eine so schone FarNenzusammenstellung. daß er selbst bei Mondschein Eindruck machen mußte. Im Mittelpunkt stand ein Haus, wunderbar bemalt, neu und entzückend. Das Dach war in Purpurfarbe gehalten und mit Gold eingefaßt, das Haus in Silber, die Türen und Fenster rot. Es hatte zwei Stockwerke mit einer Halle an der Vorderseite, mit Arabesken an den Ecken. Es war bis auf die kleinsten Details fertig. Sogar eine Hängematte hing in der Halle und Spitzen- vorhänge an den Fenstern. Unter dem Hause in der einen jEcke sah man das Bild eines sich liebevoll umschlungen halten- den Paares. In der anderen Ecke eine Wiege, mit leichten Gardinen verhüllt und von einem Cherub mit silbernen Flügeln beschützt. Und aus Besorgnis, daß selbst so noch die Bedeutung des Bildes nicht gleich herausgefunden werden könnte, war noch eine Aufschrift vorhanden in Polnisch , Litauisch und Deutsch: Dom! Namai! Heim! Warum Miete bezahlen? fragte das künstlerisch ent- worfene Zirkular. Warum nicht ein eigenes Haus haben? Weißt du, daß du für weniger als deine Miete dir ein Haus kaufen kannst? Wir haben Tausende von Häusern gebaut, die alle von glücklichen Familien bewohnt werden. Also beredt malte der Zettel die wohlfeilen Freuden des ehelichen Lebens im eigenen Hause aus. Er zitierte: Bome, sweet Home, und machte einen Versuch, das Lied ins Polnische zu übersetzen. Das Litauische hatte er aus irgend eineni Grunde ausgelassen. Vielleicht hatte der Uebersetzer es zu schwierig gefunden, elegisch in einer Sprache zu reden, welche den Seufzer xukmojiinas nennt und ein Lächeln nusiss�pso- jirnas. Ueber dieses Dokument grübelte die Familie lange nach, während Ona den Inhalt herausbuchstabierte. Es schien, daß das Haus vier Zimmer enthielt außer dem Keller, und daß es mit Grund und Boden für löOO Dollar erstanden werden konnte. Nur 300 Dollar brauchten angezahlt zu werden, der Rest war in Raten von 12 Dollar für jeden Monat abzutragen. Das waren erschreckend hohe Summen, aber sie befanden sich ja in Amerika , wo die Leute ohne Angst von solchen Summen sprachen. Sie hatten erfahren, daß sie für eine Wohnung eine Miete von 9 Dollar im Monat zu bezahlen haben würden, wenn die Familie von 12 Personen sich nicht mit einem oder zwei Zimmern begnügen wollte. Wenn sie aber Miete bezahlten, so würden sie immer weiter zahlen müssen und niemals besser daran sein. Wenn sie da- gegen zuerst nur die Anzahlung erschwingen konnten, so würde zuletzt eine Zeit kommen, wo sie Zeit ihres Lebens keine Miete mehr zu bezahlen brauchten. Sie fingen an zu rechnen. Es war da ein kleiner Rest von Teta Elzbietas Gelde, Iurgis besaß eine Kleinigkeit und Marija hatte 50 Dollar in einem Strumpfe. Großvater hatte noch einen Teil von dem Gelde. das er für seine Bauern- Wirtschaft erhalten hatte. Wenn sie alles zusammenlegten, reichte es für die Anzahlung, und da sie ja Arbeit hatten, so brauchten sie sich um die Zukunft nickt zu sorgen. So schien die Sache günstig. Natürlich war es noch eingehend zu über- legen, ja es müßte bis zum äußersten Ende untersucht werden. Wenn sie's aber wagen wollten, dann war's je eher je besser. Mußten sie nicht die Miete bezahlen?— und lebten dafür doch in elender Weise! Iurgis war an Schmutz gewöhnt. Einen Mann, der mit einer Eisenbahnbande zusammen ge- arbeitet und in seiner Schlafkammer die Flöhe händevoll ge- funden hatte,— den ficht nichts mehr an. Aber um Onas willen mußte es anders werden. Sie nmßte irgendwie und zwar sehr bald eine bessere Wohnung haben—- das sagte Iurgis mit der Sicherheit eines Mannes, der eben in einem Tage einen Dollar und 57 Cent verdient hat. Iurgis vcr- stand es nicht, warum so viele Leute im Distrikt bei den hohen Löhnen in der elenden Weise lebten, wie sie es taten. Am anderen Tage ging Marija zn ihrer Vorarbeiterin. Ihr ward aufgegeben, ihre Arbeit bei einem Büchsenmaler zu erlernen. Marija ging laut singend heim und kam gerade recht, um sich Ona und ihrer Stiefmutter anschließen zu können, die Erkundigungen über das Haus einziehen wollten. Abends statteten die drei den Männern Bericht ab. Die Sache war genau so, wie das Zirkular es angegeben hatte. So hatte wenigstens der Agent versichert. Die Häuser lagen nach Süden, zirka anderthalb Meilen von den Höfen entfernt; sich eins von ihnen zu kaufen war ein vorteilhafter Handel — sagte der Agent—, er riet dazu in ihrem eigenen In- teresse, nicht in dem seinen. Er konnte das ttin, erklärte er, weil er gar keinen Vorteil aus dem Geschäft hatte; er war ja nur Agent der Baugesellschaft. Es handelte sich um die letzten Häuser und die Gesellschaft wollte sich auflösen. Wenn also