Bincs Gcifterbcfchwörerö letzte Inspiration. von Knud Rasmusse n.") Die Frühlingsstürme verschnauften sich; man war ja auch schon tief im Mai; plötzliches Tauwetter hatte alle Felsen weinen machen, daß der Schnee an ihnen herunterlief, und ein paar der grötzten Bäche hatten den Versuch gemacht, ihre Eisdecke zu sprengen. Die Sonne selbst segelte heiß und froh über den Himmel hin und war !o eingenommen von deni großen herannahenden Sommer, daß sie ich gar nicht mehr zur Ruhe begab hinter dem Horizonte. Die Eskimos aber, welche wußten, daß derBrutmonat", der Juni, stets die letzten Zuckungen des Winters bringt, nahmen den Umschlag mit seiner Hitze und seinem Sonnenschein als ein Kuriosum auf. Die Schneestürme sammelten bloß neue Kräfte, meinten sie, und sie sollten recht bekommen. Aber daß der Sommer nahte, war trotzdem kein Trug! Das Eis vor der Niederlassung war von Strömungen zerrissen, und auf den Eisschollen lagen träge Robben und sonnten sich. Vom Meere herein drang ein lang- gezogenes, eintöniges Brüllen und Pfeifen: das kam von alten, ortsvertrauten Walroßmännchen her, welche landwärts zu ziehen begannen; sie wußten, daß das Eis zum Tode verurteilt war. Dicht unterhalb der Häuser lagen in ein paar großen Waken Winterenten und Lummen und keiften, daß ihr Geschrei das Echo in den Felsen weckte. Die Eidervögel fingen schon an, über die vorspringenden Landspitzen hinzustreifen; von weitem hörte man das singende Sausen ihrer Fittiche denn sie flogen um die Wette in großen Haufen nach ihren Brutinseln. Scharen von Weibern und Kindern hatten sich drüben bei den großen Vogelfelsen niedergelassen; in lauschenden Gruppen lagen sie auf den Steinhaufen; die ganze Felswand war lebendig ge- worden, und ein vielstimmiges Gesumme wogte herab von alledem, was sich da auf den Felsabsätzen bewegte. Die Sturmvögel waren gekommen und die Alken! Zu oberst auf den Frlszinnen wohnen die Sturmvögel; weißen, schwirrenden Schneeflocken gleich durchsegeln sie die Luft und sehen mit Verachtung herab auf die Alken, die weiter unten, in halber Felsenhöhe, ihre Nester bauen. Die Alken kommen in wimmelnden Scharen und finden kaum Platz; sie laufen auf den Gesimsen herum und sehen gar drollig geputzt aus mit ihrer weißen Brust. Wohl ist der Felsen groß genug, allein sie balgen sich trotzdem um die Wohnungen; sie hacken nacheinander und schreien, doch ihre hitzigen Scheltworte schmelzen in den Ohren der Menschen zusammen zu einer großen rollenden Lautwclle. Ganz unten auf den niedrigsten steilen Klippen lassen die Möwen sich nieder, völlig verwundert, daß andere sich das Leben so schwer machen mögen. Sie gucken zu den Schwärmen über ihnen empor, recken die Flügel, hopsen ein wenig auf derselben Stelle herum und falten sich hierauf wieder zusammen, um in tiefes Nach- denken zu versinken. So vernünftig sind die Möwen. Aber dann kann es geschehen, daß man von den Felszinnen her mitten in allem Vogelspektakel ein raschelndes Donnern der- nimmt, und dann kommt ein Bergsturz herabgesaust. Der Himmel verdüstert sich einen Augenblick, und eine Wolke von Sturmvögeln, Alken, Lummen und Möwen stieben kreischend über das Meer hinaus. Dort draußen beginnt das Erwachen; der große Sommer naht!" sagen da die Eskimos. Die Kinder laufen um die Wette unter den Felsen, die toten Vögel aufzulesen. Und bald werden