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Am Themsegelände, um die Stunde des ersten Hahnenschreis. Im Cecil Hotel glimmern die farbigen Lampen noch auf dem und jenem Ballon. Aus den königlich erleuchteten Festsälen dringt geSämpfte Mufit bis über den Fluß hin. Man sieht Paare auf der Terrasse lustwandeln. Auch vom Savoy glänzt noch Licht. Sonst ift die Stätte tot und verlassen. Nur hin und wider trägt ein Automobil auf lautlofen Flügeln einen genußfatten Menschen zu feinem molligen Federbett in London W.
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Auf den Bänken der Uferpromenade fanern, fröstelnd aneinandergeridt, Jammergestalten, zerfetzt, schmutzbedeckt, hohl wangig, Karikaturen der Menschheit. Es ist verboten auf den Bänken zu schlafen. Die Polizei kommt und schreckt sie auf. Jagt fie, die schlaftrunken Taumelnden, in der Resignation permanenten Elends Gebengten nur zur nächsten Bank. Einer wanft zum Laternenpfahl und versucht im Stehen angelehnt weiterzuschlafen. Hier unter dem Platanenbaum auf dem Schutzgitter ein Mensch, an einem undeutlichen Bündel zusammengerollt. Da eine dunkle Maffe dem Prellstein entlanggestreckt in der Gosse. Der Fuß des Polizisten stolpert über einen Arm, im Schlaf unter der bergenden Bant herausgestreckt. Am verräterischen Arm wird er wachgerüttelt, hervorgezogen. Aus den übelriechenden Winkeln der Brückenpfeiler dringt tiefes Atmen und Schnarchen und leises Hüfteln. Die versteckte und zu dieser Stunde vergessene Treppe des Bahutunnels ist verbarriladiert mit schlafenden oder asyl bedürftigen Menschen. Menschen, die in dem Häuser meer der Millionenstadt kein Fleckchen Dach über dem Kopf fanden, die die zwei Pence für den Sack zwischen den zwei Seilen nicht zahlen konnten. Menschen, denen Arbeit ein Lurus ist, nur solchen erreichbar, die ein Hemd unter dem Kittel haben und die Stiefelfohlen nicht mit einem Strick aus Pferdeleder binden müssen. Menschen, die jenseits von Tugend und Verbrechen stehen. Menschen, die längst verlernt haben zu leben und zu stumpffinnig sind, den Schritt in das Reich der Toten zu machen....
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ging das alte, unter Richelieu erbaute Opernhaus im Palais Royal in Flammen auf und mit ihm viele wertvolle Erinnerungen an die Ruhmeszeit des Hauses. Aber das geschah in einer Art, daß die natürlichen Schrecken der Feuersbrunft in die graziösen vor malerischen Kontraften sprühenden Formen des Rokoko gehüllt er scheinen. Paris hatte damals keine andere Feuerwehr als die Kapuziner. Mit hochgeschürzten Kutten Hetterten die Mönche unte dem Beifall der zusammengeströmten Menge die Mauern empor und richteten die Wasserstrahlen auf den Feuerherd. Der Herzog von Chartres , Erbpring des Hauses Orleans - der Vater von Philipp Egalité legte selbst Hand an, half an der Pumpe und kommandierte die Kette der Löscheimer. Bald waren die Wasserbecken des Gartens erschöpft und der Weg bis zur Seine war immerhin weit. Schnell entschlossen opferte der Herzog feinen Weinkeller. Auch der Champagner wurde herausgeholt und balb knallten überall die Pfropfen. Die Flaschen gingen von Mund zu Mund. Während das Theater wie eine Bowle dampfte, entfaltete fich ringsum ein Trinkgelage. Die Feuersbrunst beleuchtete ein Couper, zu dem ganz Paris geladen war. Das Opernhaus selbst bereicherte, ehe es zusammenstürzte, das Schauspiel durch ein pitantes Zwischenspiel. Noch einmal follte das Publikum einen Streich Amors