Als Mann Satte Jurgis seine eigenen Sorgen, ihn der-solgte ein anderes Gespenst. Nie hatte er davon gesprochenoder einem anderen erlaubt, davon zu sprechen. Er gestandes sich selbst nicht einmal zu, daß es da war. Und dochderaubte es ihn seiner ganzen Mannheit, und ach— zwei-oder dreimal drückte es ihn noch tiefer herab.— Zurgistrank 1Er arbeitete in der rauchenden Hölle, Tag für �.ag,Woche nach Woche, bis kein Glied an seinem Körper war. dasbei der Arbeit nicht schmerzte, bis es in seinem Kopfe wie einOzean rauschte und die Häuser um ihn tanzten, wenn er heim-ging. Und für alle diese Schrecken gab es eine Erleichterung— das Trinken. Es konnte ihn die Qual vergessen machen— die Last erleichtern. Er sah wieder fein Kaps wurdeklar, er wurde Herr seiner Gedanken, seines Willens. DasTrinken stachelte ihn wieder auf, er konnte lachen und mitseinen Gefährten Spaße machen. Er wurde wieder Mannund Herr seines Lebens.Für Jurgis war es zuerst nicht leicht, mehr als zwei-oder dreimal zu trinken; der erste Trunk machte ihn fähigzu essen, er war also notwendig, der zweite reizte noch einmalseinen Appetit. Aber es gab Zeiten, wo er keinen Bissenherunterbrachte, dann stellte der Trunk eine reine Verschwen-dung dar.'Eines Tages aber vertrank er alles, was er beisich hatte, und ging halb betrunken heini und fühlte sich glück-licher, als er sich seit einem Jahre gefühlt hatte. Und dochwußte er, daß dieses Glück keine Dauer haben konnte. Dannhaßte er die, die es ihm raubten, haßte die Welt, ja das Leben!Und die Scham kam über ihn und machte ihn noch elender alszuvor. Später, wenn er an die Verzweiflung seiner Fainiliedachte und ausrechnete, was er verschwendet— da kämmihm die Tränen in die Augen, und er begann den Kampf mitdem Gespenst von neuem.Es war ein Kampf ohne Ende. Das aber machte JurgiSsich nicht klar— er hatte nicht viel Zeit zum Denken— erkämpfte nur. Von Elend und Verzweiflung gebrochen, brauchteer nur über die Straße zu gehen, um sich von der Holter zubefreien. Eine Kneipe war an der Ecke, an allen vier Eckenwar eine, und einige waren noch in der Straße. Jede strecktedie Hand nach ihm aus, jede war ein Wesen für sich, hatteihre eigenen Reize. In ihnen fand er immer vor Sonnen-aufgang bis in die Nacht Wärme und einen Lichtschein undgutes Essen, vielleicht auch Musik, ein freundliches Gesicht undein fröhliches Wort.Es wurde Jurgis' Bedürfnis, mif dem Heimwege Onazu umfassen. Er hielt sie dann sehr fest und ging rasch. Esbereitete ihm Kummer, daß cr's tun mußte. Begreifen konnteOna ja nicht, was diese Zärtlichkeit bedeutete, weil sie niemalszu trinken pflegte. In verzweifelten Stunden wünschte erförmlich, daß st'e auch trinken möchte, nur damit er sich nichtbor ihr zu schämen brauchte. Tann hätten sie znsammmtrinken können, um dem Schrecken zu entfliehen— für eineWeile wenigstens— was nachher auch daraus entstehenmochte.So kam eine Zeit, in der Jurgis' Leben nur einen Kampfmit seinem Verlangen nach dem Trinken darstellte. Er hatteStunden, wo er Olm und die ganze-Familie haßte, weil sieihm im Wege standen. Er war ein Narr gewesen zu heiraten,sich zum Sklaven zu machen. Nur weil er geheiratet hatte,war er gezwungen, in den Höfen zu bleiben. Wenn er esnickst