große Scheiterhaufen angezündet, damit der erste Vogelfang des Jahres gekocht werden könne. Davon müssen alle kosten. Ein solcher Tag also war's. Wachstum lag in der Luft und Unruhe in den Menschen. Ein paar junge Mädchen hatten ihre Kleidung von sich geworfen und spielten Haschen über eine Ebene hin; das erweckte Jubel unter den jungen Männern, die sich ihnen lachend anschlössen. Ein alter Eskimo hatte ein Rcnntierfell auf der Erde ausgebreitet und lag nackend da und verspeiste seine Kopf- läuse. An seiner Seite in derselben Toilette säugte die Tochter ihr Kindchen. Ganz unten am Meere auf dem untersten Eisrand lagen die Hunde, ließen die Zunge weit zum Halse hinaushängcn und stöhnten ob der Hitze. Es hing über dem Lande jener schioere Frühlings- dunst, den die Sonne aus der erwachenden Erde aufziehen kann, und alle Menschen waren froh und gut und hatten nur Gedanken für den Tag, den ihnen die Sonne gab. Da ertönte über den Platz hin«in Ruf, der alle aufschreckte; wie ein Steinschlag an ) Aus Knud Rasmussen , Neue Menschen, ein Jahr bei den Nachbarn des Nordpols, deutsch von Elsbeth Rohr.(Verlag von A. Francke, vorm. Schmid u. Francke, Bern . Preis 3,60 M.). R. gibt in diesem Buche äußerst interessante Schilderungen von den Polarcskimos, die er mit derdänischen literarischen Grönlandexpedition" im Winter 1963/04 besuchte. Da er selber Grönländer und Sohn einer Eskimomutter ist, hat er sich in An- schauungen und Sitten mit nachempfindendem Verständnis zu der- setzen gewußt. Von besonderem Wert sind die dem Buche bei- gegebenen Proben von den Lebensanschauungen dieses nördlichsten Volksstammcs. einem Vogelfelsen wirkte der. Er wiederholte sich nicht, er war schon gehört worden, und alle liefen hinunter nach dem Hause, in dem Sagdlork wohnte. Sagdlork war der größte und älteste Geisterbeschwörer de» Stammes, und er nun hatte seinen Niederlassungsgefährten mit» geteilt, daß er beabsichtige, Geister zu beschwören. Seine Frau war krank geworden, und da wollte er versuchen, sie zu heilen. Das Haus war dicht ans Meer gebaut. Männer und Weiber versammelten sich deshalb unten auf dem Eisrand; die kranke Frau saß auf einem Schlitten unten inmitten der Leute, und ihr Sohn stand neben ihr. Oben auf dem Hausdach dicht beim Fenster saß der Geisterbeschwörer Kale, der seine Kunst von dem alte» Sagd- lork gelernt hatte; darum sollte er in seines Meisters Nähe sein; Sagdlork selbst aber war allein im Haus. Jegliche Arbeit auf dem Platze hörte auf; niemand durfte sich rühren. Als ich hinkam, wurde mir sogleich bedeutet, still zu stehen. Alle Gesichter trugen ein ernstes, andächtiges Gepräge. Sagdlork war aus altem, gefürchtetem Geschlecht. Sein Oheim und sein Neffe waren als gefährliche Seelenräuber gemordet worden, und Sagdlork war der einzige gegenwärtig Lebende, der nach Aussage seiner Landsleute die Weisheit der Väter ererbt hatte. So gab es keinen anderen Geisterbeschwörer, der aus seiner eigenen Haut herauskrabbeln und sie hernach wieder anziehen konnte; er vermochte dies. Jeder, der einen solchenfleischnackten' Zauberer erblickte, mußte sterben, behauptete man. Das also war Sagdlori. Seit langer Zeit hatte er keine Geisterbeschwörung abgehalten. weil er krank gewesen. Am selben Tag noch war er auf einem Schlitten zwischen den Häusern herumgezogen worden, da seine Beine steif waren von der Gicht. Und nun wollte er trotzdem die anstrengenden Beschwörungen abhalten. Als ich zu seinem Hause kam, guckte ich durch das Fenster zu ihm hinein. Er sah allein auf seiner Pritsche und rührte die Trommel. Als er men: Gesicht am Fenster erblickte, hielt er mit Trommeln ein, lachte z>? mir empor und sagte:Lauter Narrenstreiche, dummes Gaukel- spiel! Lügengeschichten alles zusammen!"