Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 188.
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Freitag, den 28 September.
( Nachdruck verboten.)
Die Sandinger Gemeinde.
Novelle von Henrik Pontoppidan . Autorisierte Uebersetzung aus dem Dänischen von Mathilde Mann . Da war jedoch einer, der sich durch Jensens Anwesenheit heute abend unangenehm berührt fühlte, nämlich Knud. Er wußte nicht weshalb, aber er hatte einen Verdacht, daß dieser Mensch, der seine Augen überall hatte, auch sein Berhältnis zu Boel ausspioniert hatte und nun den Grund ahnte, weshalb sie fortgekommen war. Er glaubte sogar zu wissen, daß der Bursche selber ein Auge auf Boel geworfen hatte und war sich nicht sicher, ob nicht eine tüchtige Portion boshafter Mißgunst hinter seinem demütigen und kriechenden Wesen
Iauere.
Der Geheime Etatsrat Drehling ging im Zimmer umher, die eine Hand hinten auf dem Rücken, die andere in den Brustaufschlag feines zugefnöpften Rodes geſtedt, und in dieser napoleonischen Stellung unterhielt er sich eine furze Weile und nach einer bestimmten Reihenfolge mit jedem einzelnen der Gäste.
Als er auf diese Weise schließlich auch zu Jensen- Dam gaard kam, wurde der Seminarist vor lauter Ehrerbietung so frummrüdig wie ein Fragezeichen und zog den Mund bis an die Ohren heran, so daß die tabakgelben Zahnreihen in ihrer ganzen Ausdehnung sichtbar wurden. ,, Wie war es doch gleich? Ihr Name war- 2" fragte der Geheime Etatsrat mit einer wohlwollenden Handbewegung.
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" Jensen- Damgaard, Erzellenz!" Ach ja, ja!" Der Geheime Etatsrat hatte eigentlich die Absicht gehabt, ihn mit einer ganz kurzen Bemerkung stehen zu lassen( er war durchweg kein Freund von diesen gebildeten Bauern") aber als er ihn nun näher betrachtete, fühlte er sich doch ganz angenehm berührt von der Persön lichkeit.
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" Ich höre soeben, daß es Ihre Absicht ist, zu studieren, möglicherweise sogar Pfarrer zu werden. Ein wirklich Lobenswertes Bestreben."
Wenn es mir nur gelingen möchte, Erzellenz!" „ Das wird es schon!"
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Ein wirklich angenehmer bescheidener und manier licher- junger Mann, dachte der Geheime Etatsrat und nickte freundlich.
,, Wie alt sind Sie, mit Erlaubnis zu fragen?" ,, Achtundzwanzig, Erzellenz!"
Hm,
ja freilich
"
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„ Das ist ja ziemlich alt für jemand, der erſt anfangen will. Aber es hat mir an Unterricht gefehlt,- ich bin ja nur ein einfacher Bauer, Erzellenz." „ Ach was! Was bin ich denn? Was sind wir alle!" fagte der Geheime Etatsrat und flopfte ihn ermunternd auf die Schulter. Ich vermute, die Hochschule hat in Ihnen den Wunsch erwedt, Ihre Fähigkeiten weiter auszubilden?" Ja, ich war zwei Jahre Lehrer an der Balderöder Hochschule." In welchen Fächern haben Sie
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" Lehrer? S ― 0? ― denn da unterrichtet?" Ach, so durchschnittlich in allen, hauptsächlich aber in der Erdbeschreibung und in der Geschichte des Geistes." " Ja, namentlich das letztere ist ja ein sehr umfassendes Fach. Sie konnten im Laufe eines Kursus wohl nicht weit darin kommen?"
" Ja, sehen Erzellenz, das nahmen wir beim Singen durch. An der Hand der Lieder geht das so prächtig und so leicht."
1906
Es ward sehr still rings umher. Alle sahen Fräulein Drehling und Knud, und dann wieder den Geheimen Etatsrat an, der jetzt das Wort ergriff:
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Meine Damen und Herren!
