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reizt, wie an brüdenden Sommertagen, tvenn sich langsam, langsam ein Gewitter zusammenzieht. Seine Nervosität nahm derartig zu, daß er im Geheimen wünschte, es möchte sofort regnen, nur damit seine gespannten Nerven zur Ruhe kämen.
Von dieser Furcht, diesem geheimen Verlangen gefoltert, hatte er feine rechte Freude an dem lachenden Sonnenschein, an den heiteren Landschaftsbildern, die sich vom Coupéfenster aus vor ihm ent
rollten.
Seine Unruhe schwand ein wenig, als er in Meudon in ihrer" Jasminlaube saß und der Kellner ihnen das appetitlich duftende Kaninchenfrikassé serviert hatte. Und dennoch war es Einbildung oder Tatsache?- Das Gericht schmeckte ihm heute weniger gut als gewöhnlich. Doch der kräftige Weißwein, von dem er hastig einige Gläser hinumtergoß, versetzte ihn in andere Stimmung: er begann wieder zu hoffen. Madame Garnier verfehlte nicht beim Dessert zu sagen:" Na, wenn wir nun auf Deinen dummen Barometer gehört hätten?"
Aber da sie von der frischen Luft und ein wenig auch vom Wein berauscht war, sagte sie das gutmütig, ohne jede Schärfe. Beide Arme auf den Tisch geſtüßt, die Gesichter dicht beieinander, plauderten sie, ohne an Ort und Zeit zu denken. Madame war es, die sich zuerst erhob.
Und jetzt in den Wald!"
Sie gingen ins Haus, um die Rechnung zu begleichen und ihre Mäntel zu nehmen. Als sie ins Freie traten, war die Sonne verschwunden und schwarze, dicke Wolken ballten sich unheilverkündend zusammen. Kaum im Walde angelangt, begannen große Tropfen zu fallen.
Wir werden vielleicht gut tun, irgendwo Unterschlupf zu suchen?" schlug Garnier vor. Sie näherten fich einer Köhlerhütte, deren geschwärzte Wände sie durch die Bäume schimmern fahen. Eine gastfreundliche alte Frau lud sie ein, näherzutreten, und hinter den vom Regen gewaschenen Scheiben wohnten sie dem schönsten Platzregen bei.
Madame Garnier war äußerst pitiert darüber, daß ihre Wetterprognose falsch gewesen war, bemühte sich aber trotzdem zu scherzen. Wenigstens tönnen wir doch sagen, wir haben etwas genossen, was im Programm unserer Landpartie nicht vorgesehen war!" Nicht vorgesehen? Von Dir vielleicht nicht, aber von mir dachte Garnier melancholisch.
Obgleich seine Nervenspannung nachgelassen hatte, war er doch nicht glüdlich, Er hatte jegt die Gewißheit, daß sein Barometer ibn in den Stand setzte, jederzeit das Wetter vorauszuwissen. Und das betrübte ihn. Ging ihm doch damit das Vergnügen verlustig, das er früher beim Hoffen auf einen Witterungswechsel empfunden hatte. In Zukunft würde er an einem bewölkten Himmel nicht mehr auf die Sonne warten, und das schöne Wetter würde für ihn nicht mehr den Reiz des Unvorhergesehenen haben.
Der Regen hatte nachgelassen, die beiden Turisten machten sich auf den Heimweg.
Nach Hause zurückgekehrt, tonsultierte Marime seinen Barometer: er stand immer noch auf„ Veränderlich ".
Bah! Eine Probe beteist noch nichts! Vielleicht zeigt er trogdem nicht richtig? dachte er.
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Aber am nächsten Morgen stand die Nadel auf Schönes Wetter", und Garnier raste innerlich, als er in sein Bureau ging. Nachdem er ihn einige Wochen beobachtet hatte, mußte er sich schließlich davon überzeugen, daß der Optiker ihn nicht betrogen hatte: der Barometer war von einer grausamen Genauigkeit. Ihn efelte davor. Am liebsten hätte er vergessen, daß er einen Barometer besaß, und dennoch trieb es ihn jeden Morgen an den Kamin, den Apparat zu befragen.
Er haßte ihn schließlich derart, daß er im geheimen wünschte, er möchte sich doch nur ein einziges Mal irren oder das Mädchen möchte ihn in seiner Abwesenheit fallen lassen.
