der Pistolenschuß eines Hitzkopfes ihn niederstreckt, stellt Gorki einen liberalisierenden, gutmütigen, indes absolut haltlosen und schwachen Mann als Sozius, den man sich, auch in russischen   Ver- Hältnissen, schwerlich als Repräsentanten eines kapitalistischen   Typus denken kann. Interessanter ist die Figur des Bruders, eines un- glücklichen Säufers, der in dumpfer Verzweiflung dem Selbstmord zuschwankt.Fort, Ihr Narren von der Bühne des Lebens, macht den ernsthaften Leuten Platz!" Unfähig, irgendwie Partei zu er- greifen, vergnügt es ihn dennoch, die Fabrikantenpläne vor den Arbeitern auszuplaudern. Wie er, der nach dem Ausspruch seiner Frau, von edelster und zartester Empfindung war, auf die ver- hängnisvolle Bahn geriet, dies Innerste bleibt freilich völlig un- klar. Der Oheim, ein kindisch bornierter, von unverschämtestem Soldatendünkel erfüllter ehemaliger Oberst, und ein kalt-korrekter Jurist schließen die Gruppe. Die weiblichen Gestalten, von denen zwei, die sarkastisch-bittere Schauspielerin und ein junges Mädchen, mit den Arbeitern sympathisieren, sind in noch flüchtigeren Um- rissen hingeworfen. Die breite Ausmalung dieser Szenen, die immer wieder neu angesponnenen Diskussionen lassen für die Entwickelung der dramatischen Idee, die sich im Schlußakt erst ankündigt, nicht Luft und Licht. Es schwebte Gorki vor, dem Schwanken der Zerrissen- heit, dem Egoismus der herrschenden Gesellschaftsschichten ein Symbol der opferfreudigen Solidarität, mit der das russische Prole- tariat,der Feind", seine Kämpfe führt, entgegenzusetzen. Die Genossen wollen den Mann, der den Fabrikanten getötet, vor den Häschern bewahren. Er hat Weib und Kinder zu ernähren und leistete der Partei unschätzbare Dienste. Sie verlangen von einem jungen Burschen, daß er eintrete für den älteren Kameraden und sich als den Schuldigen melde. Was wäre dringender gewesen, als die Person des Mörders beherrschend in den Mittelpunkt zu rücken, aus ihr seine ganze Bedeutung im Kreise der Genossen verständlich zu machen und dadurch das seltsam Ungeheuerliche psychologisch von innen her zu motivieren. Statt dessen hört man nur in all- gemeinen Worten von ihm sprechen, und so erscheint das Ansinnen wie auch das Opfer als etwas befremdend Unvermitteltes. Die Gerichtsszene des dritten Aktes in ihren heroischen Akzenten, ob- wohl die eindringlichste in dem Drama, erreicht aus diesem Grunde bei weitem nicht das Maß von Kraft, das ihr nach der Idee ge- bühren würde. Der junge Bursch verwickelt sich in Widersprüche, die sein Bekenntnis zu der Tat widerlegen, ein anderer, ein Agitator, wird von� den Schergen als Schuldiger herangeschleppt. Auch er ist entschlossen zu sterben. Da in dem letzten Augenblicke stürzt der wirkliche Täter in den Saal und gibt sich an. Gendarmerieoffizier und Untersuchungsrichter entsetzen sich in ihren Sklavenseelen vor so viel Niedertracht. In der Darstellung boten die Herren Lettinger, Abel, Licho und Klein-Rhoden   und Frau Jlka Grüning fein nüaneierte Leistungen. Der Beifall war schwach. 