getan, konnte er fortgehen wie Jonas und die Pack-Herren zum Teufel gehen lassen.In der Düngerfabrik arbeiteten nur wenige ledige Ar-Leiter, und diese wenigen nur in der Hoffnung, bald flüchtenzu können. Inzwischen beherrschten sie nur zwei Gedanken beiihrer Arbeit— die Erinnerung an ihren letzten Rausch unddie Hoffrnmg auf den nächsten. Jurgis, der i'eden erworbenenPfennig heimbringen mußte, konnte mittags nicht mit denanderen gehen— ihm ward zugemutet, im Düngerstaub seinBrot zu essen.lFortsetzung folgt.)tRachdruck verboten.)Der Golfstrom..Die große Aequatorzone, das Gebiet der Wendekreise, hat einberühmter Ozeanograph, der Kapitän Maurh. einmal daS Herz desOzeans genannt. Von hier gehen die großen Strömungen aus,die großen Kanäle, die das an Salzen und organischen Stoffen reichetvarme Dassen das Arterienblut, nach den Endpunkten führen)hierher gehen die Gegenströmungen des kalten und an lösbarenSubstanzen armen Wassers, die wie das Venenblut der Tiere sichim Herzen konzentrieren, sich erwärmen, umwandeln, um zu ihremAusgangspunkte zurückzukehren und auf ihrem Wege Wärme undLeben zu verbreiten. Ter Ozean würde ohne seine Strömungenbald sterben und seine Oberfläche sich mit toten Fischen und mitabgestorbenen Formen des niedrigen Tierlebens bedecken.Ter breiteste und längste, der wichtigste und schönste aller bor-handcnen fließenden Wasserlörper aber ist der Golfstrom. Umseine Entstehung und feinen Lauf zu begreifen, muß man die vomAequatar ausgehenden Strömungen, die als nördliche und südlicheAcquaivrialströmung oder Südpassattrift bczw. Nordpassattrift bc-kannt sind, auf der Karte verfolgen.Beide— der nördliche und südliche Aequatorialstrom— vereinigen sich auf der Höhe von Guyana, und senden, vom Windegetrieben, einen großen Teil ihrer Gewch'er zwischen den Antillenin die Karibenfee, aus der ein starker, aber nnstäter Strom durchdie Hukatanstraße nordwärts zieht. Tie frühere Ansicht, daß derGolf von Mexiko von einer großen westöstlich ziehenden Strömungumkreist werde, ist nach neueren Untersuchungen nicht haltbar. Dochist der Zusammenbang, den der Aukatanstrom, der in den Golftretend bald sehr schwach wird, mit dem aus ihm austretendenFloridastrom besitzt, noch nicht aufgeklärt. Jedenfalls entstehtletzterer, der erst von Franklin mit dem Namen Golfstrombelegt ward, als schwacher(36 Seemeilen), nicht als besonderswarmer Strom im Westen der Straße und wird alsbald durch dasam Westrand der Babamabank hindurchströmende Ozeanwasserverstärkt. Dennoch würde das durch die Engen von Bimini aus-tretende Waffer nicht entfernt ansreichen, eine so breite, wenn auchallmählich sich verflachende Schicht vorwärts zu wälzen, wie sie sichetwa iim Kap Hatteras zeigt<666 Kilometer), würde sie nicht vonder Seite durch die als Ä n t i l l e n st r o m umbiegende Nordpassattrift verstärkt, die an der äußeren Seite der Bahamainselnentlang zieht. Ter Paffatwind selbst treibt ihm diese Waffer-mapen zu. Ter blaue und warme Floridastrom käust nunmehrmit 70— 80 Seemeilen Geschwindigkeit ziemlich hart am Abfall derKontinentalbcmk Amerikas nordwärts, im scharfen Gegensatz zuden grünlich trüben kalten Gewässern, die auf dieser südwärtszicbcu. Die innere Flanke des Floridastromes