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Ansporn. Hier in Chicago fommen sie in Massen zu uns, beziv. die Umwandelung des Kleinbürgerlichen Deutschlands in ein die Bewegung wächst zusehends. Chicago ist der Mittelpunkt großfapitalistisches und das Aufsteigen der um die gleichen sozialen der Industrie des ganzen Landes, und nirgends sind die Ge- und politischen Rechte kämpfenden Arbeiterklasse aufrollen, um die Unterschiede bor und nach des der famosen Errichtung werkschaften so stark. Aber ihre Organisation hat den Ar­beitern bis jetzt noch wenig Gutes gebracht, denn die Arbeit- boch hohenzollernschen Kaisertums anzudeuten. Die Jungen waren aber die Sprößlinge des Bürgertums, dessen reifere geber haben sich ebenfalls zusammengetan, und so gingen die Jahrgänge fich Aimo 1848/1849 für Revolution mit Streits bis jetzt gewöhnlich fehl. Sobald die Gewerkschaften Barriladen und Straßenkämpfen intereffiert hatten. In ihren aber zerschlittert sind, treten die Leute zu den Sozialisten Schwarmgeistern lebten ähnliche Sehnsüchte auf. Aber weil sie zum über." verstockten Liberalismus ihrer bürgerlichen Sippe teine gangbare Brücke finden konnten. so fuchten sie ihr Heil bei der aufstrebenden Arbeiterklasse. Sie erschien ihnen als Siegfried; mit ihr hofften fie der fünstliche Anschluß der Jüngstdeutschen an das sozialistische eine baldige Wiederholung revolutionärer Stürme zu erleben. Daher Proletariat! Daher der Ansturm gegen die Literatur von gestern". und daher der sozialistische Anbauch jener Bewegung wie ihrer Erstlingsdichtung! Später schon nach wenigen Jahren die ideologischen Schwärmer einsahen, daß die Arbeiterschaft für Knabenspiele nicht zu haben war, und daß der Sozialismus eine ernste Weltanschanung darstellt, deren Bekenntnis aber auch Opfer auferlegt, da retirierten sie sich fast alle zurück ins Bürgertum, um den rettenden Anschluß nicht zu verlieren. Die Zickzacklinie der modernen Literaturentwickelung durch allerlei Jsmen" ist charakte ristisch für den etwas umständlichen Weg, der teils aus Koketterie, teils aus egoistischen Brotkorbinteressen eingeschlagen wurde und natürlich auch die meisten zum Ziele führte.

Oftrinski erklärte die Organisation der Partei, die Methode, durch die sich das Proletariat selbst erzöge. Ueber­all, in jeder größeren Stadt sind Lokalvereine, selbst in den fleinen Städten werden sie nun rasch organisiert. 1400 Lokal­bereine eristieren bis jetzt mit einer Gesamtmitgliederzahl bon 25 000, die alle ihre Unterstützung beitragen zur Organi­ſation." ( Fortsetzung folgt.)

Eduard Engels

Gefchichte der deutschen Literatur.

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Von Ernst Kreowsti.