und seinen befriedigenden Ausgang applaudieren. Man jah plötzlich auf dem vorderen Balkon des Theaters eine Tänzerin erscheinen, die sich mit Mühe aus ihrer Garderobe gea rettet hatte und nun um Hülfe schrie. Ihre Rufe verloren sich im wilden Gepraffel der Flammen, aber das Geberdenspiel des zierlichen Kindes zeigte den ergreifenden Ausdruck höchfter, verzweifelter Angst. Da - Lein in der ärgsten Not erscheint der Reiter junger Abbé. Er stürzt sich tapfer ins Flammenmeer. Einige Augenblicke vergehen Augenblicke der Furcht, des Grauens Aber in einem Fenster, zwischen zwei Feuergarben, wird der junge Geistliche wieder sichtbar. Er schwingt sich auf den Balkon und die Tänzerin ist in seinen Armen, schmiegt sich ganz aufgelöst an ihn an. Die Menge applaudiert entzüdt und das Parterre schreit im Chor: Süßt er ste? Küßt er sie nicht?" Der Durch die Straßen und Gaffen der zu einem neuen geschäftigen Abbé tüßt sie nicht, aber sie füßt ihn. Auf eine kleine Sünde fam Tag wiedererwachten City von London rennen die arbeitenden Massen es ihr wohl nicht mehr an. Das ganze Publikum, aber schreit: zu den Bureaus, den Läden, den Fabriken.... Geschmiegelte" Da capo, da capol" Die Tänzerin und der Abbé treten, einBureaubeamte mit blütenweißen Batermörderit, Bügelfalten und ander in aller Form und Zierlichkeit an den Fingern fassend, vor Bylinderhütenfchäbige, schlechtrafierte Buchhalter in schmierigem und machen eine artige Verbeugung. Unterdes hat man Leitern Rodfragen Arbeiter in blauen Kitteln, die Sporttappe auf den gebracht, die die so merkwürdig begonnene Rettung vollenden helfen. glattgeschorenen Köpfen, die Pfeife im Mundwinkel- Ladenmädchen In dieser Weise brannte im achtzehnten Jahrhundert ein Theater in fleidfamen Nadenfrisuren unter Haarneßen, mit fofetten fchwarzen ab zwischen Champagnerförben, dem distreten Bächeln eines Schaufelhütten Fabritarbeiterinnen, Blüschpaletots, die sie ohne Abbés und den zärtlichen Küssen einer Tänzerin. Rücksicht auf die Jahreszeit tragen, und schmucklosen Matrosenhüten, die Stirnhaare in Blechwickeln... Alle eilen sie zum Erwerb, rennen, haften sie in ungeheuren Strömen, fast mechanisch ent lang
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An der Mauer fist ein muskulöfer Mann in den besten Jahren und zeichnet mit grellfarbiger Kreide steifftielige Blumen auf das Bflafter, zeichnet patriotische Porträts und wilde Abenteuer und sentimentale Szenen auf die Zeichenblätter Selten, daß einer von den vielen, die mit eiligen, achtlosen Tritten seine Kunstleistungen verwischen, Bewunderung oder Mitleid durch einen Benny in den offenen Hut bezeigt.
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Hemmend treiben im Strom Lungernde. Gierig erfassen sie den Augenblick, wenn einem Fuhrmann auf hohem Bock die Peitsche entfällt ihm einen Fluch nachsendend, wenn er den Dienst mit einem Dantschön lohnt. Um einen Tagesverdienst fann er sie betrogen haben, der Halumfe! Swei, drei rennen einem vollgepackten Wagen nach, Straße auf, Straße ab- bis er schließlich donnernd in eine Einfahrt rasselt, deren eisernes Tor sich geizig schließt vor ihren hungrigen Augen und schweißtriefenden Gefichtern.
In Cavendish Square tragen die schwereichenen Haustore mit den blizblanken Klöpfeln teine Namensschilder. Hier und da steht man an den hohen Fenstern rechts und links vom Eingang die gepuderten Köpfe auf goldgeftidten Stragen gewärtig, manchmal im Souterrain einen Diener das Silber puzen.
