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Weder eine Treppe, die in die Höhe, noch eine, die in die Tiefe| Dann rollen sie sich ihre Zigarette. Aus frümligem, in einem un führte. appetitlichen Papierfeßen aufbewahrtem Tabat.
Sollten die Leute recht haben, die alle wieder aus derselben Tür hinausströmten, durch die ich in das Bahnhofsgebäude hinein gekommen war? Ich folgte der Menge. Bald war ich wieder auf der freien Straße, zwischen Bahnhofsgebäude und Hafenplag. Es war jene Straße mit der doppelten Gleisanlage.
Hart am Gleis hatten sich die Menschen aufgestellt. So standen fie mit ihren Körben und Kisten, mit ihren blutigen Hammelvierteln, mit ihren Geflügelbehältern und ihren großen irdenen Tonkrügen. In weißen, weit vom Körper abstehenden gefältelten Röcken standen fie da, in blauen, bauschigen Bluderhosen, und in Anzügen, die die Kunstfertigkeit eines ehrbaren, zentraleuropäischen Schneidermeisters verrieten. Wo aber so viele Menschen standen, die ihre Billetts in der Hand hielten, da mußte so faltulierte ich- - unbedingt der Bahnsteig sein. Richtig. Es währte gar nicht lange, da ratterte und knatterte etwas vom Zollamte her. Eine Lokomotive, und hinter ihr eine ganze Reihe von Eisenbahnwagen wurde sichtbar. Auf offener Straße, ohne Abzäunung, ohne jegliche Schutzvorrichtung fuhr das einher. Meckernd sprangen rechts und links ein paar Ziegen zur Seite und die Marktweiber machten etwas größere Schritte als gewöhnlich.
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Dicht vor unseren Nasen, auf offener Straße, hielt der Zug. Ein Schaffner postierte sich mit einer mächtigen Holztafel, auf der Batras" geschrieben stand, in die Nähe der Lokomotive und marfierte so die Station. Wie bei uns zu Lande die Elektrische auf offener Straße hält, so hier die Eisenbahn. Und das alles in der atveitgrößten Stadt Griechenlands , einer Stadt, die nahezu 50 000 Einwohner zählt!
Eine vierte Wagentlasse tennt die griechische Eisenbahn nicht. Wer Sad und Pack trägt, schiebt sich deshalb in ein Abteil dritter Klasse. Auch meine Fahrkarte wies mich dorthin. Ich stieg ein.
Und all diese Aermlichkeit und all dieser Schmuß inmitten einer lachenden Landschaft. Hart am Ufer des Golfes von Korinth geht der Schienenweg. Leuchtend und still liegt das Meer. Ein paar Segler schaukeln auf ihm. Ein blauer Duft umhüllt die Berge Bootiens. Wie ein Riese redt der Barnaß sein schneebedecktes Haupt aus der Reihe der Felszacken. Die Hügel Achajas stehen grün und goldig übersonnt. Katteenhecken hegen die Weine gärten ein. Die Stachelpalmen blühen in großen, weißen Riesentrauben. Blütenschimmer leuchtet von den Zweigen des Myrtengebüsches. Wilder Oleander wuchert am Strande. Spärlich sind die Menschen gefät: die Weinbauern, die Fischer, die Ziegenhirten Hier und da ein Dorf. Hütten aus graubraunen, an der Sonne gebrannten Lehmziegeln. Armselig und verfallen jedes Bild. Und wie die Dörfer, so die Städte: Korinth , Mogara, Eleusis . Bis nach Athen immer das gleiche: dieselbe Armseligkeit und Erbärmlichkeit auf jeder Station. In schmutzigen Lumpen gehüllte Bahnangestellte öffnen und schließen die Türen der Wagenabteile. In dichten Wolfen wirbelt der Staub durch die geöffneten Fenster und setzt sich fest an Decke und Boden, an Siz und Wänden der Coupés.
Die aber, die jahraus, jahrein für Hungerlöhne den Betrieb der griechischen Bahnen einigermaßen lebensfähig erhalten, die in schmutzstarrenden Lumpen ihren Dienst versehen, die Leben und Gesundheit im aufreibenden Tagewerk stündlich aufs Spiel seßen, wollen ihr menschenunwürdiges Joch fortan etwas weniger drückend gestalten: sie sind in den Ausstand getreten. Die Bahn hat ihren Betrieb einstellen müssen. Mögen die mutigen Streiter fiegreich aus ihrem Kampfe hervorgehen! L. Lessen.