6t. Musik. Gerne kehrt man von Zeit zu Zeit zu derF r e i e n V o l k s- bühne" zurück und freut sich des guten Geschmackes, den sie nicht nur in der Auslese der künstlerischen Kräfte, sondern auch in der Zusammenstellung des Progranimes bewährt. Hier macht sie sich insbesondere durch das Streben nach einheitlichen Veranstaltungen verdient. Aeußere Schwierigkeiten wirken Allerdings oft hemmend «in. So war es auch am vergangenen Sonnabend bei ihrem H e r b st s e st e, das vornehmlich russische Tondichter vor- führte. Nicht ganz kamen wir dabei von den bekannten Mischungen in den Programmen und voi� dem Herausreißen dramatischer Bruchstücke los. Dies gilt insbesondere von den beiden(einzigen) Gesangsstücken des Abends; ihre Auswahl ist wohl eher der Sängerin als den Veranstaltern zuzuschreiben. Fräulein Grete Steffens sang zwei Opernarien von dem Deutschen Gluck und dem Franzosen Saint-Saöns, welche beiden kaum noch mit Rußland   zusammenhängen. Die sympathische sonore Stimme der Sängerin zeigte mehr Wärme als Größe. Das Orchester tvar das des Mozartsaales unter Karl Bach; spielt bereits sehr solide, könnte aber gerade bei russischen Kompositionen zu einer pikanteren Wiedergabe fortgerissen werden. Der deutschen   Solidität und Innigkeit stehen eben die russischen Kompositionen weniger nahe, als der französischen   Pikanterie. Sie wirken namentlich durch die bunten Zusammenfügungen verschieden- Ortiger Motive, durch Farbenpracht und dergleichen mehr. T s ch a i k o w s k i, bei uns wohl der beliebteste unter den russischen Komponisten, stand auck diesmal voran; zum Teil jedoch mit weniger Bekanntem. Die BallettsuiteDer Nußknacker  " legte den Vergleich mit Aehnlvt em unseres biederen Karl Reinecke   nahe: hier das schlichte Losgeben auf die Hauptsache, dort wieder das farbenprächtige und rh.ll.hmisch reichhaltige Ausgestalten. Eine eigentümliche Schwierigkeit, in Deutschland   als Tondichter aner- kannt zu werden, hat der meistbenannte russische Komponist Anton Rubinstein  . Die Versuche, ihn auf der Bühne zur Geltung zu «bringen, halten meist nicht lange vor; und namentlich seine Kammermusik ermüdet mit der Zeit durch eine gewisse Breite und durch einen gegenüber deutschen Komponisten am ehesten spür- baren Mangel an Gewichtigkeit; man vergleiche etwa seine frisch. frohe Sinnlichkeit mit der sozusagen abstrakten Art des ungerecht überschätzten Brahms  . Rubinsteins OperF e r a m o r S" oder Calla R o o k h" kam allerdings zuerst in Dresden   1803 heraus; diesmal hörten wir zwei Tänze aus ihr. Am wenigsten von der geschilderten russischen Art dürfte L. G r o ß m a n n haben. Wir bekamen eine Probe aus seiner OperDer Geist des Wojewoden", die nach ihrer Erstaufführung zu Warschau   1373 auch nach Deutschland   ging. Der älteste von den mehrgenannten russischen Komponisten ist der Schöpfer der erfolg- reichen nationalen Oper M. I. Glinka  ; ein ouvertürenhaftes Orchesterstück von ihm ergänzte das Programm. Die Erläute­rungen zum Programm von Paul Ertel verdienen noch be- sondere Anerkennung. sz. Kunst. Goethe-Verein". Im stimmungsvollen großen Saal derSezession"(Kurfürstendamm  ) leitete der Goethe-Verein am letzten Sonntag sein Wintervrogramm ein. Selbstverständlich galt die erste Veranstaltung Wolfgang Goethe  . Die einleitenden Worte über ihn las ein Herr Dr. S. Friedländer vom Manuskript ab. Der dunklen hochgeschraubten Worte mutmaßlicher Sinn zielte dahin, aus dem Dichter einen über den Köpfen der ganzen Menschheit in Erhabenheit thronenden Gott zu konstruieren. Nichts wäre verkehrter als solch Beginnen. Wir wünschen die Großen der Kunst und des Geistes unmittelbar nahe zu haben. Ihr Odem soll in uns sein; ihr Wesen unter uns wandeln statt daß wir sie künstlich von uns entfernen, sie auf einen delphischen Dreifuß, in einem Tempel als Götterstatue aufstellen. Der ideale Zweck derartiger Vereine sollte darin liegen, weniger sich