935 Der(Zarten dee Laubenkotomften. Dezember. Es läßt sich niemand gern ins Handwerk pfuschen, und doch gibt es Allerwelismenschen, die alles machen. Ein solches Universal- aenie war der selige Herr v. Schirp in Berlin  , von dem man jähre- lang an den Litfaßsäulen lesen konnte, daß er nicht nur alles machte, sondern auch alles am billigsten machte. Als Junge bin ich auch ein solcher Tausendkünstler gewesen, ich habe allen meinen Tanten und Cousinen die Töpfe geflickt, die Uhren wieder zum Laufen gebracht, Stuhlbeine geleimt und, wenn es sein mußte, auch einen kranken Kanarienvogel operiert. Herr Prietzke ist. wie man zu sagen pflegt, auch ein heller Junge, der gewissermaßen auch alles macht, obwohl er sich als Geldgießer selbst nicht gern in seine Arbeit pfuschen oder hinein- reden läßt. Als jüngst seiner Frau der Pricmeltopf vom Fenster- gesimse fiel, sie hatte gerade mit dem großen Reinemachen be- gönnen, das Ende November beginnt und zwei Stunden vor Weih- nachten beendet ist, machte sich Prietzke sofort daran, das Fenster- gesimse mit einem sogenannten Sicherheitsgitter zu versehen. Daneben leimte er auch den Topf und zwar derart, daß, falls er doch noch einmal herunterfallen sollte, er sicher nicht wieder an der geleimten, sondern an einer ganz anderen Stelle in Scherben geht. Das ist aber nicht alles, was Prietzke leistet, wenn er abends heimkommt. Er benutzt nun die langen Winterabende zur An- fertigung verschiedenartiger Gartengerätc und zur Reparatur der vorhandenen, natürlich zum Aerger seiner Frau, da er alle diese Arbeiten in der Küche zu erledigen pflegt. Mit Eintritt des Herbstes hatte seine Harke etwa das Aussehen eines zahnlosen Mundes. Prietzke hatte nämlich mit seinem angeborenen Orb- nungssinn so auf der Parzelle hcrumgeharkt, daß die Zinken zu seinem eigenen Erstaunen schließlich vollständig von der Bild- fläche verschwunden toaren. Zuerst konnte er sich das gar nicht erklären, dann aber stellte er durch eine an den vorhandenen Zinkenresten vorgenommene mikroskopische Untersuchung fest, daß es sich um sogenanntes Pavpelholz handele, das sich leicht schneiden läßt, aber auch leicht abnützt. Er hat sich nun daran gemacht, die stoppelartigen Ueberreste unter VeNvendung des Hammers und eines kurzen Eisenstahes aus dem Stiel herauszuschlagen! und durch neue aus Akazienholz zu ersetzen. Ich hatte ihn zuvor aber erst auf das richtige Holz gebracht. Akazienholz gehört zu den härtesten Holzarten und ubertrifft das der Eiche noch entschieden an Widerstandsfähigkeit. Akazicnpfosten überdauern ein Menschen- alter in-der Erde, bevor sie abfaulen, sind aber schwer zu haben, doch an Waldrändern und an Feldgehölzen bietet sich immer Ge­legenheit, geeignete Aeste zur Anfertigung von Harkenzinken zu schneiden. Man kann sie im frischen Zustande zu Zinken verar- beiten, die man dann trocknen läßt. Solche Zinken, die man nie an gekauften Harken findet, halten bei ständigem Gebrauch, je nach Beschaffenheit des Bodens, 2 bis 3 Jahre stand. Aus gleicher Holzart fertigt sich Prietzke jetzt auch sogenannte Pflanzhölzer, mit deren Hülfe er Gemüse- und Sommerblumenpflänzlinge setzt. Er versieht die Spitze dieser Hölzer mit einem Messingmantel, da ihm dieses Metall als Gelbgießer näher wie Stahl und Eisen liegt und da es außerdem beim Arbeiten in der Erde blank wird und bleibt. So wie es hier Prietzke macht, sollte es jeder machen, der eine Parzelle bewirtschaftet. Es empfiehlt sich auch, alle zunächst nicht mehr zur Verwendung gelangenden Gerätschaften aus der Laube herauszunehmen und in Sicherheit zu bringen, zumal Lauben- einbrüche im Winter an der Tagesordnung sind. Man stelle aber die Gerätschaften, namentlich Spaten, Schaufel und Harke, nicht so wie sie sind, daheim in den