Theater. Schauspielhaus...Hamlet ", Trauerspiel rem Shakespeare. Der Rahmen war schöner als das Bild. Die nächtliche verschneite Küstenlandschaft, in der der Geist des gemordeten LatcrS dem Dänenprinzen erscheint, der vom silbernen Mondschein über- glänzte Äiirchhof mit dem Grabe für Ophelia, der von Fackelträgern geleitete, unter leis gemurmelten Kirchengcsängen nahende Zug der Leidtragenden hinterließen einen stärkeren Nachhall des Gefühls als die Gestalt, die Töne und Gebärden, die M a t k o w s k y dem rätsei- vollen schwerblütigen Helden der Tragödie lieh. Was die Größe dieses vielbcwunderten Schauspielers ausmacht,— die packende Wucht, mit der er sicher in sich ruhende oder auch in wilden Wogen aus- schäumende männliche Kraft, einen Götz, Kandaules Koriolan der- körperlicht—, eben das ist in der Hamletrolle völlig unverwertbar. Man glaubt MatlowSky nicht den Jüngling, nicht den Melancholiker, sieht sintt wirklicher Verschmelzung nur das Bemühen eines nach gewisser Richtung glänzend ausgestatteten Künstlers, sich einem dieser seiner Charakterart notwendig frentden Element anzupassen. Es seblt jene Resonanz, die die Worte des Dichters, umgebildet in ein völlig Eigenes, zurückwirft und so inmitten des bekannten immer neue bedeutsame Ausblicke erschließt— das Spannende, die Illusion. Besonders übel war es, daß der Darsteller, wohl um den Anschein schmerzzerrissener Innerlichkeit noch zu steigern, sein sonores Organ, das sonst gerne aus breiter Brust die Worte Ivie Fanfaren in die Luft schleudert, ganz systematisch zu den „flüsterndsten Flüstertönen", über die schon der alte Fontane in seinen Matkowsky-Kritikcn beredte Klage führte, herabdämpfte. Dieses erlöschende, in sich hinein Versinken der Stimme, das sparsam angewendet unter Umständen von großem Eindruck sei» kaun, wirkt, wenn der Schauspieler, wie hier, es zum Grundton einer ganzen breit ausgeführten Rolle macht, als nervenquälende Manier— ein Mittel, das s» sicker wie das andere Extrenr, das laute Schreien, auf die Dauer jede Mitempfindung abstumpft. Auch die Tränen, die dieser �lüstcr-Hamlct in seiner Stinime hatte, wollten mir nicht echt erscheinen; die Gestalt erhielt so stellenlveise, namentlich in den Ophelia-Szenen, eine Färbung weicher Sentimentalität, die zu dem herben Bodensatz der Hamlet- schwermut, dem zerreißenden Hohne seiner Meuschenverachtung nicht wohl im Einklang stand. Am besten gelang ihm im Nahmen der Gesamtleistung der in gramvollem Sinnen gesprochene Monolog„Sein oder Nichtsein" und der tiefsinnig um das Schicksal memchlicher Vergänglichkeit kreisende Gedankenflug der Kirchhofsszene. Die Auf« gäbe, die Hamlet stellt, erfordert nicht nur so viel Kunst, s andern vor allem auch so viel besondere individuelle Prädisposition des Tencheraments, daß die Berliner Bühnen zurzeit vielleicht niemanden haben, der ihr voll gewachsen wäre; es sei denn, daß Herr Kayßler vom Reinhardttheater das Zeug dazu besitzt. Die Besetzung der kleineren Rollen konnte bei den, großen Reichtum des Schauspielhauses an tüchtigen Kräften keine Schwierig- keiteit bieten. Sehr gut war Fräulein W a ch n e r als Ophelia, sanft liebenswert, noch von rührender Anmut im grausen Wahnsinn, sehr gut auch Vollmer, der mit diskreter Charakteristik die so oft ins Närrische gezogene Figur des PoloniuS hob, und Kraußneck in der Rolle des Geistes. Max Pohl und Fräulein Lind n er repräsentierten das schuldige Königspaar.— dt. Neues Theater. Sondervorstellung.