jemand noch den Vorteil von diesem herrlichen uneigen- nützigen Plan genießen wollte, so müßte er rasch zugreifen. Eigentlich war der Agent sogar im Ungewissen, ob überhaupt noch ein einziges Haus zu haben sei. Die Häuser würden viel besehen, die Gesellschaft konnte also das letzte auch schon verkauft haben. Als er Teta Elzbietas augenscheinlichen «Kummer über diese Nachricht bemerkte, fügte er nach einigem Zögern hinzu, daß er, wenn sie wirklich einen Kauf beabsich- tigten, auf eigene Kosten eine Telephonnachricht an die Ge- sellschaft senden und für sie die Hand auf ein Haus legen werde. So war denn die Sache endgülttg erledigt; am folgenden Sonntagmorgen sollten sie sich zur Besichtigung des Hauses einstellen. An jedem Tage der Woche arbeiteten die Schlachter bei Browns mit vollem Hochdruck. Iurgis verdiente jeden Tag 1 Dollar 75 Cents. Das machte in der Woche 10� Dollar, im Monat 45 Dollar. Iurgis konnte so weit ja nicht rechnen, aber Ona war sehr hell in solchen Sachen und löste das Exempel für die Familie. Marija und Jonas konnten beide 16 Dollar im Monat zahlen; der alte Mann blieb dabei, daß er dasselbe tun könnte, sobald er eine Stelle be- käme— es konnte morgen schon sein. Das machte 93 Dollar. Wenn dann Marija und Jonas ein Drittel der Raten- abzahlung übernahmen, so brauchte Iurgis nur 8 Dollar im Monat zu stellen. Dann würden sie 85 Dollar im Monat zu verzehren haben oder, gesetzt den Fall, Dede Antanas bekam nicht gleich eine Stelle— 70 Dollar im Monat— was sicherlich zum Unterhalt einer Familie von zwölf Personen ausreichte. Eine Stunde vor der Zeit setzte sich am Sonntagmorgen die ganze Gesellschaft in Bewegung. Sie hatten die Adresse auf ein Stück Papier geschrieben, das sie zuweilen einem Passanten zeigten. Tie anderthalb Meilen wiesen sich als recht lange Meilen aus, aber sie kamen schließlich an Ort und Stelle: etwa eine halbe Stunde später trat der Agent in Er- scheinung. Er war ein freundlicher, lebhafter Herr, elegant gekleidet, der gewandt mit ihnen ihre Heimatsprache reden konnte, was ihm sehr zum Vorteil bei diesem Handel gereichte. Er führte sie zu dem Hanse, einem jener typischen Holz- Häuser, bei denen Architektur ein entbehrlicher Luxus zu sein schien. Onas Freude bekam einen Stoß, denn das Haus stellte nicht entfernt das vor, was das Bild versprach. Der Anstrich war anders, und dann erschien es auch nicht so groß. Aber, es war frisch gestrichen und repräsentierte sich nickst un- vorteilhaft. Alles war neu, versickerte der Agent; er sprach ununterbrochen, daß sie ganz verwirrt wurden und gar keine Zeit fanden, viel zu fragen. Sie hatten sich vorgenommen, sich über allerlei zu erkundigen, doch sie vergaßen es oder fanden den Mut nicht dazu. Die anderen Häuser in der Reihe schienen nicht neu zu sein und nur wenige von ihnen waren bewohnt. Als sie aus diesen Umstand hinzudeuten wagten, versicherte ihnen der Agent, daß die�Käufer binnen kurzem einziehen würden. Näher aus die Frage eingehen, hätte wie Zweifel an seinem Wort aussehen können, und keiner von ihnen hatte je im Leben mit einer Person der Klasse, genannt„Gentleman", anders als mit Demut und Erfurcht gesprochen. Das Haus hatte einen Keller, der ungefähr zwei Fuß tiefer als die«traße lag. und ein einziges Stockwerk, etwa sichs Fuß darüber, das durch eine Treppe erreichbar war. Dazu kam ein Oberstübchen unter dem Dache mit einem Fenster an jedem Ende. Die Straße vor dem Hause war un- gepflastert und ohne Beleuchtung; die Aussicht aus den Fenstern ging auf ähnliche Häuser, die hier und da zerstreut lagen. Dieses Haus enthielt innen vier weißgetünchte Zimmer, der Keller war eigentlich nur ein Facknverk. die Mauern un- geputzt; Fußboden war nicht gelegt. Der Agent erklärte, daß chie Häuser immer so gebaut würden, da die Käufer es ge- wöhnlich vorzögen, sie nach eigenem Geschmack einzurichten. Das Oberstübchen war auch unfertig. Die Familie hatte aus- gerechnet, daß sie unter Umständen dies Oberstübchen �vcr- mieten könnten, aber sie fanden, daß nicht einmal ein Fuß- boden darin war. Nichts als Balken und Latten. Aber alles das ließ ihren Eifer nicht in der Weise erkalten, wie man wohl hätte erwarten können,— dank der Zungenfertigkeit des Agenten. Er konnte über die Vorteile des Hauses kein Ende finden und schwieg keinen Augenblick füll; er zeigte ihnen alles, bis ans die Türschlösser und Fensterhaken, zeigte ihnen den Ausguß in der Küche mit lausendem Wasser und einem Hahn, ein Ding, von dem Teta Elzbieta in ihren
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23 (11.10.1906) 197
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