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Mrs. Jukniene war ein vertrocknetes Weibcjen mit einem verschrumpelten Geficht. Ihr Heim war unglaublich unsauber. Durch die Vordertür konntest du wegen der Matraßen über­haupt nicht eintreten, und wenn du versuchtest über die Hinter­treppe zu kommen, fandest du den größten Teil des Flurs mit alten Kisten verbarrikadiert, um für ihre Hühnerzucht einen Platz zu schaffen. Um die Wahrheit zu sagen sie hatte es vollständig aufgegeben, irgend etwas rein zu machen, seitdem elf ihrer Mieter, als ein Anfall von Rheumatismus sie über acht Tage ans Zimmer gefesselt, ohne Miete zu zahlen ausgerückt waren, um ihr Glück in Kansas City zu versuchen. Es war jetzt Juli, und die Felder mußten grün sein. Aber in Padingtown sah man keine Felder, und über­Haupt nichts Grünes ; doch konnte man auf das Feld hinaus­

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Hinter diesem Tümpel stand ein Ziegelhof mit rauchen­Sen Schornsteinen. Erst nahmen sie die Erde, um Ziegel daraus zu machen, dann füllten sie die Löcher mit Unrat, ein Verfahren, das Jurgis und Ona sehr vorteilhaft fanden und sehr charakteristisch für ein so unternehmendes Land wie Amerika . Weiter hinten war eine andere große Grube, die geleert aber noch nicht wieder gefüllt war. Sie enthielt Wasser, das den ganzen Sommer dort stand, dicht neben der Kehrichteinrichtung.

( Fortfehung folgt.)

( Nachdruck verboten.)

gehen und das grüne Land fehen, ja ländliche Ruhe genießen, Auf der griechischen Eisenbahn.

wenn man mit dem Frachtwagen hinausfuhr.

So war das Heim beschaffen, das die neuen Ankömm­linge begrüßte. Es war nichts Besseres zu haben, sie konnten es sich ersparen, weiter zu suchen, denn Mrs. Jukniene hatte wenigstens ein besonderes Zimmer für sich und ihre drei Kinder, und machte jetzt den großmütigen Vorschlag, es mit den Frauen und Mädchen der Gesellschaft zu teilen. Betten fonnte sie aus zweiter Hand in der Nähe bekommen, aber fie würden kaum welche gebrauchen, so lange es so heiß war, erklärte sie. In solchen Nächten wie diese konnten sie alle im Seitengange schlafen; die meisten der Gäste taten das. ,, Morgen," sagte Jurgis, als sie allein waren, morgen werde ich Arbeit bekommen, und Jonas vielleicht auch. Dann können wir uns einen eigenen Platz suchen."

Später, am Nachmittag, gingen er und Dna aus, um einen Spaziergang zu machen und sich die Gegend anzusehen, welche ihre Heimat sein sollte. Im Rücken der Höfe standen die Holzhäuser zerstreuter und es gab da größere leere Pläße, die wahrscheinlich nur übersehen waren bei dem Bau der Stadt, die sich über die Fläche der Prairien ausbreitet.

Diese leeren Plätze waren mit schmutzigem, gelbem Gras bewachsen und bildeten den Stapelplatz für unzählige Tomatenbüchsen. Eine Unmasse Kinder spielten dort, jagten einander, schrien und balgten sich. Das bemerkenswerteste in der Gegend war wohl die Unzahl Kinder. Du könntest denken, daß sie gerade aus einer Schule gekommen wären, und erst bei näherer Bekanntschaft wird es dir klar, daß da keine Schule ist, sondern daß alle Kinder in die Nachbar schaft gehörten, daß in Packingtown überhaupt überall so viel Kinder sind nirgend in den Straßen konnte ein Pferd oder ein Wagen schneller als im Schritt vorwärts kommen. Man konnte auch ohnehin, dank dem Zustande der Straßen, nicht eilig fahren. Die Straßen, durch welche Jurgis und Ona famen, glichen mehr einer topographischen Miniatur landkarte als Straßen. Der Fahrweg war gewöhnlich einige Fuß tiefer als das Fundament der Häuser, die zuweilen von hohen Fußwegen begrenzt waren. Pflaster gabs nicht, aber Verge und Täler, Flüsse, Bäche und Höhlen und Tümpel mit stinkendem grünem Wasser. Darin spielten die Kinder und rollten im Staub der Straße umher. Hier und da gruben sie im Schmutze, auf der Suche nach Trophäen, über die sie gestolpert waren.

Man wunderte sich darüber, mehr aber noch über die Schwärme von Fliegen, die tatsächlich die Luft verdunfelten, und den seltsamen giftigen Geruch, der unsere Rasen belei digte, einem unheimlichen Geruch von allen faulenden Dingen der Welt. Frugen etwa die Besucher, woher dieser Geruch stamme, dann erklärten die Bewohner ruhig, daß dieses Land der Aufbewahrungsort sei für alle Abfälle der Stadt. Nach furzer Fahrstrecke sei der Häßliche Anblick verschwunden, wurde versichert, jetzt cber bei heißem Wetter, und vorzüglich, wenn es regnete, seien die Fliegen unausstehlich. Ist es nicht ungefund?" fragte dann wohl der Fremde, und der Ein­wohner antwortete:" Vielleicht, aber wer kann dagegen etwas

tum?"

