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Kleines feuilleton.

Wirkliche Prügeleten kommen äußerst selten bor. Mit wütend Gewandes umflossene Gestalt der Duse ab, dem Antlig mit brohender Gebärde, wie eben beschrieben, stehen sich die Streitenden den feinen, schmerzverklärten, jetzt schon ein wenig spiz gewordenen gegenüber und stoßen mit laut kreischender Stimme dabei Schimpf- Bügen. Eine Rebetta, in deren edler Stilifierung jeder Nach­worte aus. flang verbrecherischer Triebe ausgelöscht war. An den Sturm der Leidenschaft, von welchem Jbsens Heldin erzählt, an die Läuterung zu gefaßter Resignation ließ die Darstellung der Duse glauben- nicht aber an die verschlagene weibliche Lüde, mit der Rebetta nach eigenem Geständnis die hülflose Beate in den Tod getrieben. Die Hintergründe dämonischer Ichsucht, in die die Triesch und Rosa Bertens   schauen ließen, blieben hier von verschönenden Schleiern umhüllt. Derartiges liegt außerhalb der Grenzen der vornehmlich auf das Schwermütige, Barte, Edel- Schöne gerichteten Duses Individualität. Aber im Rahmen dieser ihrer das nicht Wahl­verwandte ausmerzenden Auffassungsweise führte sie die Rolle meisterlich durch. Wie sie Rosmer nach dem langen Gespräch mit Stroll gebietend und dann Arbeitsmute zu entflammen sucht, bei dem Wort der Liebe in wieder zärtlich zu neuem feliger Freude erstrahlt und dann eine große zitternde Träne im Auge vor dem Geliebten, durch den Schatten schwerer Schuld das war ebenso wie die Schlußszene, der gefchieden, zurückweicht Abschied von Rosmer, ihr verlorenes Lächeln, mit dem sie ihn beim legten Todesgang als Gefährten willkommen heißt, von seelenvoller Innigkeit. Der Klang der Stimme, das Spiel der Arme und Hände, die großzügig ernste Anmut ihrer Haltung hat von dem alten Bauber noch nichts eingebüßt. Das Publikum bereitete ihr nach den legten Atten stürmische Ovationen.

Die Körpergröße unserer Vorfahren. Die anthropometrischen Untersuchungen menschlicher Stelette verschiedener Völker und Beiten tun den Irrtum der Annahme dar, daß unsere Vorfahren größer waren als wir. Eine Berichtigung dieser Behauptung als Ergebnis wissenschaftlichen Forscherfleißes und Scharfsinnes wäre an sich schon interessant, erhält aber erhöhte Bedeutung, weil fie einen Beitrag zur Degenerationsfrage liefert. Die lebenden Rassen werden nach ihrer Durchschnittsgröße in vier Gruppen geteilt. Zu den Großen gehören: die Engländer, die Schotten, die Standi navier, die Tehuelchen von Patagonien, die Guineaneger und die Polynesier, die sämtlich eine Körpergröße von mehr als 1,7 Metern haben. Zu den nächst kleineren mit 1,65-1,70 Meter Größe ge­Hören: Sie Franzosen  , Russen, Deutschen  , Belgier und Iren. Eine dritte Gruppe bilden die Hindus, Chinesen, Süditaliener und Beruaner, die eine durchschnittliche Störpergröße von 1,65 bis 1,60 Metern befizen. An letter Stelle stehen u. a. die Malaien und die Lappen. In der Politisch- Anthropologischen Revue be­richtet. Hänh- Lug über die nach der vorzüglichen Methode Manoubriers ausgeführten Messungen an Steletten, die ergeben, daß die Berichte einzelner alter Schriftsteller über Völkerschaften von außerordentlicher Körpergröße auf Täuschungen beruhen müssen; daß jene Durchschnittswerte damals nicht überschritten, sondern im Gegenteil eher nicht erreicht wurden. Der Neander thalmensch muß eine Größe von nur 1,6 Meter besessen haben, der Höhlenmensch von Chancelade maß ungefähr ebensoviel, und effungen an menschlichen Steletten der späteren Steinzeit ergeben einen Durchschnittswert von zirka 1,65 Meter für die die Männer und 1,5 Meter für die Frauen. Messungen an Menschen einer späteren Zeit führten zu dem Schluß, daß z. B. die Bewohner Frankreichs   in der gallo- romanischen Zeit allerdings etwas größer waren als die heutigen Franzosen, auch soll der Pariser des Mittel­alters seinen Enkel um einen Zentimeter überragt" haben.

