Ich mir vor vier Wochen noch träumen lieh, und siegesbewußt setzter hinzu,„sie wird auch nicht mehr lauge auf sich warten lassen.Ich wenigstens sehe die konstitutionelle Staatsform nur als einenDurchgangspunkt an; wenn man sie mit ihren Fiktionen und Um-schleierungen näher ins Auge faßt, so ist sie eigentlich schon dieRepublik, nur in einer Weise, die mit dem Königtum, dassie de facto nicht beseitigen konnte, einen äußerlichenFrieden abgeschlossen hat; denn sobald die Deduktion.vonGottes Gnaden' an die Luft gesetzt ist, hat da? Königtum seine BasisVerloren— und dem Prinzip des Volkswillens als lex suprernades Staates gegenüber läßt sich die Erblichkeit der obersten Re»gierungSwürde nicht mehr rechtfertigen..; diese juristische Definition Scheffels sowie seine Abneigung gegen den Absolutismusund„Dynastienwahn" war gewiß ehrlich. Er fühlte sich auch nichtminder wahrhastig als Republikaner. Trotzdem ging seine republi-konische Anschauung nicht über die aller damaligen Ideologen desBürgertums hinaus. Dies Bürgertum sträubte sich, mit derArbeiterschaft, also mit dem eigentlichen Volke gemeinsameSache zu machen. So hoffte auch Scheffel, daß diepolitische Umwandlung auf friedlichem Wege,„mit denWaffen des Gesetzes" erreichbar sei, wollte aber die Republikbeileibe nicht aus den Händen Heckers, Struves oder der„Hertongh-schen Kolonne" geschenkt haben. Weil man zum Teil glaubte, dieseletztere würde bei Au, ein paar Stunden von Karlsruhe, herüber-brechen, so war Scheffel von Frankfurt heimwärts geeilt, um seinenPosten in der Bürgerwehr einzunehmen.Pfingsten nahm er dann an der großen Studentenversammlungin Eisenach und auf der Wartburg teil und ging im Juli mit Welckerin den„Raubstaat Lauenburg" als Legationssekretär. Es handeltesich darum, die dortigen Landstände von ihrer dänenfreundlichenHaltung im Kampfe der benachbarten schleswig-holsteinischen Herzog-tümer gegen Dänemark abzubringen. Am 31. August stiegScheffel in Heidelberg ins Examen, das er bestand. Dannging er wieder nach Frankfurt. Er hatte Großes vomParlament erwartet, Rasch folgte bei ihm der Katzenjammer.Und so schreibt er denn am 11. August 1849 von Herdelberg—sehr resigniert:„Seit ich am 16. September zu Frankfurt denWaffenstillstand von Malmö verwerfen hörte und am 18. oben aufdem Dom zu Frankfiirt stand und die Barrikaden aus der Erdewachsen und den Sturm und Kampf um dieselben herum gesehenhabe, da habe ich den Glauben an das Volk auf beiden Teilen unddie Poesie der Revolution verloren, und was im Oktober zu Wienund im November zu Berlin vorging, hat mir ihn nicht wieder-gegeben." Die Niederwerfung der Revolution durch die Reichs-trnppen und die Preußen erfüllte ihn vollends mit Unmut undEkel. Es war alles so ganz anders gekommen. In Baden wie im„großen" Deutschland:—„nichts wurde zustande gebracht. DieVerwcrstmg der RcichSvcrfassung trägt ihre Früchte, der alte Dynastie-Wahn verhunzt das schöne Land, und das Universalheilmittel da-gegen, die Republik, ist unmöglich geworden durch ihre eigenen Ver-tretet, die diesen Begriff allmählich zum Synonymon von Skandalerhoben haben"....Was ihn selbst betraf, so hatte er sich durch seine aktive Teil-nähme an der Revolution ziemlich um die Aussicht auf seine richtet-liche Karriere gebracht. Er figurierte„ja auch auf der roten Listeals Wühler aus den Märztagen", hatte ja auch einmal eine politischeRede gehalten und war Begleiter WelckerS nach Frankfurt undRastatt gewesen.... Deshalb mochte