Keller, sondern man befreie sie mit Schmirgelpapier von anhaftendem Rost und reibe sie danach zum Schutze gegen neues Rosten mit Petroleum oder gewöhnlichem Maschinenöl ein. Genau so verfährt man mit dem Gartenmesser, der Gartenscbere und der Baumsäge, welch letztere auch, wo es not tut, wieder mit einer Feile gehörig geschärft wird. Herr Prietzke interessiert sich jetzt auch für die Obstkultur und zwar für die richtige. Von Erdbeeren hat er ja bereits ein ganzes Beet auf der Parzelle, er meint aber, das seien keine richtigen Obstfrüchte, weil-sie nicht an den Bäumen wachsen. Er hat zwar einmal etwas von Baumerdbeeren im Inseratenteil eines Witz- Wattes gelesen, von denen jeder jährlich, ich weiß nicht wie viele Liter Früchte bringen soll, war aber helle genug, um herauszu- finden, daß es sich hier um Bauernfang handelt. Auf den Leim ,st er also nicht gegangen, aber zu mir. um mich zu fragen, was er neben Erdbeeren von Obstsorten noch anpflanzen könne. Ich habe ihn, zunächst zu Himbeeren und Brombeeren geraten. Bronv- beeren findet man auf Oedländereien und an Eisenbahndämmen. Himbeeren in den Laubwaldungen, aber es lohnt sich nicht, weder diefe noch die schmackhaften Walderdbeeren auszugraben, denn erstens kann man trotz aller Schlauheit dabei erwischt werden und sich wegen Waldfrevels eine Strafe zuziehen, für die man sich von vornherein das beste hätte kaufen können. Und zweitens schlagen alle Walderdbeeren, in den Garten verpflanzt, vollständig aus der Art, ihre Früchte entwickeln sich nur spärlich und ohne das an ihren natürlichen Standorten eigene Aroma. Die schönen Sorten aber, mit den verlockenden großen Früchten, sind auf die Garten- kultur zugeschnitten. Ich empfehle sie den Laubenkolonisten von allen Obstsorten in erster Linie, weil sie schon vom zweiten Jahre ab nach der Pflanzung ganz beachtenswerte Erträge geben. Bei Stachelbeeren und Johannisbeeren ist dies nicht der Fall, diese lassen, ebenso wie Weintrauben, drei bis! vier Jahre auf die erste mitsprechende Ernte warten. Nun haben aber Brombeeren und Himbeeren, die beide einer Pflanzcagattung aus der Familie der Rosengcwächse angehören, also auch nahe Verwandte der Edelrosci sind, eine unangcnehnw Eigenschaft, die in gewissem Maße auch manchen Menschen eigen ist, sie bleiben, trotzdem sie keine Beine haben, nicht da, wo man sie hinsetzt. Die gleiche Stelle bietet diesen rasch- wüchsigen und rasch zehrenden Gewächsen nicht lange auskömm- lichen Lebensunterhalt, sie saugen den Boden aus und schieben sich weiter. So erscheinen dann vom zweiten Jahre ab überall Schoß- linge aus den Wurzelrhizomcn, den-das Erdreich flach durch- ziehenden Wurzelstämmen, hervorgehend. Da kommt ein Schößling mitten aus dem Weg heraus, dort einer aus dem Erdbeer- oder Kohlbeet. Man muß dann immer hinterher sein, um den Nach- wuchs da, wo er umnöglich ist, auszugraben. In neuerer Zeit ist es aber auch gelungen, Sorten zu züchten, die keine Ausläufer treiben, also da bleiben, wo man- sie hinsetzt, und man kann sie auch jahrelang auf derselben Stelle stehen lassen, wenn es nicht an reichlicher Düngung fehlt.. Ich war selbst gezwungen, in meinen Pflanzungen alle alten Sorten auszumerzen, womit ich zwei Jahre zu tun ljatte, da aus den kleinsten Wurzelstückchen, die im Boden bleiben, junge Schößlinge hervorgehen. Jetzt habe ich nur noch eine amerikanische Brombcer- und eine ebensolche Himbcersorte, die keine Wurzelbrut entwickeln, sich aber deshalb auch nicht von heut und morgen in beliebiger Zahl vermehren lassen. Die Brom- beere heißt Lucretia  , sie bringt pechschwarze, bis 3� Zentimeter lange Früchte von heidelbecrartigcm, säuerlichem Geschmack. Sie sind zur Reifezeit das Labendste, was man genießen kann. Tie mehrere Meter lang werdenden