Theater.

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Literarisches.

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dt.

Der Dichter Heinrich Seidel   ist am Mittwoch in Groß­ Lichterfelde   gestorben. Ueber ihn schreibt Eduard Engel   im 2. Bande seiner fürzlich erschienenen Geschichte der deutschen Literatur": Die Fachleute, die über die zeitgenössische Literatur als Kritiker gebieten, haben H. Seidel  ( geboren am 25. Juli 1842 in Berlin  , Mecklenburg  ) schon lange in sein Schubfach gesteckt und darauf geschrieben: liebenswürdiger Humorist. Das ist Seidel   auch; aber das allein ift er nicht, sondern ganz einfach einer unserer besten dichterischen Geschichten­erzähler Seidel selbst erzählt, er fei einer der schlechtesten Schüler des Schweriner   Gymnasiums gewesen und es habe von ihm geheißen: Ut em ward nig!" Zunächst wurde aus ihm ein waderer Eisenbahner: zu der für jene Zeit phantastischen Riesen­halle des Anhalter Bahnhofes in Berlin   hat er die Zeichnungen ge macht, eine ganze Weile bevor Gottfried Keller   in einem Brief an Storm von ihm bezeugte, daß er auch als Dichter was Rechtes fann und gutgeschriebene fleine Geschichten macht".

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Er­

Zu diesen gutgeschriebenen fleinen Geschichten, die in Sammel­bänden erschienen sind, gehören u. a.: Nosenkönig" und" Vorstadt­geschichten". Am meisten Freunde aber erwarb sich Leberecht Hühnchen", der dann auch in verschiedenen Fortsetzungen erschien. Auch allerlei Geschichten und Schnurren sind von Seidel. innerungen aus seinem Leben bot er unter dem Titel: Bon Perlin nach Berlin  ". In Summa: ein fleines, beschauliches Talent, das in einer engen Welt sich wohl fühlt und seine idyllischen Reize zu gestalten weiß.

Humoristisches.

-Das Best e. Wissen Sie, was ich gern lesen möchte?" " Gewiß Hohenlohes Memoiren."

,, Nein, ich möchte das lesen, was Professor Curtius darin unterdrückt hat!"