eS eine Ueberraschung fürihn sein, als ihm, nach voraufgegangener Bewerbung, mit Beginndes JahreS 1850 der Posten eines Dienstrevisors beim Bezirksamtin Säckingen zugewiesen wurde. Den Schmerz über das völligeScheitern der Revolution hat Scheffel lange nicht verwinden können.Er blieb Partikularist und stiller Prenßenfeind, bis ihn seine steigendenErfolge als Poet vom Staatsdienst weg in die Freiheit des Kunst-und Weltlebens führten.Jene republikanische Anwandlung hat auf seine dichterischeProduktion keinerlei Einwirkung verübt— es war lediglich einevielleicht später als Jugendeselei empfundene Episode gewesen....kleines f ciuUeton.Staub und Durchsichtigkeit der Atmosphäre. Mit Hülfe desvon dem englischen Physiker John Aitken konstruierten Apparates ist«s möglich, die Menge des in der Luft frei schwebenden Staubeszahlenmäßig zu bestimmen. Man darf dabei jedoch nicht nur andie groben Staubteilchen denken, welche uns das durch ein Fensterin ein Zimmer flutende Sonnenlicht offenbart. Es sind vielmehrdie zahllosen feinen Partikelchcn gemeint, die sich überall, unsgänzlich unsichtbar, auch in der„reinsten Atmosphäre" vorfinden.Die Messungen, die mit Aitkens Apparat in Zimmerluft angestelltwurden, ergaben das bemerkenswerte Resultat, daß ein Kubikzenti-metcr Zimmerluft nicht weniger als 1,3 bis 5 Millionen Staub-tcilchcn enthält. Am Boden, wo sich die größte Staubmcnge vor-findet, ist diese Zahl oft genug gemessen worden. In freier Luftund auf hohen Bergen vermindert sie sich ganz außerordentlich.Die niedrigste bisher beobachtete Zahl wurde in Kingakrloch inSchottland mit etwa 200 Staubteilchen pro Kubikzentimeter fest-gestellt; jedoch haben wir kein Mittel zu entscheiden, ob dies dieniedrigst mögliche ist. Selbst in den oberen Luftschichten scheintStaub zu existieren, da sich in großen Höhen Wolken bilden.Diese Etaubbildung selbst in den höchsten Regionen de«meteorologisch noch in Betracht kommenden Luftschichten ist eSvornehmlich, welche die Durchsichtigkeit der Luft und damit dieFernsicht in erheblichem Matze beeinflußt. Mechanische Trübungender Atmosphäre werden allerdings auch durch Dunst und Nebelhervorgerufen, doch stehen diese bis zu einem gewissen Grade einAbhängigkeitsverhältnis zur Temperatur, zur Feuchtigkeit und zumVorhandensein von Staub. Alle diese mechanischen Trübungenwirken deshalb mindernd auf die Durchlässigkeit der Luft ein, weilein Teil der auf sie fallenden Lichtstrahlen zurückgeworfen wird.ein anderer Teil aber durch Brechung in seine Bestandteile zer-legt wird, so daß nur für das Auge weniger wirksame Tcilstrahlcngesehen werden.Die Wirkung des Staubes auf die Durchsichtigkeit der Lufthängt in erster Linie von seiner Menge ab, dann aber auch von derFeuchtigkeit, die einen sogar wesentlich ändernden Einfluß ausübt.Bei vielem Staub ist in der Regel die Durchsichtigkeit gering;aber selbst bei 5060 Staubteilchen pro Kubikzentimeter kann siechön klar sein. Vergleicht man Tage mit gleichen Staubmen/en,o findet man, daß die Durchsichtigkeit mit der Feuchtigkeitschwankt. Von zwei Tagen mit gleichen Staubmengen pro Kubik-Zentimeter war der eine mit einer Erniedrigung des feuchtenThermometers um 13 Grad klar, während der andere mit nur2 Grad Erniedrigung eine sehr dicke Luft aufwies.Die Feuchtigkeit allein scheint zwar keinen Einfluß auf dieDurchsichtigkeit der Luft zu haben, aber sie steigert die Wirkungdes Staubes, weil sie die Größe der Staubteilchen erhöht. Diekleinen Staubpartikelchen