Triebe dieser Sorte sind faden- dünn, liegen auf dem Boden und müssen, oamit die Früchte zur Reifezeit nicht schmutzen, hoch gebunden werden. Sie sehen an den girlandenartig gebundenen Schnüren prächtig aus, und bilden so lebende Fruchtgirlanden, denen zur Reifezeit schwer zu wider- stehen ist. Meine Himbeere ist eigentlich schon keine waschechte Himbeere mehr, sondern aus einer Neigungsehe zwischen einer Brombeere und einer Himbeere hervorgegangen, sie heißt Logan Berry. Von der Himbeere hat sie das schöne Blatt, das übrigens, wie Oft Rinde, prächtig tief rot gefärbt ist, und die rote Fruchtfarbe, von der Brombeere die stattliche Größe der Früchte und das angenehm säuerliche Aroma. Ich habe diese Himbeere an Spaliere gepflanzt, an welchen ich die Triebe fächerartig aufbinde. Bei der Kultur dieser Beerensträucher ist zu beachten, daß man die Triebe im Hochsommer fast wachsen sehen kann, so schnell schießen sie empor. wenn auch wicht so schnell wie die Triebe des Bambusrohres, bei welchen es vorkommen kann, daß man einen am Abend auf die Spitze gehängten Hut am nächsten Morgen nur mit Hülfe einer Stehleiter wieder herunterholen kann immerhin erreichen sie bis vier Meter Länge in einem Jahr. Was in dem einen Jahre gewachsen ist, blüht und fruchtet im nächsten. Nach der Fruchtreife sterben diese Triebe langsam ab und werden dann dicht über dem Boden fortgeschnitten. Nun darf man aber nicht annehmen, daß dann die Sträucher von der Bildfläche verschwunden seien, bei Leibe nicht. Im Vorsommer haben sich neben den blühenden und fruchtenden Trieben bereits neue Schöße aus dem Boden heraus- gehoben, die bei Brombeeren gleich in der Stärke eines Schuster- daumens herauskommen. Diese bilden den Ersatz an Fruchtholz für das nächste Jahn und werden, nachdem die abgetragenen ent- fernt sind, gleichmäßig verteilt an daS Spalier angeheftet. Pflanzt man nun jetzt Brombeeren und Himbeeren sie können den ganzen Winter hindurch bei frostfreiem Boden gepflanzt werden so ist es vorteilhaft, die diesjährigen Triebe nach der Pflanzung dicht über dem Boden wegzuschneiden, so daß nichts mehr von den ge- pflanzten Gträuchern zu sehen ist. Die versetzten und deshalb in ihrem Wurzclvcrmögen gestörten Pflanzen haben eben nicht die 'Kraft, gleich im nächsten Jahre normale Blüten und Früchte zu entwickeln, deshalb schneidet man die Triebe weg. Damit erreicht man bei gutem Boden gleich im ersten Jahre die EntWickelung eines kräftigen Triebes  , der dann im nächsten Jahre befriedigenden Fruchtertrag bringt. In meinem praktischenTaschenbuch für Gartenfreunde' habe ich durch Abbildungen veranschaulicht, wie frisch gepflanzte Brom  - beeren gcfchnitten werden sollen, wie sie gewöhnlich falsch ge- schnitten werden und wie der nächste Trieb bei richtigem Schnitt aussieht. Die Himbeeren und speziell auch die Brombeeren ver- langen einen mindestens 60 Zentimeter tief gelockerten und gut gedüngten Boden, sie haben eben einen unverwüstlichen Appetit, und wenn sie den nicht stillen können, so ist und bleibt ihr Wachstum ein kümmerliches. Meine Brombeeren kamen in rigoltes, reichlich mit Mist gedüngtes Erdreich; sie haben Triebe wie Kletterbäume entwickelt, an denen man aber nicht emporklettem kann, da man sich an den verdammten Stacheln die Hände und Hosen zerreißt. Der Fruchtertrag von vier Pflanzen war im vorigen Jahre groß, in diesem Jahre enorm; ich konnte ihn nicht zwingen, und mein Arbeiter durfte sich aus dem llebcrfluß Brombccrwein fabrizieren. Wenn er jetzt gelegentlich einen großen Affen hat. ist es nicht meine Schuld, denn Bronibeerwein gehört zu den starken Getränken, die nicht im Magen bleiben, sondern in den Kopf steigen und, wie ma zu sagen pflegt, hier alles aus dem Häuschen bringen. Max Hesdörffer.