Neues königliches Operntheater. Gastspiel der Eleonore Duse   in Rosmersholm, Drama in vier Aften bon Jbsen. Oft ist der Wunsch geäußert, die große Jtalienerin, die die still bezwingende Macht ihrer Persönlichkeit in den Stüden ihres Landsmannes D'Annunzio   und in anderem dramatischen Mittelgut so häufig erwies, nun auch als Interpretin reifer Dichter­Kunst, als Darstellerin von Jbsens tiefgründigen und räthsel­bollen Frauengestalten zu sehen. Lang hat es bis zur Erfüllung gedauert. Bei ihrem vorletzten Berliner   Besuche trat die Duse zum erstenmal als Hedda Gabler auf, und nun hat sie den neuen Zyklus ihrer Aufführungen mit Jbsens Rosmersholm" begonnen. So wundervolle Momente ihr Spiel enthielt, jene mächtige Steigerung des Eindrucs, die wohl viele sich im Gedanken der Ver­einigung der beiden Namen Jen und Duse   versprochen haben mögen, blieb aus. Je richer ein Bühnenkunstwerk organisiert ist, um so weniger berigt es eine Aufführung, in der nur eine einzige Kraft aus schöpferischer Fülle schafft, alle anderen dagegen bestenfalls nur das Niveau gleichgültiger Korrektheit er­reichen. Ein Rosmersholm" mit einer noch so trefflichen Rebetta und einem nichtssagenden Pfarrer Rosmer fann es zu feiner Illusion, zu keiner dauernd angespannten Teilnahme, zu feinem fich steigernden Mitempfinden bringen. Das Stück zerbricht in Stücke. Den langen Streden leerer schauspielerischer Deflamation gegenüber kann sich die Frische der Empfänglichkeit nicht mehr behaupten. Man bewundert die Darstellerin, aber da das Ganze der Dichtung nicht Lebendig wird, nicht ausklingt in eine nachhallende Gefühlsresonanz, -Russisches Festspiel Erz. b. Hülsen: Wenn zur haftet der Bewunderung Kälte an. Unter solchen Umständen läuft nächsten Taufe ein Großfürst nach Berlin   zu Besuch kommt, müßten es schließlich auf dasselbe hinaus, ob ein Jbsen oder ein kurzlebiger wir ihm zu Ehren ein Stück aufführen, daß sich ein bißchen russisch dramatischer Schlager gespielt wird, wofern er nur in einer Rolle macht und ihn heimatlich anmutet. genügend Raum gibt für die Entfaltung genial schauspielerischer Hofmarschall: Nun, dann wäre wohl das beste das Stüd Eigenart. Es kommt hinzu, daß der unendliche psychologische aus dem Thalia- Theater: Wenn die Bombe plast!" Nuancenreichtum des Jbsenschen Dialogs für alle, die der fremden Sprache nicht vollkommen mächtig sind, ein verständnisvolles, aus Ser Erinnerung den Sinn all dieser fein schattierten Wendungen er­gänzendes Folgen sehr erschwert. Eine Wirkung, wie sie das Werk in deutscher Sprache in deutscher Sprache in der glänzenden überall gleichmäßig durchgebildeten Aufführung des Brahms  - Ensembles er­zielt hat, ließ sich darum von vornherein aus äußeren und inneren Gründen nicht erwarten.

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- Der Reichsschmied. Was machst Du, Vater?" " Ich glühe zwei Schwerter. Das eine will ich für Dester reich führen!" Und das andere?"

Wenn Rußland   will, gegen Desterreich.""

Notizen.

( Lustige Blätter.")

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-Die ständige Kunstausstellung von Fischer u. Franke, Berlin   W., Eichhornstr. 5, ist seit dem 1. November d. J. unentgeltlich zugängig. Ausgestellt sind die farbigen Wiedergaben nach Gemälden alter Meister sowie an 100 Künstler Steins Der Rosmer des Herrn Leo Orlandini war ein wohl zeichnungen. Die Ausstellung ist an allen Wochentagen von 10 bis genährter Herr mit schwungvollen Jünglingsbewegungen, in 4 Uhr geöffnet. Seinem ganzen Zuschnitt an einen Bonvivant der Bieder­Die Wartburg soll von jetzt ab nur noch gegen Entrée meierzeit gemahnend. Sein altererbtes Patriarchenheim fah geöffnet werden. Der Großherzog von Weimar   hat die Höfe zu sum Verzweifeln nüchtern aus. Die Fenster des Herren- sperren lassen. Da wird der geduldige Michel wohl noch dankbar sizes wollten absolut nicht schließt, dafür sollte wohl der sein müssen, wenn er überhaupt hineingelassen wird. Komfort einer elektrischen Lampe in der guten Stube ent­Das neueste auf dem Gebiete des Denkmalsports ist ein Schädigen. Seltsam, eine Erscheinung aus einer anderen Welt hob Porzellandentmal, das in Roschütz   bei Gera   errichtet fich gegen die profaische Umgebung und den erdenfesten Adels- wurde. Es stellt den jetzigen Beherrscher aller Altenburger in Lebens­menschen" die schlanke; hohe, vom malerischen Faltenwurfe des größe auf einer Porzellansäule vor.

Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin  , Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u, Berlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin   SW.