werde schon das Ganze wieder herstellen. Im übrigen sei er soweit gekommen, daß er nur darstelle und alles erklärende Sagen unterlasse. Die Art der Darstellung hatte schon der Roman„Die Stadt" in hohem Maße, und ich wiederhole hier den ersten Gruß, den ich ihm literarisch dargebracht, als den letzten, weil ich glaube, daß darin enthalten ist, was das Wesentliche seines literarischen Bilde? abgibt:„WaS wollte dieser Dichter?— Dichten! Das Leben und Treiben, Klatsch und Arbeit, Planen und Feiern, ehrliches Erringen und heimliches Erschleichen, ernste Gänge und lustige Tänze, Jung und Alt und viel tüchtige Menschen einer ganzen Stadt uns vor Augen führen. Jedenfalls aber, und ganz besonders einen prächtigen, kernfesten Charatter in der Försterswitwe Lene Gruber. Dieser Dichter, kommt ohne„Geschichte", ohne eigentliche Fabel ans, der stigt nur einfach Geschehnis an Geschehnis, läßt Menschen auf den Plan treten und das Herz auf der Zunge tragen, läßt sie abtreten, weil das Leben sie abtretet« heißt und leitet alles ganz unmerklich, ganz unabsichtlich zurück zu der Einen, die so ganz und gefestet im Leben steht, im Schloankenden sich aufrankend am Vorbild deö toten Mannes, im Zweifelnden sich tiefer in sich selbst versenkend, zu der Einen, die das Leben nicht verlieren, den Menschen Kch nicht abwenden kann, weil jede ihrer Handlungen nur der Beweis und Ausdruck der Treue zu sich selbst ist.[Die Treue zu uns aber ist allemal ganz von selbst die Treue zum Leben. Hier freilich— hier erhebt selbst in dieser Dichtung das Problem sein Haupt. In allem ist diese köstliche Wirkung des Herzens, des Dichterherzens, das tiefer ins Leben führt und in desien Pulsen der Puls der Welt schlägt. Hier ist diese „Welt" zwar nur die engere Heiniat— aber was ist uns alle Heimat und Heimatkunst, wenn sie sich in einem engen Krähwinkel selbst genügt und nicht der Spiegel der Weite, des Weiten und Allgemeinen geworden ist! Ein Dichter dieses Spiegelnden ist Nicolaus Krauß— und darin ohne jede Eiirschräiikung ein D i ch t e r I" Die Heimat hat ihren Sohn, der Wald hat seinen Bruder ge- rufen. Nun werden wir seine Seele grüßen, wenn der Wald rauscht, wenn die Bäume grünen und die Sonn» durchs Gezweigs tropft. Da wird Liebe sein. Und lvir werden sie grüßen, wo ein Baun, aufrecht ragt über Gestrüpp und Unterholz, denn da wird Geradheit sein und Festig- keit,— Widerstand und Treue, und wir werden sie grüßet«, wo die Finken schlagen und Kernbeißer schwätzen und die Baumläufer, die er liebte, quirren, denn da wird Jugend sein und Lachen. — Wilhelm Holzamer . Kleines f eullleton» o. k. Der Herbst im Volksglauben. Nach dem Kalender nintint der Herbst am 22. September seinen Anfang. Wie er sich gestalten wird, ob warn« oder kalt, ob naß oder trocken, wissen wir nicht. Das war zwar zu allen Zeiten so. Gleichwohl hat das Landvolk, das ja im unmittelbare!, Kontakt mit der Natur steht, seit jeher seinen prophetischen Drang zu betätigen versucht, indem es auf Grund direkter Wahrnehmungen oder unkontrollierbarer lieber- liefernngen seiner Altvordern ein Tabularium von sogenannten Wetter- regeln zusammengebracht hat. Sie bilden sein Horoskop in jeder Jahreszeit zur mutmaßlichen Boransbestimmung der kommenden Witterung. Ein Märlein hängt an diesen Regeln, das ist wahr; aber es steckt eben doch auch oft ein Körnlein Wahrheit und Witz darin. Wenn, so heißt eS, der Anfang des Herbstes<22. September) klar ist, folgt darauf ein„windiger" Winter.