Kleines feuilleton.
Ein furchtbarer Duft wehte mir entgegen. Schweißgeruch, von Mastirschnaps und Knoblauch geschwängerte Luft. Ein dicker Dunst schwelte durch den mit Menschen vollgepfropften Raum. Wohl waren die Fenster auf beiden Seiten geöffnet. Allein das Aroma der Wagentlasse ließ sich nicht bannen. Es klebte an den schmußstarrenden Wänden, es hatte den mit Speichel und Sand übertünchten Fußboden durchtränkt und es atmete aus Haar und Kleidung der Wageninfassen. Der Duft einer Zigarette war Erquidung in dieser Atmosphäre. Allein in der langen Dauer der Eisenbahnfahrt- 25 Stilometer in der Stunde ist schon eine schöne Leistung für die Geschwindigkeit einer griechischen Eisenbahnstraße bildete, wie Broering in seinem Buche„ Das Saterland " aftlimatisierte man sich. Bald war man gewöhnt an Knoblauchsduft, an Hammelfett, an Schmutz und Mastirschnapsgeruch. Primitiv sind diese Eisenbahnwagen! Ganze Fensterscheiben gehören zu den Seltenheiten. Fugen und Risse klaffen in den Wänden. Durch Löcher und ausgebrochene Stellen im Fußboden kann man die Beschaffenheit der Erde studieren, über die der Wagen rollt. Aborte weisen nur die Luruszüge auf. Und wie das Wagenmaterial, so sind die sämtlichen Eisenbahneinrichtungen längs des ganzen Schienenweges zwischen Patras und Athen . Besaß schon die große Hafen- und Handelsstadt Patras nichts von dem, was man nach unseren Begriffen mit einem Bahnhofsgebäude oder einer Bahnhofshalle bezeichnen könnte, so nahm das Fehlen derselben auf den kleineren Stationen der Strede( mit zwei oder drei Ausnahmen) gewiß kein Wunder. Meist waren nur primitive Holzbuden an der Haltestelle aufgebaut. Aus diesen Buden kam der Stationsbeamte und der Postbote. Postbote ist nun zibar etwas viel gesagt; denn den Dienst eines Postbeamten versahen fast durchweg in feinerlei Uniform steckende, zerlumpte und wenig Vertrauen erweckend aussehende Jünglinge. Die brachten die Briefe zur Bahn und holten die für den jeweiligen Ort bestimmten vom Zuge ab. Vor den Augen des gesamten fahrenden Publikums musterten sie dann jeden. Brief, jede Karte, besonders aber jede Ansichtskarte. Und es soll denn auch nicht zu den Seltenheiten gehören, daß in Griechenland abgesandte, besonders schöne Ansichtskarten ihren Adressaten nicht finden.
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w. Die Saterländer . Das Saterland erstreckt sich zu beiden Seiten der Sater Ems an der westlichen Grenze des Herzogtums Oldenburg . Die gesamte Fläche beträgt gegen 15 000 Hektar. Bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts war das von allen Seiten mit unwirtbaren Moorflächen umgebene Ländchen fast von aller Verbindung mit den Nachbarländern abgeschlossen. Die einzige Verkehrsschreibt, die Sater Ems; ein sonstiger Verkehr war nur im harten Winter möglich, wenn das Moor fest gefroren war. Jezt führen gut befahrbare Wege quer durch die Hochmoore und verbinden die Dörfer des Saterlandes mit der Umgebung. Auf die Bewohner paßt noch heute die Charakteristik, welche vor mehr als vierzig Jahren im Friesischen Archiv" von ihnen entworfen wurde. Was gefunden Menschenverstand anbetrifft, so sind sie trotz der Abgeschlossenheit, in der sie Jahrhunderte hindurch gelebt haben, ihren Nachbarn weit überlegen. Man trifft bei ihnen eine Schärfe des verstandes und ein gesundes Urteil, wie man es nicht von Leuten erwarten sollte, die unter folchen Verhältnissen aufgewachsen sind. Die Saterländerinnen haben zum Teil noch jenen altgermanischen Typus bewahrt, den ihre Vorfahren zu Tacitus ' Zeiten hatten, mit edleren Gesichtszügen und frischeren Farben als ihre Nachbarn, die alle zum sächsischen Stamme gehören. Das Haar ist vielen hellblond oder vielmehr hellgelb, die Augen hellblau. Unter denjenigen Saterländerinnen, in deren Adern unverfälschtes friesisches Blut strömt, findet man wahrhaft herkulische Gestalten, die man für Nachkommen der alten nordischen Necken halten könnte. Von drei Schwestern in Ramsloh, die sich diesen alten Typus bes wahrt hatten und alle drei über sechs Fuß maßen, lebt noch eine. Nicht so unverfälscht hat sich das männliche Geschlecht erhalten. zeigt fast durchgehend dunklere Farben als das weibliche, aber wenn die Männer auch in dieser Beziehung ihren Nachbarn gleichen, so haben sie doch vor ihnen eine kräftigere, gedrungenere Gestalt, muskulösere Glieder und ein Auge voraus, das eine höhere Intelligenz erkennen läßt. Wenn die Frauen durch ihr Aeußeres ihre friesische Abkunft beweisen, heißt es im Friesischen Archiv", so zeigen die ihre sie durch Liebe zur Freiheit, durch ihren alles, was wie Bedrückung aus unbegrenzten Haß gegen ſieht, und durch die Zähigkeit, mit der sie an ihren alten VorSaterländer hervor, nämlich ihre Sucht, anderen Leuten etwas rechten hängen. Broering hebt noch eine Eigentümlichkeit der Fremden zum Opfer, da die Einheimischen sich gegenseitig durch weiszumachen( wismakjo). Namentlich fallen dieser Sucht die schauen und deshalb nicht so leichtgläubig find. Dieser Neigung der
Männer
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Die griechischen Bahnhofsanlagen spotten, wenigstens soweit die kleineren in Betracht kommen, eigentlich jeder Beschreibung. Der einzige Komfort, den sie aufweisen, ist der Stiefelputzer mit seinem Wichskasten, seinen Schmieren, Bürsten, Lappen und Cremefläschchen. In irgend einer Ecke des Warteraumes hat er sich etabliert und liegt mit peinlichster Sauberkeit, die man sonst in Lande der Hellenen fast ständig vermißt, für fünf Lepka seinem Geschäft ob. Aber das ist auch alles! Kein Tisch, kein Stuhl, kaum eine Holzbank. Alles, was die Behaglichkeit des Innenraumes anbetrifft, scheint in diesem Sonnenlande absichtlich außer acht gelassen zu sein. Ein paar Bahnbeamte sind in unser Coupé gekommen. Ihre Bewohner des Ländchens zum Aufschneiden ist es wohl besonders schmutzigen, zerlumpten Uniformen lassen weder Farbe noch Schnitt mehr erkennen. Schwarz und verwildert wuchert ihnen der Bart um Kinn und Backen. Ihre dunklen Augen haben etwas Stechendes. Hunger und Sorge haben tiefe Falten um ihre Mundwinkel gegraben. Aus den Taschen ihrer fettigen Litewka ziehen sie faustgroße Stücken von gelblichem Weißbrot, das aus Maismehl gebacken ist. Der eine spaltet einen Kopf Knoblauch in drei Teile. Für jeden der Kameraden ein Stück. Einer von den dreien hat ie. Landwirtschaft im Meere. Die Bewohner einiger Küstennoch einen Schlud Mastig in der grünen Flasche. Der macht die striche der japanischen Inseln betreiben in der Strandzone des Meeres Runde und spült die letzten Bissen der frugalen Mahlzeit hinunter. eine Industrie, die man am ehester als eine Art von Landwirtschaft
zuzuschreiben, daß die lächerlichsten Dinge über sie berichtet und geglaubt werden, so z. B., daß sie sich beim Essen um einen großen, in der Mitte mit einer tiefen Höhlung versehenen Tisch setzten und Staffeetrinken über dem Tische einen Faden mit einem daran befindaus dieser Schüssel mit hölzernen Löffeln ihren Brei essen, daß man beim lichen Buderklumpen anbringe, der dann aus einem Wunde zum anderen wandere usw.