ist verschwommen.Mehr und mehr biegt er nach rechts um und zeigt neben geringerMächtigkeit und Stromstärke eine Auflösung in Bänder, die durchStreifen etwas weniger warmen Wassers getrennt sind. DieAußenseite wird noch immer vom.kalten Wall' begleitet. DieserFloridastrom dringt östlich nicht über den 45. Grad.W hinaus.Erst die Temperaturbeobachtungcn der KOer Jahre haben dargetan,daß er in einer Westtrift seine Fortsetzung findet.Man hat für diese den Namen Golfstromtrift bei-behalten, wiewohl wir jetzt wissen, daß zum geringsten Teile Wasserdes Golfes von Mexiko in ihm enthalten ist. Wesentlich von denvorherrschenden Westwinden nordostwärts getrieben, breitet er sichfächerförmig aus und beherrscht den nördlichen Teil des AtlantischenOzeans mit seinen Verzweigungen. Die südlichste biegt im Nordendes Ozeans nach OSO und LO und vereinigt sich schließlich mitder großen Ersatzströmung, die als Kanarienstrom der Nord-ostpassattrift zueilt. Damit ist der große nordatlantisch« Strom-kreis geschlossen; in seinem Innern wird der von den Felsküstenlosgerissene Beercntang zum sog. Sargagomcer zusammengetrieben.Der nordöstliche Zweig der Golfstromtrist sendet schwache Aestean die Küste Spaniens und in den Golf von Biskaya, der Haupt-arm zieht, von den Südwejtwinden befördert, an den britischenInseln vorüber bis an die' Küsten Norwegens. Stetig mit demVorrücken in höhere Breiten sich abkühlend, bewahrt er doch jeneJlüsten vor der Eisbedeckung im Winter. Nachdem Nansen in demEismeer nördlich von Sibirien in der Tiefe von 200—800 Meternoch zirka-st O.S Grad Celsius warme Wasserschichten getroffen, dieeinen scharfen Gegensatz zu dem— 1 Grad bis— 2 Gradkalten Polarwasser bilden, ist anzunehmen, daß sich der Einflußder Golfstromtrift bis weit ins Eismeer erstreckt. Im europäischenNordmccr vollzieht sich ein Kreislaus, der dem der dort herrschendenWinde entspricht. Weitere Zweige der Golsstromtrift erreichen Js-lmrds Südküste und scheinen, durch die Dänemarkstraße dringend,die Insel zu umkreisen. Die mächtige Ausbiegung der Treibeis-grenze zwischen Island und Neufundland nach Nordwest wirdgleichfalls durch die wärmeren Gewässer des Ozeans bedingt.Der Golfstrom ist also eine Art Dampfröhre, die die Wärmeaus dem äquatorialen Ofen der Erde nach denjenigen Punktenführt, wo die Sonne nicht hinreichend tätig ist. Die Summe derauf diese Weise übertragenen Wärme wird leicht nahezu auf80 Trillionen Tonnen zu schätzen sein. Die Zeugnisse der Geo-logie zeigen diesen Strom allerdings in einem wankelmütigenLichte. Er ist in seiner Hingebung an das nördliche Europa undEngland nicht beständig gewesen. Als er andere Götzen aufsuchte,nahmen die südwärts fließenden kalten Strömungen den größtenTeil des Atlantischen Ozeans ein und kühlten die nun feuchtenwestlichen Winde ab. Damals schweiften im nördlichen Frankreichder Polarfuchs, das Renntier und der Fjällfras umher. Nach diesemtrat eine große Veränderung ein, und der Strom kehrte mit einergrößeren Wärme, als wir sie heuzutage haben, wieder, so daß derFeigenbaum und der Kirschlorbeer auf der Stelle des heutigenParis gediehen. Dann kam eine Zeit, wo Löwen, Tiger und Ele-fanten im Themsetal hausten und London von den Bewohnern