EiR Theater zu besuchen, das, wie man jetzt noch auf dem Sittlich-keitskongretz in Hannover gehört hat, so viele Gefahren birgt. Diechristlichen Gewerkschaften reagierten denn auch nicht auf dieLockung des Voltsverführers, aber den vom sozialdemokratischenGeiste durchseuchten„freien" Gewerkschaften, auf die das ganzetzlngebot ja auch berechnet war, war das ein„gefundenes Fressen".tzn aller Heimlichkeit verabredete nun Herr Gclling mit den rotenUmsturzleuten eine Arbcitervorstellung. für welche er den„freien"Gewerkschaften zu ganz unglaublich niedrigen Preisen sämtlichePlätze des Stadttbeaters zur Verfügung stellte, so daß fiir wenigeGroschen sich selbst auf den ersten gepolsterten Plätzen in Logenund Sperrfitz, wo sich sonst die würdigsten Mitglieder der Dort-Münder Hautevolee von des Tages Mühe und Arbeit ausruhen,vaterlandslose Gesellen ohne Smoking hätten herumflegeln können.Hätten Z ö n n e n,— sage ich, wenn nämlich nicht der DortmunderMagistrat gewesen wäre, der zum Glück für Dortmund undunser ganze? Vaterland noch rechtzeitig von einem wackeren Jen-trumsstadtverordnetcn auf das frevelhafte Treiben des HerrnGelling aufmerksam gemacht wurde. Und da zeigte es sich wiedereinmal, wie sehr beim Abschluß von Verträgen, besonders bei Ver-trägen mit Theaterdirektoren, die doch meist nicht die sittliche Reifeund Charakterfestigkeit besitzen, wie sie z. B. unser hochverehrterKultusminister Herr v. Studt von den Turnlehrern mit Rechtverlangt, eine weise Vorsicht am Platze ist. Glücklicherweise ent-hielt der Vertrag mit dem Theaterdirektor Gelling einen Para-graphcn, oder vielmehr gleich zwei, auf Grund deren der Dort-mundcr Magistrat die geplante„Arbcitervorstellung" verbietenkonnte. Der Vertrag enthält nämlich eine Bestimmung, wonachdas Theater nicht bestimmten Gruppen oder Vereinigungen zurVerfügung gestellt werden dürfe; außerdem darf der Thcaterdirekwrnicht nach seinem Belieben das Theater zu Schundprcisen freigeben.sondern die Eintrittspreise find vertragsmäßig festgelegt. So istdenn, dank der Weisheit des Dortmunder Magistrats, das Stadt-theater der ehemals freien Reichs- und jetzt über alle Maßen staats-und königstreuen Stadt Dortmund der Gefahr einer sozialdemo-kratiichcn Masieninfektion mit knapper Rot entgangen. Man siehtaber wieder einmal, wie unter dem Vorwand der Hebung derVolksbildung sogar städtische Theater, die unter bchördlicher Oberaufsicht stehen, umsturzlcrischen Zwecken dienstbar gemacht werdensollen. In der„Arbcitervorstellung" sollte nämlich nicht etwa demrichtig verstandenen Bildungsbedürfnis des arbeitenden Volkes ent-sprachen werden durch die Aufführung eines einwandfreien religiösen Stückes oder eines unser Herrscherhaus verherrlicyendenSoldat cnstückes, sondern cS sollte Hebbels„Maria Magdalena" ge-geben werden! Und dazu meinte selbst der im Theater wacheicheFeuerwehrmann, daß diese Stücke mit den Wechsnamen, wieSalome und das andere Frauenzimmer, das nur einen losen Mantelanhatte und darunter ganz nackt war, immer unsittlich seien.Danke» wir also unserem hochverehrten Magisttat für seineWachsamkeit I Hoch! Hurra I Horridohl—Mufik.Komis che Oper. Der französische Komponist Leo De-libes(1836— 1891) fing, wie so viele auch heitere KomponistenFrankreichs, als Organist in einer Pariser Kirche an. Seit 18?