" Weißt Du, was ich an Deiner Stelle mit dem Barometer machen würde?" sagte eines Tages seine Frau.
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" Run"? fragte er gespannt, zu allen Schandtaten bereit. " Ich würde ihn Tante Sophie zum Geburtstag schenken. Schon lange wünscht sie sich einen, aber es ist ein Traum, den niemals verwirklichen wird, weil sie sich eine solche Lurusausgabe nicht leisten fann. Damit würde ein doppelter 8wed erfüllt: ihr bereitest Du eine Freude und Dir gibst Du Deine gute Laune wieder. Denn ich sehe es wohl, seit dem Anlauf dieses garstigen Barometers bist Du nicht mehr glücklich. Wenn die Nadel auf" Regen" steht, bist Du gereizt, nervös, und auch das schöne Wetter macht Dir keine Freude mehr, da Du es vorausgewußt hast."
Entzüdt pflichtete Garnier seiner Frau bei.
Bum erstenmal begriff er, welch' einen mächtigen Reiz das Geheimnisvolle, welch' starke Anziehungskraft das Unvorhergesehene auf den Menschen ausübt. Er segnete die weise Vorsehung, die dadurch, daß sie das Morgen in den Schleier des Unbekannten hüllte, unsere Enttäuschung verzögern, unsere Freude unberührt er halten wollte.
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Kleines feuilleton.
e. s. Volkskunst. Das Museum für Volfstrachten hat, ba die endgültigen Räume wohl erst nach Weihnachten fertiggestellt sein werden, eine provisorische Ausstellung einer Auswahl seiner besten
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Stüde in der Hinzuziehung neuer Sachen veranstaltet( loster straße 35, geöffnet 10-4). In einem kleinen Raume ist diese Sammlung untergebracht, die viel Sehenswertes birgt. Der Vors zug besteht gerade darin, daß nicht ein Allzuviel, eine langweilige Vollständigkeit hier, wie in manchen anderen Museen herrscht. Aus dem Nachteil, daß die Mittel nicht glänzende sind, ist ein Vorzug gemacht: es find fast nur hervorragende Stüde da, und dieses fleine Elitemuseum sollte namentlich von denen, die kunstgewerblich arbeiten, häufig besucht werden.
Den Mittelpunft der Ausstellung bildet eine Auswahl von Modellhäusern, die die primitive Baukunst illustrieren, wie sie auf Faftoren und die Praxis so ungezwungen berücksichtigt find und dem Lande herrscht. Vorbildlich insofern, als die notwendigen auch das Künstlerische in der Architektur zur Geltung fommt, ir der Form einzelner Teile, vor allem in der Verwendung der Farbe in der Fassade. Da ist ein Bauernhaus aus Westfalen, aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts. 1709 steht über der Tür. Es steht in Nahne bei Osnabrüd. Ein Lehmfachwerkbau mit Strohdach. Ein großer Raum in der Mitte. Das Haus vereinigt alles unter dem Dach, Wohnräume und Ställe, die sich um den freien Mittelraum gruppieren. Die Fassade hat bläuliche Tönung. Das Balkenwerk ist schwarz und grün. Ein alter Ueberrest aus der Heidenzeit zeigt sich in dem Pferdekopf auf dem Dache, dem Zio oder Thr geheiligt. Wie winzig duct sich neben diesem breiträumigen Besit das fleine Fischerhaus, das unter seinem riesigen Strohdach, zum Schuh gegen den Sturm, fast im Erdboden verschwindet. Die Wärme wird hier zusammengehalten. Wenig Fenster, damit die Kälte nicht hereina bringt. Das Häuschen stammt aus Mönchgut auf Rügen . Nach Heffen führt eine splendid angelegte Wassermühle. Aus roten Biegeln gebaut, mit grauem Baltengefüge, macht sie einen reichen Eindruck. Die Fenster sind grün eingerahmt, ebenso sind die Türen grün. Ein Bauernhaus aus Hessen zeigt ein dunkelrotes Ziegela bach, dunkelgeschwärztes Balfenwert. Die Lehmfassade ist in den oberen Teilen mit gemalten Blumen verziert, eine besonders eigenartige Zusammenstellung. Ein Haus aus der Nähe von Berchtesgaden zeigt den oberbayerischen