(pilugsingnartunga, maungainsarffuag oqulutsiarnialermiunga, sagdlutfiarnialermi» unga!>, und dabei wackelte er entschuldigend mit dem Kopse. Ich nickte ihm zu und wollte ihn gerade etwas ftagen, da packte mich jemand gewaltsam von hinten an der Schulter und riß mich vom Fenster weg. Es war einer unserer christlichen Grön- länder Gabriel, welcher sehr großen Respekt hatte vor den Heid- nischen Mysterien. Kale aber, der oben auf dem Hausdach saß und des alten Weisen Worte überwachte, schaute herab auf uns unwissende Christen und sagte mit Würde:Geht zur Seite und steht stille! Niemand bewegt sich während der Geister» beschwörungen I" Ich stellte mich neben einem Nachbarhause auf und erwartete, was da kommen würde. Lauter Narrenstreiche! hatte der Alte ja mit echt eskimoischer Koketterie gesagt. Ein Geisterbeschwörer leitet stets seine Beschwörungen mit einigen sich selbst und seine Fähigkeiten herabsetzenden Worten ein. (Schluß folgt.) kleines Feuilleton. Winterblnmentreiberei im Zimmer. Im Winter Blumen im Zimmer zu treiben, ist kein großes Kunststück, aber verstehen mutz man eS. Können bei der Treiberei ini Zimmer auch nickst jene Er» folge erzielt werden, von denen jedes Blumengeschäft Zeugnis ablegt, so beftiedigen die im Zimmer möglichen Erfolge den Blumenfreund doch gar sehr. Drum schauen wir einmal. wie'S gemacht wird. Das einfachste und sicherste: Von zeitig im Frühjahr blühenden Sträuchern wie Forsythie, Mandelbauni, Schlehe, Kirsche und ähn» lichen verschaffen wir uns jetzt ein paar Zweige, die durch die Ber» Mittelung eines Gärtners leicht zu bekommen sind. Auch Zweige von der Sahlweide, von Pappel, Erle, Haselnuß, Seidenbart und anderen FrühjabrSblühern unserer heimischen Fluren find recht brauchbar, wenn sie auch etwas weniger farbenprächtige Blumen er» geben. Die Zweige werden in ein mit Wasser gefülltes Gefäß im Zimmer oder in der Küche aufgestellt. DaS verdunstende Wasser wird stets durch frisches ersetzt. AlleS andere kommt dann allein. Je wärmer die Zweige stehen und je höher der Feuchtigkeitsgehalt der umgebenden Luft ist, um so schneller werden die Blumen er scheinen. Etwas umständlicher wird das Verfahren schon, sobald statt der abgeschnittenen Zweige ganze Pflanzen getrieben werden sollen. Der Erfolg ist aber auch ein umso größerer. Die Pflanzen müssen einen Sommer hindurch nn Topfe gepflegt werden so weit man die Pflanzen ihrer Größe halber überhaupt im Topfe ziehen kann. Hierzu ist natürlich ein Gatten erforderlich. Derattige vorkultivierten Treibpflanzen sind aber auch beim Gättner zu haben. Haben wir solche Pflanzen, so sorgen wir für möglichste Gleichmäßigkeit der Wärme und der Feuchtigkeit, die den Pflanzen zuteil wird, und die Blumen werden in viel größerer Schönheit erblühen als es bei ab« geschnittenen Zweigen der Fall zu fem pflegt. Recht einfach gestaltet sich auch die Treiberei von allerlei krautartigen Pflanzen, die im Frühjahr unsere Fluren