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Gestatten Sie mir, in ganz wenigen Worten das Wohl unserer hochberehrten Wirtin und Freundin auszubring, mit einem herzlichen Dank, daß sie uns heute so freundlich richtigen Dank die Aeußerung eines Wunsches zu knüpfenversammelt hat. Und gestatten Sie mir, an diesen aufeines Wunsches, der das weiß ich ganz sicher von Ihnen allen hier geteilt wird nämlich des Wunsches, daß die ideale Bestrebung oder Sache, der unsere liebe Frau Gylling in so hochherziger und großartiger Weise ihr Leben und ihre Sträfte gewidmet hat, mit Glück und Erfolg gekrönt sein möge. wenn wir vielleicht meinen, unserer lieben Frau Wirtin nicht in allen auf ihren zuweilen ein wenig fühnen- und wenn ich mich so ausdrücken darf unerforschten Wegen 3u dem großen Ziele folgen zu können, so tragen wir hieran möglicherweise die größeste Schuld. Doch, wie sich dies nun auch verhalten mag es sei ferne von mir, richten zu für meine eigene Person natürlich- sondern im Namen wollen so glaube ich, versichern zu können, nicht allein - aller, die hier anwesend sind daß wir uns- jeder auf reichen Bewegung fühlen; uns wenn ich mich des Ausseine Weise als Glied in dieser mächtigen, segensbruds bedienen darf im Bündnis mit der großen Gemeinde fühlen, die durch das ganze Land für die Auferweckung des Volfes gewirkt hat und noch immer wirkt vielleicht nicht allemal mit dem gleichen Erfolg, immer aber dieser Gemeinde ist um im Bilde zu bleiben unsere mit einem ehrlichen, redlichen und aufopfernden Willen. In liebe Frau Wirtin eine der Hohenpriesterinnen. Und in letzter Zeit hat es sich ia gezeigt, daß ihr Sohn unser geGyllingwürdig in die Fußstapfen der Mutter trefen zu meinsamer, liebenswürdiger Freund, Herr Kandidat Knud wollen scheint."
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scher Stoß durch die um den Tisch versammelten Gäste. Jetzt Es war, als verpflanze sich bei diesen Worten ein galvanikommt's! dachten sie.
heime Etatsrat mit folgenden Worten schloß: Deswegen war es eine große Enttäuschung, als der Ge
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,, Empfangen Sie also liebe Frau Gylling!- unsere besten Wünsche für die Zukunft. Seien Sie überzeugt, daß wir wie wir uns auch zu den einzelnen Fragen stellen Interesse verfolgen werden und wie bisher- die höchste mögen- Ihre idealen Bestrebungen stets mit dem größten Achtung und Ehrfurcht für Ihren begeisterten Glauben und die großen Aufopferungen empfinden werden. Frau Gylling! Gott schütze Sie und Ihr Haus!"
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lächelte halb verschämt, als sie ihr Glas den vielen hinhielt, Alle erhoben sich. Frau Gylling war bewegt. Sie die ihr über den Tisch entgegengereicht wurden. Denn alle ihre Gäste fühlten sich betroffen von der Wahrheit, die in den Worten des Geheimen Etatsrats lag. Ein tiefes und warmes und begeistertes Gefühl für die Sache des Volkes schwellte in diesen Augenblicken die Herzen der kleinen auserwählten Gesellschaft. Der vierzigjährigen Jungfrau mit den Rosen im Haar traten vor Ueberzeugung und Aufopferungsdrang sogar große Tränen in die Augen.
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Diese schöne Stimmung fand noch mehr Nahrung, als Jensen- Damgaard sich gleich darauf am untersten Ende des Tisches erhob und um Erlaubnis bat, ein kleines Wort reden zu dürfen." Er fing so einnehmend bescheiden an zu sagen, daß es gewiß sehr kühn von ihm sei, die Aufmerksamkeit in einem solchen Kreise auf sich zu lenken. Er sei ja nur ein ganz einfacher Bauer, und es sei wie ein wunderbarer Traum für ihn, daß er, der geradewegs aus dem Torfmoor fam, nun hier zwischen allen diesen ausgezeichneten und berühmten Männern und Frauen stünde. Wenn seine alte Mutter, die daheim in ihrer ärmlichen Stube an ihrem Spinnroden saß, ihren Sohn sehen könnte, würde sie gewiß glauben, daß so etwas unmöglich sei, und er wollte doch auch meinen, daß es sicher nicht viele Länder gäbe, wo feine Damen und Herren Was würde jetzt kommen? Würde die Verlobung schon sich nicht schämten, mit einem ganz gewöhnlichen Bauern, der heute abend veröffentlicht werden?
„ Ach i- o!"
Aber nun wurden die Türen zum Eßzimmer aufgerissen, und man ging zu Tische.
Beim Nachtisch schlug der Geheime Etatsrat an sein Glas und erhob sich.
Es ward still rings umher.
geradeswegs vom Torfmoor fam, zu Tische zu sigen. Und er