An der Rückseite dieser Adelshäuser liegen wie Misthaufen enge, stinkende Gassen. Die Hintermauern der vornehmen Wohnsize überragen an einzelnen Stellen die angepappten Häuserchen. Mückenschwärme tanzen um die Gitterfenster der herrschaftlichen Ställe. Schmukſtarrende Kinder balgen fich in den Goffen. Schlampige Weiber lehnen schwagend aus den Fenstern. Aus einer Schantwirtschaft dringt wüster Lärm und efliger Schnapsgeruch. Ueber die Koppeln fliegen tänzelnd die Gummiräder einer Karosse. Kreischend stieben die Kinder nach den Seiten auseinander. Eine der feidenrauschenden Insafsinnen hält ein Riechfläschen an die Nase. Entschuldigend beugt fich die andere zu ihr: Man muß John fagen, er soll nicht mehr diesen Weg heimfahren. Es ist ja degoutant."
Kleines Feuilleton.
Gin Theaterbrand im Rokoko. Ein charakteristisches Bild aus der Rokokozeit bietet die Schilderung eines Theaterbrandes, die die Monographie La vie au Palais Royal"( Das Leben im Palais Royal ") von L. Augé de Lassus entwirft. Am 6. April 1763
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Theater.
Kleines Theafer: Die Feinde, Szenen von Magim Gorki. Der einzigartige Schilderer, der in feinen Novellen und Romanen das Bild russischen Lebens durch völlig neue Anschauungen bereichert hat, der Dichter des vagierenden Barfüßlervoltes, der Menschenfreund voll brüderlichen Mitgefühls mit den Berlorenen und Geächteten, der freiheits- und zukunftsa gläubige Mitstreiter der russischen Revolution, wird unvergessen im Gedächtnis weiterleben. Nicht so, von dem einen großen Wurfe des Nachtashl" abgesehen, der Dramatiker. Sein neuestes Schaus spiel zeigt die Mängel, die schon in den„ Kleinbürgern" und in den Kindern der Sonne" hervortraten, vergrößert. Er, der in der Novelle, in seinem besten Roman Drei Menschen", sich auf die Kunst fonzentrierender Verdichtung, des Zusammenschlusses mannigfaltiger Details zu einer wuchtigen, Phantasie und Denten tief erregenden Einheit so meisterlich verstand, wird breit und weitschweifig auf dem Theater, fein Blid berliert das sichere Augenmaß für Pro portionen. Lose, wie der dramatische Bau auch in dem„ Nachtasy!" gefügt war, wob sich dennoch das Band eines gemeinsamen Schicksals, im Schlußakte zu ergreifendstem symbolischen Ausdruck sich era hebend, um alle die zerstreuten einzelnen Momente; für die Einheit der Behandlung bot diefe Art von Einheit vollen Erfah. Aber seine übrigen Stücke fommen über ein Nacheinander von Szenen nicht hinaus. Weder beim Schauen, noch wenn man in der Phantasie das Ganze vorüberziehen läßt, stellt die Empfindung organischer Notwendigkeit sich ein. So fehlt von vornherein die Vorbedingung, ohne welche starke Spannung im Theater nicht entstehen kann, nach Willfür kommen die Personen, debattieren und gehen ab. Der Dialog fordert fortwährend auf, nach Absichten des Dichters zu fragen, regt alle möglichen Erwartungen an, die dann im weiteren gar nicht oder doch nur unvollständig erfüllt werden. Dazu tommt, daß die Kraft der Charakteristik, die in den Kleinbürgern" eine Reihe scharf umrissener, flarer Typen schuf, die sich, wenn auch lange nicht so start, in einzelnen Wendungen der Kinder der Sonne" manifeftierte, in diesem neuesten Drama merklich nachläßt. Die Zeichnung begnügt sich, gewisse Züge an den Menschen zu firieren und sie danach reden, hier und da auch handeln zu lassen; indes es schwingt in den Gestalten keine Fülle der Nebentöne, es fun sich nicht seelische Hintergründe, nicht Perspektiven in Vergangenes auf, die das Sein vertiefend aus dem Gewordensein erklären.
Den Raum der ersten beiden Afte nimmt größtenteils die Schilderung einer bunt zusammengewürfelten, bourgeoisen Gesellschaft ein. Neben dem scharfmacherischen Fabrikanten, der ein solidarisches Vorgehen seiner Arbeiter durch Aussperrung bes antwortet und durch Beleidigungen die Wut der Leute reizt, bis