Typus. Es trägt die Jahreszahl 1670. Entsprechend den Gebirgsverhältnissen ist die Bauart verändert. widerstand findet; mit mächtigen Steinen beschwert, damit es nicht Das Dach flach, damit der Wind keinen abgedeckt wird. Der untere Teil ist in Lehm aufgeführt, der obere in Holz. Besonders zierlich wirkt die Zaube, die rings um das obere Stockwerk herumläuft, die oft Bemalung oder Schnitzwerk geigt. Einfach ist wieder der oftpreußische Typus. Eine Art Blockhaus, ganz in Holz, mit Strohdach. Dieser bescheidenen Anlage entsprechend auch flein im Umfange. Einen wohlhabenderen Eins drud macht dagegen das Spreewaldhaus. Es hat geräumige Auss dehnung. Holzfassade, Strohdach. Die Fenster sind weißgerahmt Die eigentümliche Besonderheit besteht hier speziell in der Bauark. Das ganze Haus ist gewissermaßen isoliert. Es ruht auf Stein blöden. Der Bach fließt dicht am Haus vorbei, eine kleine Brüde führt hinüber. An Ausdehnung wird diese Ansiedelung noch über troffen von dem schleswig- Holsteinischen Hof aus der Nähe von Husum . Das große Einfahrtstor liegt nach der Straße. Die breite Diele bildet den Mittelraum, um den sich die anderen Räume grupieren. Ein Ziegelbau mit Fachwerk.
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Von den Möbeln sei besonders auf den oftfriesischen Schrand aufmerksam gemacht, dessen überaus zierliche Ornamentit stilisierte Blumen in feiner und zugleich strenger Anordnung zeigt, so daß immer der Flächeneindrud gewahrt bleibt. Die Schlöffer haben schöne Griffe in Herzform. Dann ist noch ein prächtiger Schrank aus dem Jahre 1575 da, breit ausladend. Die Fächer sind ganz verschieden angeordnet, so daß der Schrank gewissermaßen aus mehreren Einzelbehältern besteht. Die mannigfaltigen Trachten geben dem Ganzen einen farbigen Rahmen. Bunt und sinnvoll ist diese Formenwelt. Leuchtend sind die Farben, doch auch schwer und verhalten. Mit viel Verständnis ist das alles zusammen gefügt. Besonders prächtig, beinahe phantastisch ist das Kostüm einer schlesischen Bäuerin, reich in schwarz und weiß, mit einem rotgelben Umschlagetuch. Eine herrliche Farbenstimmung zeigt ein hessisches Kostüm einer jungen Bäuerin in schwarzer und violetter Seide. An Farbenpracht wetteifert mit diesen Trachten die be sondere Sammlung der Hauben, die prächtig in Gold- und Silbere mustern leuchten, auf blauem Grund, mit violetten Bändern. Reizvoll ist auch der Bauernschmuck, vor allem in den Formen reich und mannigfaltig. Wie auf ein Gewirr feinster Filigran fädchen, die sich zu leichten Mustern verschlingen, Gold oder Silber, die bunten Steine aufgefekt sind, das zeugt von sicherem Geschmac und lebendiger Anschauung.
Für den Architekten wie für den Kunstgewerbler ist diese Bauernkunst von erheblichem Werte. Aber auch der Laie wird hiervon Genuß haben. Jedes einzelne Ding wirkt formfüllig für sich Es ist und braucht teine nachhelfende historische Belehrung. traurig, daß in einer Zeit der unentwegten Denkmäler eine fo wichtige Sammlung solch jämmerliches Unterkommen findet.-
Eine gefährliche Theatervorstellung. Der Frankfurter Bereinigten Stadttheater Effen- Dortmund, Herr Gelling, der im Beitung" wird aus Dortmund geschrieben: Der Direktor der nächsten Jahre die Leitung dieser Musentempel niederlegt, hat jetzk den Versuch gemacht, durch ein hinterlistiges Stückchen das schöne neue Dortmunder Stadttheater schnöde zu entweihen. Her Gelling trat nämlich man denke! wegen Veranstaltung von Ar beitervorstellungen mit den Dortmunder Gewerkschaften in Verbindung. Natürlich wußte dieser verkappte Sozialdemokrat ganz genau, daß ernsthaft christlichgesinnte Arbeiter sich hüten,
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