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Auf ihrem weiteren Wege famen Jurgis und Ona zu ihrem Erstaunen an den Ort, wo das Kehrichtland für seinen Zweck zurecht gemacht ward. Es wurde eine große Grube ge­graben, vielleicht so groß wie zwei Häuſergevierte. Dahinein frochen lange Reihen von Kehrichtwagen. Es stan auf dem Plaze unsagbar, und doch war er mit Kindern angefüllt, welche vom Morgen bis Abend darin herumstöberten. Einige Besucher der Schlachthäuser famen zuweilen, um sich den Tümpel anzusehen, standen und beratschlagten, ob die Kinder ihre Nahrung erhielten oder sie sich lediglich suchten, aber niemand versuchte je, sich genau darüber zu informieren.

In den letzten Tagen brachte der Telegraph aus Athen die Kunde, daß sämtliche Angestellte der Piräus - und Peloponnesbahn in den Ausstand getreten feien, und der Betrieb auf diesen Linien gänzlich ruhe. Das klingt recht modern, recht zeitgemäß. Nur muß man die Verhältnisse im südlichsten Teile der Balkanhalbinsel nicht mit demselben Maßstabe messen, den wir bei uns anzulegen ge­wohnt sind. Auch zwischen Eisenbahn und Eisenbahn besteht ein der Hellenen erinnern start an die berüchtigte Romantik von Wild­Unterschied. Und alle Einrichtungen auf diesem Gebiete im Lande west.

Die vom Ausstand betroffenen Bahnlinien weisen eine Gesamts länge von 670 Kilometer auf. Ihre bedeutendsten Einzelstrecken sind: Biräus- Athen- Korinth- Patras- Kavaffila-- Pyrgos( 330 Kilo meter), Kavaffila- Kyllene( 16,5), Korinth- Argos- Bilali- Kalameta polis( 5 Kilometer), Pyrgos- Olympia( 20,5 Kilometer), Pyrgos­( 237 Kilometer), Argos- Nauplia( 11 Kilometer), Bilali- Megalo Katakolon( 13 kilometer), Linzi- Bartholomion( 10 Kilometer), Asprokoma- Nisi( 4 Kilometer) und die Bahnradbahn Siakophton­Kalavryta( 23 Kilometer). Alle diese Bahnstrecken arbeiteten noch vor furzem mit erheblichem Defizit und werfen auch heute noch faum nennenswerte Ueberschüsse ab.

mich von Korfu nach Batras gebracht, wo ich zum erstenmal den Es war im Sommer dieses Jahres. Das Dampfschiff hatte Boden des griechischen Festlandes betrat. Meine Erwartungen waren gespannt- trog der vielen warnenden Erzählungen, die ich unter­wegs von berufener und unberufener Seite hatte anhören müssen. In meinem Kopf sputte noch von der Schulbank her das Märchen von einem wunderbaren Zauberlande, überspannt von einem ewig blauen Himmel und überleuchtet von der lachenden Sonne Homers .

Und nun lag Patras vor mir. Um den Hafen baute sich die Stadt auf. Amphitheatralisch schoben sich ihre Straßen und Gassen mäßigen Höhen hinauf. Kleine, nicht gerade ärmlich ausschauende Schienenftrang lief. Ein längerer Aufenthalt in Batras lag nicht in Häuschen säumten die breite Hafenstraße, über die ein doppelter meinem Reiseplan. Zur Besichtigung der Stadt genügten die drei Stunden, die mir bis zum Abgang des Zuges, der mich nach Athen bringen sollte, übrig blieben.

Vor

Bis Patras hatte ich mich mit einem Billett versehen. Nun hieß es, ein neues zu lösen, was bei meinen ungenügenden Sprach­fenntnissen mit ziemlichen Schwierigkeiten verbunden war. allen Dingen mußte aber erst der Bahnhof, und in diesem die Billettausgabe ausfindig gemacht werden.

und ich verstand niemand. Man wies mich von Pontius zu Pilatus . Ich fragte und man antwortete mir. Man verstand mich nicht Endlich stand ich vor einer geräumigen, schmutzigen Bretterbude, die ehemals braun angestrichen gewesen sein mochte. Ich mußte an die fibirischen Kolonistenhäuser denken, wie ich sie aus den Schilderungen russischer Verbannter kannte. Und durch die Tür dieses Holzhauses flutete ein dichter Menschenstrom, lachend, lärmend, und auch mich mit fich fortreißend.

falten, schuppenartigen Raum. Gelbe Fahrpläne, mit griechischen Num lag die Tür hinter mir. Ich befand mich in einem hohen, Lettern bedruckt, flebten an den Wänden. Kein Tisch, feine Bank in dem ganzen Raum. Nur in der einen, halbdunklen Ecke eine Art Schilderhaus. Dorthin drängte die Menge. Das mußte also der Billettschalter sein.

Ich hatte mich nicht getäuscht. Ein schwarzbärtiger Mann be­forgte den Schalterdienst. Er faß auf einem Holzschemel, hatte Wefte und Jacke aufgeknöpft, daß die braune, behaarte Bruſt aus dem knopflosen Hemde herausschaute. Auf den Knien hielt er einen mäßig großen, in Fächer geteilten Holzkasten. Darin lagen die Billetts. Ein an einer Ede befindliches Fach aber diente zugleich als Geldkasten.

An diesem Mann zogen wir vorüber. Jeder nannte sein Reise­ziel und die Wagenklasse, in der er zu fahren beabsichtigte, der Billettverkäufer nannte den Preis und kramte, nach Entrichtung des Fahrgeldes, das Billett aus einem der Fächer. Das große Kupfer­genutzten Drachmenscheine gingen hin und her. geld flapperte und die schmierigen, bis zur Unkenntlichkeit ab­

Das Billett hatte ich nun glücklich. Jezt aber galt es, den Bahnsteig zu finden, auf dem mein Zug einfahren sollte. Ich rannte hin und her: nirgends auch nur die Spur von einer Bahnhofshalle!