„Magdalena"(Cari- dad). Lustspiel in 3 Akten von Miguel Echegaray . Ein „Spanischer Schauspielzyklus" mit dem Ehrfurcht gebietenden Zusätze „unter dem Protektorat Sr. Majestät des Königs von Spanien " war angekündigt worden, ein Herr Paetel zeichnete als Oberlciter.— Wenn die Wahl des ersten Stückes, das am Sonnabeiidnachmittag auf der gemieteten Bühne des Neuen Theaters zur Aufführung ge- langte, nicht etwa mit ganz besonderem Ungeschick getroffen ist, dann müßte es nach dieser Probe trostlos um die spanische dramatische Literatur der Gegenwart bestellt sein, dann bliebe. was die eine Auslese zutage fördert, selbst hinter dem niedrigen Durchschnitt, de» die dramatische Arbeit einer einzigen Saison in Deutschland liefert, noch um ein Beträchtliches zurück. Ein solches Maß jungfräulicher Naivität und Unberührtheit von den Nachwchen des naturalistischen Gehör und Sinne schärfenden Geistes wird man trotz allem hier zu Lande selten konstatieren können. Es ist, als habe die Muse, die diese Magdalena schuf, durch hundertjährigen Dornröschenschlaf hinter schützenden Hecken sich das Kindergemüt bewahrt. Und ebenso ivenig läßt sich in dem Drama des Verfassers etwas von jenen Qualitäten schlagkräftiger-bühncnmäßiger Mache und feuriger Rhetorik spüren, die in dem„Galeotto" seines berühmten Lands- maimes und Namensvetters Jos« Echegaray einst fesselten. Auch Miguel, darin mag eine formale Verwandtschaft liegen, spitzt sein Stück auf eine Tbele zu— eine These, deren Wahrheit übrigens glücklicherweise selbst durch die schlimmsten Schnitzer dramatischer Beweisführung nicht kompromittiert werden kann. So gewiß alle die Dinge, die Fräulein Magdalencns skeptischem Millionärsonkel endlich das Geständnis abzwingen, daß es am Ende doch gute Mcnschengibt, sich ini Lebe« nie so hätten zutragen können, so gewiß erscheint doch die Lehre, die der Onkel daraus zieht, höchst anerkennenswert, seine Sinnesänderung als entschiedener Fortschritt. Magdalena ist richtiger Theaterengel. Nächst ihrer stillen Liebe zu dem mittellosen Vetler Carlos kennt sie kein größeres Vergnügen ' als in den Wohnungen der Armen Gaben auszuteilen. Sie hat's dazu und spricht auch offenbar recht gern darüber. Zlvei junge Leute, Mitgiftjäger, von tadelloser Herkunft, doch verdorbenem Herzen, die sich anscheinend zum erstenmal im Haus des Onkels vor- stellen und auf der Stelle vor einander ihre Heiratspläne auskramen, werden sofort zu einer Beisteuer herangezogen. Als das Fräulein ein Sciltäuzermädchen auf der Straße stürzen sieht und von ihrem Elende erfährt, ruht sie nicht, bis der Unheil prophezeiende Ohm die Kleine loskaust und in den eigenen Hausstand alifninnnt. Und siehe, es quillt eitel Segen aus der Tat. Durch sinnvolles Arrangement bringt der Autor es zuwege, daß das fremde Wesen mit der vulkanischen Fcuerseele ihre Wohltäterin im zweiten Akte vor einem nächtlichen Ueberfall beschützt, im dritten ihr gar den künstigen Gatten rettet. Mehr kann man nicht ver- langen. Dabei zeigt sich, wozu-- die beiden Mitgiftjäger aus dem ersten Akte gut sind. Nummero Eins will den bevorzugten Rivalen Carlos sehr einfach dadurch ans dem Felde schlagen, daß er daS Fräulein in einen Skandal verwickelt. Er besticht den Diener, die Balkontür zu ihrem Zinuner offen zu lassen und schleicht zu mitter- nächtiger Stunde, als Gentleman natürlich in Gesellschaftstoilette und Zylinder, sich ins Haus. Beatriz aber wacht neben der ent- schlummerten Freundin und treibt den elenden Halunken in die Flucht. Zur Abwechselung gedenkt