übrachte er mehrere Operetten, später komische Opern, unter denen-.Der König Hat'S gesagt" auch bei uns Anklang gefunden hat. Ambeliebtesten wurde er durch seine Ballette, seit 1866;„Sylvia" undganz besonders„Coppelia" gaben ihm den besonderen Ruhm eiueZSchöpfers von tanzartiger Musik im guten Sinne des Wortes.Dann brachte er noch kleinere Werke und war seit 1881 Kam-pofittonsprofessor am Pariser Konservatorium. Verhältnismäßigwenig Anklang hat seine komische Oper von 1883:„La knie", gefunden. Sie arbeitet namentlich mit einem Dust orientalischerRomantik, versteht es ganz wohl, lyrische Stimmung melodröswiederzugeben, erhebt sich aber weder zu einer kunstvollerenthematischen Arbeit noch auch zu der Kunst, dramatische Wendungenjauch als mufikalische Hauptstücke vorzuführen. Immerhin kannjwan fich denken, daß ein Deutscher wie Robert Schumann, oderein Franzose wie Bizet, dem Wohligen und Wohlgefälligen dieserMusik einige Anerkennung gespendet hätte. Vorbeigelungen scheintuns z. B. ein gutgemeintes Duett im ersten Akte zu sein, in welchemdie Tochter eines brahmanischen Priesters sich mit einem enio-pä'schen Eindringling, der sie liebt, zusammenftndet: sie singt mehrrezitativisch in exotischen Tongebildcn, er fingt europäische Ope-rettenttivalttät; schließlich geht ihr Gesang einigermaßen rn diemusikalische Art ihres Partners über, und so findet das einaiwerFremde die gemeinsame musikalische Pointe. Der Inhalt derDichtung ergibt weiterhin das Bemühen des Priesters, den Ein-dringling zu finden und zu strafen. Er verkleidet sich als Bettlerund läßt seine Tochter auf der Straße singen. Natürlich stellt sichauch bald der Gesuchte ein, gekennzeichnet durch den Eindruck seinesAnblickes auf die Tochter. Ein Dolchstich verwundet, tötet aberwicht. Zuletzt überrascht der Priester feine Tochter als Pfleger,»de? Verwundeten und steht sie aus irgend einem bühnenmäßigenGrunde tot Hinfinken.Als am vorigen Sonnabend dieses Werk in unserer„Komischen�lper wieder aujgcfrischt wurde, fehlte ein Textbuch, das doch sonstUugemein als Verständnishülfe angeboten wird. Der VermerkVerantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin.— Druck u. Verlag:auf dem Theaterzettel:„Neueingerichtet für die„Komische Oper"von Maximilian M o r i s", läßt vermuten, daß man in jenerBeziehung kein gutes Gewiffen hatte. Ein weit besseres konnteman diesmal in bezug auf die Ausstattung haben. Der orientalischeZauber des Stückes paßt zu den Absichten der dortigen Direktionvorzüglich. Namentlich der Urwald im letzten Akt ist eine künstle-risch werwolle Darstellung, ohne die kleinlichen Künstelungen, diedoch auch diesmal wieder namentlich in den Volksszenen auffielen.Eine besondere Würze war das Auftreten der vielgerühmtenTänzerin R u t h S. D e n i s. Sie führte im zweiten Akt eineArt Schlangentanz auf,„Cobra"; d. h.: sie führte hauptsächlich mitihren Armen und Händen Bewegungen aus, welche bie_ vonSchlangen veranschaulichen sollten. Dabei sprach ihr ganzer Körperso charakteristisch mit, daß wir hier weit mehr vor uns haben, alseine von jenen ornamentalen Tänzerinnen, wie sie auf dem gc°wöhnlichen Opernbodcn heimisch find.Die Sänger leisteten in der Hauptsache mehr, als bei einerAblenkung der Aufmerksamkeit durch das Szenische und bei einerErmüdung durch die ziemlich gleichförmige und weichliche M: sikzu erwarten war. Vor allem nennen wir den Bariton FranzEgenieff: er gab in der Rolle des Priesters Nilakantha, dienicht einmal besonders