bilden nämlich, wie man sowohl theoretischals durch den Versuch beweisen kann, Kerne für die sich'bildendenNebeltröpfchen, begünstigen somit nicht nur die Nebelbikduna,sondern vergrößern auch die in der Luft schwebenden Teilchen undtragen dadurch dazu bei, die Ilndurchlässigkeit der Atmosphäre zuerhöhen.Durch die Temperatur wird nun wieder die abänderndeWirkung der Feuchtigkeit beeinflußt. Dieselbe Erniedrigung desfeuchten Thermometers, welche mit einer bestimmten Zahl vonStaubteilchen eine dicke Luft von 15 Grad geben würde, wird eineklarere Luft geben, wenn die Temperatur niedriger ist. Die ge»steigerte Verdickung der Luft bei höheren Temperaturen rührt vondem gesteigerten Dampfdruck her, der es gestattet, daß die Teilchenmehr Feuchtigkeit anziehen.Literarisches.„Der I n d u ft r i e b a r o n", von Upton Sinclair.„Geschichte eines amerikanischen Millionärs",(deutsche Uebersetzungim Verlage von A. Sponholtz, Hannover, Preis 2 M.) ist einekleine Erzählung, die vor fünf Jahren entstand, wie der Verfasserin seinem Vorwort sagt. Damals erschien ihm das Werk als„revolutionäres Dokument", und er muhte sich das Urteil gefallenlassen:„Unmöglich, es herauszugeben!" Jetzt erscheint es ihmselbst als eine„ruhige Darlegung weit verbreiteter Ansichten. Ermacht darauf aufmerksam, daß erst die letzten Jahre eine Reihevon sensationellen Enthüllungen über das Treiben der amcrika»nischen Finanzmächte brachten, und daß er in diesem Werke darausnoch nicht schöpfen konnte.Noch in lebendiger Erinnerung ist das Aufsehen, das dieUntersuchung über die Verhältnisse der New Dorker Versicherung,gesellschaften verursachte. Welche ungeheure Verschwendung wurdeda entdeckt! Man entdeckte da einen Sumpf von politischerKorruption! Tie großen Geldinstitute geben Hunderttausendevon Dollar für die Wahlfonds her; die Bestechung von Gesetzgebernwurde geschäftsmäßig betrieben. Andere Enthüllungen folgten,Der Standard-Oel-Trust wurde bloßgestellt und überführt, wie erdurch geheime Verträge mit den Eisenbahnen Millionen er«schwindelt. Große Sensation erregten die Publikationen des.Finanziers Lawson über.„Die tollgewordcne oder rasende Finanz",Amerika ist das Land der Millionäre. Der Bundessenat inWashington heißt oft nicht anders als„Klub der Millionäre".Im Kabinett sitzen gegenwärtig vier Millionäre. In der NelqYorker Börsenstraße Wall Street wimmelt es von Millionären«Und es gibt viele Tausende armer Teufel, die sich heute noch imDollarlande dem süßen Traum hingeben, sie könnten es auf dieeine oder die andere Weise auch einmal zum Millionär bringen.Für die letzteren ist nichts interessanter, als eine der wunder,samen und rührenden Geschichten, die so bielfach von einemamerikanischen Millionär erzählt werden; nämlich, wie er alskleiner Junge barfuß herumlief und Zeitungen verkaufte, umseine kranke Mutter zu ernähren, und wie er dann im Laufe de«Jahre durch Fleiß und Sparsamkeit, durch Gebete und durch—.Schlauheit e,ne Million nach der anderen anhäufte.Die Geschichte eines amerikanischen Millionärs, die uns.Sinclair erzählt, ist von anderer Art. Mit etwas flüchtigenStrichen skizziert der Verfasser den Lebenslauf des MillionärsRobert van Reusselaer— man kann an Rockefellcr oder einenanderen Multimillionär dabei denken. Schon als Baby Robbie,wie sein Kosename heißt, verfügt er über Erstlingskostüme, bigeinen Wert von etwa 17 000 Dollar haben. Wir sehen den Knabem.von Dienern und Lehrern umgeben; er wächst heran, hält sich