„Hart" werde dieser sein, wenn das Laub„ungern" von den Bäumen fällt, und„ge- meiniglich lang", wenn ihm ein ivarmer, nasser Herbst vorangegangen. Dagegen währt die Kälte nicht lange, wenn das Laub„bald" lrasch) abfällt. Gibt es un, Michaelis<29. September) viel Eicheln, so fällt viel Schnee um Weihnachten . An den gleichen Tag knüpft sich noch mancherlei anderes. Sind um diese Zeit z. B. die Eichäpfel in- wendig schön und frisch, so bedeutet's, daß künftige» Sommer die Früchte„wohl" geraten werden; sind sie inwendig naß und faul, so verkündigen sie einen nassen, sind sie mager und dürr, einen heißen und schlechten Sommer. Findet man darin eine Mücke, so bedeutet's ein mittelmäßiges Jahr. Eine Fliege läßt Krieg und ein nicht allzu fruchtbares Jahr befürchten. Eine darin befindliche Made oder ein Wurm bedeutet Mißwachs und teuere Zeit; aber eine Spinne.drohet mit Pest und sonst einem bösen Jahr". Der Oktober pflegt zwar um seine Mitte herum noch einige warme Tage, den sogenannten„Gallen-Sommer", zu bringen; er ist aber doch schon viel krittlicher als der September. Wenn nämlich die Kraniche und Mldgänse wegfliegen, so bleibt auch der Winter nicht lange.außen". Von Bedeutung ist ferner derjenige Tag im Oktober, an welchem eS zum erstenmal schneit. Es wird im nach- folgenden Winter gerade so viel mal schneien, als Tage vor dem ersten Schneefall verflossen find. Schneit es beispielsweise am 30. Oktober, so sei demgemäß ein dreißigmaliger Schneefall zu er- warten. Nach der Art des ersten Oktoberschnees läßt sich aber auch auf den Winter oder seine Dauer schließen. Bleibt jener lange liegen, so wird dieser lange anhalten. Dagegen wird es so viel Mal Tauwetter geben, als man vom ersten Schneefall im Oktober bis zum„nächst-künfttgen" Neumond Tage zählt. Gewitter in diesem Monat haben für die Menschen traurige Zeiten im Gefolge. Wenn eö nämlich donnert, während Sonne und Mond im Zeichen des Skorpion stehen,.so soll ein großer Hunger entstehen".— Die„Ob» servationes" der Alten und Bauern für den November lauten nicht günstiger. Allerheiligen<t. November) bringt.gemeinig- lich" noch einen kleinen Nachsommer. An diesem Abend pflegen die Landleute einen Span von einer Birke zu hauen und danach das Wetter zu beurteilen; denn ein trockener Spahn zeigt an. daß der Saft schon m die Wurzel gewichen und ein kalter Winter folgen werde; ist jener aber feucht, fo soll keine große Kälte zu befürchten sein. Wichtig ist der Martins- tag<1t. November). Bringt er einen bewölkten Himmel, dann soll ein beständiger, jedoch„leidentlicher" Winter folgen. Regnct'S, so bedeutet's einen unbeständigen Winter. Klarer Himmel mit Sonnen- schein zeigt einen harten Winter und große Kälte an. Drei Tags vor Martini geht, nach Meinung der Landbewohner, der„Wolfs- Monat" an. Er endigt am 7. Dezember. Fällt im November der erste Schnee in den Kot, so soll es Teuerung bedeuten; fällt er aber auf trockenes Erdreich, dann wird ein fruchtbares Jahr ver» mutet. Wie das Wetter m« WolfSmonat ist, so soll es auch .wittern" im lünftigen März. Viel Aufmerksamkeit pflegen
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23 (22.9.1906) 184
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