selber mit Aufwendung orphischen Tiraden- schwalles reden zu hören, als die Zuhörerschaft für die Werke der Dichter, Maler. Musiker, denen die jeweilige Veranstaltung gilt, ein« zunehmen. Fruchtbringender Samen muß in die Gemüter geworfen werden statt sie einzulullen. Die stumpfe geistige Trägheit vor« zugsweise des Bürgertums, an das sich wohl auch der Goetheverein wendet, zu brechen, ihm begreiflich zu machen, daß die Mission seiner Poeten sich in und an ihm erst erfüllen kann, wenn es deren Werke zu besitzen trachtet; ihm den Glauben zu nehmen, als habe es schon genug getan, wenn es, niehr au? persönlicher und gesellschaft« licher Eitelkeit, als aus innerlichem Drange künstlerischen Veranstaltungen dieser oder ähnlicher Art zuströmt; das wäre eine Kulturmission, die dem Goetheverein zufiele. Der Nutzen würde sicki zeigen. Herr Dr. Hanns Heinz Ewers, von WolzogensNebervrettl" her bekannt, hatte den rezitativen Teil übernommen. Abgesehen von einigen Goetheschen Gedichten trug er aus dem zweiten Teil des Faust die Szene: Kaiserliche Pfalz mit geziemendem Schattierungs- vermögen vor. Die beste und dankenswerteste Gabe bot jedenfalls Herr HansGernot. Er sang mehrere Lieder Goethes(Prometheus, Wanderers Nachtlied, Neue Liebe, neues Leben, Mailied  , Grenzen der Menschheit, An Schwager Kronos) in den herrlichen Kompositionen von Schubert   und Beethoven   mit schönen Stimmmitteln und edlem künstlerischem Vortrag. Herr Dr. James Simon be« gleitete die Gesänge diskret am Flügel. o. k. Astrouomisches. (Sie Zahl der sichtbaren Sterne. Die Zahl der Sterne, die mit Hülfe der besten Teleskope und der besten Photo- graphien sichtbar gemacht werden können, wird gewöhnlich auf rund 100 Millionen angegeben. Nach einer neuen Zählung von Gore muß aber diese Zahl als das äußerste Maximum bezeichnet werden. Gore zählte die Sterne auf den photographischen Sternkarten von Dr. Roberts und fand, daß auf einem Ouadratgrad in der Mittel- straße selbst durchschnittlich 4137 Sterne zu sehen sind, 1732 in der Nähe der Milchstraße gehörigen Region. Indem Gore diese Er- gebnisse mit den früheren Schätzungen von Professor Pickering be- züglich des Raumverhältnisses der Milchstraße   zum übrigen Firma- ment zusammenstellt, ergab sich die Zahl von 64 134 757 sichtbaren Sternen. Wahrscheinlich ist aber dieser Betrag etwas zu klein, da jedenfalls die Bilder einiger schwächerer Sterne bei der Re- Produktion der Robertschen Photographien zum Verschwinden ge- kommen sind. Humoristisches. Naturschwärmer.IS dat'n schönes Land, Heini Et grönt un blöht, un so weit das Auge sieht«ich een Schandarm I" Der Schwiegersohn.Ich muß Ihnen leider mit- teilen, daß meine Tochter ihr Vermögen erst nach meinem Tode ausbezahlt bekommt."So,«vie alt sind Sie denn?" Der neue KreiSgerichtspräsident Graf DünkelSheim kommt ins Kreisamt und sagt dort zum Amtsdiener:Wie ich höre, gibt eS in der hiesigen Gegend viele Bauern. Aeh... möchte diese Sorte Geschöpfe doch auch kennen lernen. Bringen Sie morgen früh einen Bauern I" Zu Befehl. Herr Graf I' erwiderte der Amtsdiener und geht ab. Nach anderthalb Stunden meldet er dem Präsidenten:Herr Graf, der Bauer ist schon da. Er steht draußen vor der Tür." Aeh bin momentan beschäftigt. Führen Sie den Bauern einstweilen in den Stall und geben Sie ihm einen Büschel Heul" (SimplicistimuS".) Verantwortl. Redakteur: Hans Weber. Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u. Verlagsanstalt Paul Singer LcCo..Berlin   ZW.