viel bietet, eine so packende dramatt'cheCharakterisierung, daß man die kleinen Störungen seiner Stimm?im Anfange rasch vergaß. In der Rolle der Priestertochter Lakmezeigte Hedwig Franzillo-Kaufmann, daß wir uns inder Anerkennung ihrer Künstlerschaft nicht getäuscht haben: sie ent-wickelt sich zu einer allerersten Gesangskünstlerin. Gerade in dieserPartie hat dies viel zu sagen. In mehreren kleineren Rollen waeenzum Teil sehr tüchtige Kräfte ohne die Möglichkeit eines größerenErfolges beschäftigt. Der Tenor Karl Pfann bedarf nochmancher Fortschritte. Woran die Einförmigkeit der Orchester-leitung lag, mögen andere sagen.— sz.,Humoristisches.— Aus der„Inge n d". Räch beendigter Hebung restet einHauptmann an der Spitze skmer Kompagnie vom Exerzierplatz stolzden Toren der schwäbischen Residenz zu. Plötzlich wird die Rosinante,die sonst an Sanftmut nichts zu wünschen übrig läßt, zun, großenErstaunen des Hauptmanns unruhig und beginnt, hmiptsächlich mitder„Hinterhand", die tollsten Sprünge auszuführen. Berwmidett überdas eigentümliche, ganz ungewohnte Gebaren des Rostes, wendetsich der Hauptmann an den Flügelmann der vordersten Sektion;„Grenadier Wörle, sehen Sie mal nach, was der Gaul hat!"Jener besieht sich das Tier von allen Testen und erwidert mitlauter Stimme:„....„Herr Hauptmann,'s hockt a Viech uffthml—Notizen.— Der GreifSwalder Universitätsbibliothek isteine Sammlung niederdeutscher plattdeutscher) Werkeangegliedert worden, die als die erste staatliche niederdeutscheBibliothek auzusprechen ist. Ihr Zweck besteht in einer möglichstvollständigen Bereithaltnng der entsprechenden Schriften. Zu ihremAusbau hat das Kultusministerium 10 000 M. gegeben.—— Die nächste Novität des Neuen Theaters,„DieKondottieri" von Rudolf Herzog, soll am Sonnabend,den 27. Ottober, w Szene gehen.—— Verboten wurde wieder einmal die Aufführung einesTheaterstückes:„Das gelobteLand". sattrisches Lustspiel vonGeorg Geliert. Die Aufführung sollte am Stadttheaterin Barmen stattfinden. Preußen ist ein gelobtes Land.—— Die Freie Volksbühne in Wien wurde am Sonntagmit dem A n d r e j e w scheu Drama:„Zu den Sternen" rr-öffnet. Die gedankenreiche Dichtung, in die auch die russische R-'-volution hineinspielt, fand bei würdiger Darstellung lebhaftenBeifall.—— Die Witwe Charles GounodS, des bekannten Kom-ponisten. starb in Paris.—— Der Kongreß für Fremdenverkehr ii, Mailandbeschloß, die Regierung zu ersuchen, eine Gesetzcsvorlage für einenbesseren und wirksameren Schutz des künstlertschen Ber-mögen? sowie für die Erhaltung der mit der Geschichte, Lsteraturund Kunst Italiens zusammenhängenden Naturerscheinungen ein-zubringen.—— Die letzten geologischen Forschungen über die Ursachenund Folgen des Erdbebens von San Franciscohaben ergeben, daß die Ursprungs stelle nicht auf dem Lande,sondern wahrscheinlich an einem Punkte im Ozean lag. DieseAnsicht erhält durch den Bericht, daß eine dritte Insel in derSt. John Bogoslowgruppe in der Behringsiraße entstand, Be-stätigung. In dieser Gruppe wurden bereits zweimal— imJahre 1796 und im Jahre 1833— Inseln geboren.—— Die berühmten Automaten(„Sihreiber",„Zeichner",„Klavierspielerin"), Wunderwerke der Mechanik von Jaguet-Droz, Vater und Sohn in Neuenburg, sind für �72 000 Frank inden Besitz der historischen Gesellschaft in Neuenbürg übergegangen.—Vorlvärts Buchdruckerei u.VerlagSanstaltPaul Singer örCo..Berlin SW.