dann Nummero Zwei sein Ziel dadurch zu erreichen, daß er den Vetter zum Duell zwingt, um»hm den Degen in den Leib zu rennen. Carlos wäre ein toter Mann, wenn nicht das Mädchen rasch entschlossen die Hand des In- triganten mit einem Florctlstiche durchbohren und ihn so kampstmfähig machen würde. Obendrein ist sie verliebt in Carlos. verzichtet aber, da die Sache allzu aussichtslos, voll Großmut und plaudert aus, daß der Onkel ihm seine Millionen vermachen werde. weshalb, erniutigt, der zaghafte und cdel-stolze Jüngling endlich seinen Antrag stellt. So gelangt Magdalena zu ihrem Bräutigam, der Oukel zu einem neuen Glauben an die Menschheit. Eine ängst- liche Tante, die BeatrizeS übertemperamentvollen Zärtlichkeits- ausbrüche fortwährend in Schrecken halten, hat für die komischen Effekte zn sorgen. Von den Darstellern, die sich für diese steifen Nichtigkeiten einsetzen mußten, bewahrten Herr Beckmann und Asta Hill er gute Laune.— dt, Notizen. — Künstlerische Vorlesungen veranstaltet der Verein Theaterreform in seiner Schauspielkunstschule sChar- lottenburg, Schlüterstr. 17 II) an jedem Mittwochabend von S'/a Uhr an. Eintrittskarten unentgeltlich durch den Generalsekretär des Vereins, Herrn V. Müller-Metternich, Französischestr. 24, und im Bureau der Schule, Schlüterstr. 17.— — Herbert Eulenbergs neuestes Stück„ F ü r st Ulrich" ist vom De titschen Theater zur Aufführung ange- nommen worden.— —„König Saul", ein fünfaktiges Trauerspiel von Eber- hard König, wurde vom Bremer Stadttheater zur Auf« führung angenommen.— —„Reckt", drei Einakter von Friedrich Elbogen, wurden im Wiener Bürgertheater sehr beifällig aus- genommen.— — Rudolf Herzogs„Condottieri " erzielten im Koburger Hoftheater einen durchschlagenden Erfolg.— —„Das gefesselte Leben" ist der Titel einer einaktigen Komödie von Adorf L a n tz, die vom Hoftheater in Mann- heim zur Aufführung erworben wurde.— —„Der Gott der Rache" betitelt sich ein neues Stück, das der russische Jargonschriftsteller Schalom Asch soeben voll« endet hat.— — NewDork hat 7S Säle, in denen täglich Theater ge- spielt wird.— — Das Lortzing -Theater bringt am nächsten DoimerS- tag zum ersten Male den„Barbier von Sevilla " zur Auf« führung. Die Titelrolle singt Direktor Garrison.— —„Mondeszauber", eine einaktige Oper von Georg Rieinschneider, wird in der K o in i s ch e n Oper zur Urauf- führung kommen.— — Die Erhaltung des Berliner Opernhauses ist, wie auf dem Brannsckweiger Tage für Denkmalpflege vom Vor- sitzenden Dr. v. Oechelhäuser mitgeteilt wurde, beschlossene Sache. Für das neue Opernhaus soll ein anderer Platz in Aussicht ge- nommen werden.— — Die Ausstellung der Sezession wird noch bis zum Sonntag, den 7. Oktober geöffnet bleiben.— — Die Bayerische Jubiläums- Landes- Aus- stellung in Nürnberg soll am 15. Oktober geschlossen lverden.— — Ein Museum d e S römischen Mittelalters soll in Rom errichtet werden.— — Eine unterirdische Toten st adt ans der Sabincr- zeit wurde bei T e a n o(unwert Neapel ) entdeckt.— — Fünf Millionen Mark zur Bekämpfung de? A l k o h o l i s m u s hat der verstorbene John Crowle in London , einer der Direktoren der Temperenz-Nestaurationsgesellschaft„Slater", gestiftet.— Vcrantivortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin.— Druck u, Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.VcrlagSaustaltPaul Singer LeEo.,BerlinLW»
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23 (2.10.1906) 190
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