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Wollte Engel bei dem allem das ökonomische Moment nicht absichtlich überschen, so hätte er statt einer genieinplägigen Be trachtungsweise besser getan, sich aus S. Lublinstis Bilanz der Die Literatur- Geschichtswerke gehen dahin; die Literaturierte Moderne" Rat zu holen. Es ist nun freilich leichter, von Modeliteratur bleiben", fagt Engel. Trotzdem verfaßte er sein zweibändiges Werk. zu reden. Wie aber diefe Moden" entstanden sein mögen aus rein ( Leipzig und Wien 1906. G. Freitag u. F. Tempsty.) Es wendet materialistischen Beweggründen, die allerdings durch scheinbare fünft fich an die Nichtwissenden". Es soll für sie als Anregung und lerische Entwickelungsnotwendigkeiten sorgsam verhüllt wurden, das Wegeweisung zum eigenen Genuß der Literaturwerke" dienen. Leider zu sagen bleibt Engel schuldig. Im ganzen beobachtet er zu der erreichen derartige Bücher diesen Zweck selten fast nie. Das modernen Literatur seit 1885 bis jetzt den Standpunkt des objektiv Gros der deutschen Leser ist gewohnt, nur gerade so viel literarisches scheinenden Historikers, der die Dinge nach ihrem effektiven Werte Wissen" aufzunehmen, als für seine gesellschaftliche Bildung" not- einschäßt insoweit eben eine geschichtliche Darstellung der Lite­wendig ist. Es schöpft gewisse Anregungen" weniger aus den ratur der Gegenwart überhaupt möglich ist." Er kommt dabei zu Werken der Dichter selbst, als aus Literaturgeschichten, die ihm dem Ergebnis, daß die jüngstdeutsche yrit tatsächlich den Vergleich das Wissenswerteste" darbieten. Diese lettere Absicht verfolgt mit der seit Goethe nicht zu scheuen habe, im Gegenteil reicher sei auch Eduard Engel . Daß er Liebe für seinen Gegenstand und weit über diese hinausstrebe. Als das beste am mitbringt, wird niemand bestreiten. Nicht streng fachlicher Kritiker modernen Drama erachtet Engel: das e8 das Publikum will er sein, nur kompetenter Vermittler. Nun ist es ja heutzutage zum ernsteren Verstehen herangezogen habe; er bestreitet nicht mehr schwer, eine Geschichte der deutschen Literatur, fagen wir jedoch mit augenscheinlicher Berechtigung, daß eben jene bis auf das nachklassische Epigonenzeitalter, zu schreiben. Dies Dichtung den Geschmack der Masse auf die Dauer wohl Riefenmaterial liegt in tausendfacher und vielfältiger Sichtung und tätig beeinflußt habe. Dieser Ansicht wäre allerdings entgegen zu Bearbeitung da. Gründliche Belesenheit. gepaart mit sicherem Urteil balten, daß das Theaterpublikum einer Großstadt wie Berlin in und ungetrübtem Sehvermögen für das Bollwertige, ewig Dauernde ewig fluttuierender Bewegung ist, und somit derlei Einflüsse sich nur oder zeitlich Gebundene vorausgesezt, wird man wohl zu einer ab- schwer geltend machen können, oder erst nach langer, langer Zeit an geschlossenen Darstellung gelangen. Es dreht sich hierbei vornehme die Oberfläche steigen. lich um Wiederholung feststehender Urteile, Berichtigung nicht mehr Mit der erzählenden Dichtung ist Engel am wenigsten zue zeitgemäßer Anschauungen nach der Formel der heutigen Literature frieden. Er vermißt bei ihr trotz aller Kenntnis der Kunstmittel forschung sowie endlich um eine übersichtliche Gliederung des des Romans" irgendwelche Fortschritte, und ist der Meinung, daß Stoffes. Da fönnen wir fast überall mit Eduard Engels die Ausübung der reinen Erzählungskunst in den letzten Auffassung und Darstellungsweise einverstanden sein. Mit Jahrzehnten eher gelitten" habe. Sobald Engel die Bes vollem Recht verficht er den Standpunkt: Literaturgeschichte ist rechtigung neuer ästhetischer Maßstäbe anerkennte, würde er nicht Sittengericht. Sein Eintreten für Heine, um ein einsehen, daß er fich geirrt hat. Als bezeichnende Beispiel anzuführen, wirkt wohltuend gerade in unseren Tagen, wo Auswüchse der modernen Literatur in ihrer Gesamtheit ein Herr Adolf Bartels im Narrengewand des allteutschen" Judens unterstreicht er das Getue" als einen der schlimmsten Krankheits fressers gegen den Dichter loszieht. Auch gegen Engels Meinung: teime neuerer Kunst, aber auch des Lebens." Ferner verurteilt er daß es heute nicht mehr recht angehe, Heine für den größten Lyriker die Mode- und Fremdwörtersucht. Man wird ihm ironisch bei nach Goethe zu halten, ist vom literarästhetischen wie historischen pflichten dürfen. Aber nun möchte ich verschiedene andere, nicht un Standpunkt aus nichts einzuwenden. Allzu engherzig urteilt Engels wesentliche Ausstellungen an Engels Literaturgeschichte machen. Wohl freilich über Heines soziale und politische Dichtungen. Erblicken wir ist es nicht möglich, daß jemand die literarische Gesamtproduktion mit Recht in ihnen seine eigentliche dichterische Größe, so findet der letzten zwei Jahrzehnte( nach ziemlich genauer Berechnung etwa er in den wigigen Zeitgedichten viel Freches und Unsauberes". 3500 Erzählungswerke und jährlich 600 gedruckt vorliegende Dramen Ueberhaupt befleißigt sich Engels gegenüber der sozialen die Lyrik zählt Legionen!) selbst gelesen haben könnte, ohne Dichtung einer höchst einseitigen Auffassung. Entweder, er gleitet vorzeitig verrückt zu werden. Man wird also auch nicht gleich an ihr mit bedauerndem Achselzucken ohne Verweilen vorüber, oder ein Verdammnisurteil fällen, weil dieser oder jener bes er verbannt sie vom Tempel der Kunst schlechthin als Tendenz- deutendere Autor zugunsten fleinerer oder gar tleinster poefie". Dagegen erhebt er, so oft sich hierzu Gelegenheit bietet, Talente übergangen wurde. Solche Unterlassungsfünden lassen die Vaterlandsdichtung" hoch auf den Schild. sich ja leicht bei einer Neuauflage des Werkes gut machen. In die letzte Periode der deutschen Literatur hinüberleitend, So vermisse ich eine spezielle Einbeziehung der österreichischen und bestreitet Engels zunächst, daß es wahr sei, daß die Dichtung füddeutschen Dialektliteratur. Vor allem fehlt Richard Breden nach 1870/71 völlig versagt habe. Zum Beweise des Gegens brüder. Bei anderen Autoren ist aus totaler Unkenntnis ein uns teils führt er einige Schriften von Keller, Anzengruber, Burchardt, zulängliches, ja vollkommen verkehrtes Verdikt über deren dichterische Nietzsche und anderen an, deren Entstehung in jene Jahre fiele. Er Lebensleistung abgegeben. Heinrich von Reder zum Beispiel bergißt jedoch zu bemerken, daß jene Schriftsteller erst durch die gehört zu den Altmünchener Krokodilen". Es geht nicht an, bloß Kämpfe des jüngsten Deutschlands in den achtziger Jahren beim feine Beziehungen zum Kreise der Münchener Modernen" lose zu Bublifum allmählich Geltung gewannen. Am deutlichsten zeigt sich erwähnen und dann an einer Ihrischen Gelegenheitsblüte den das bei Fontane , der nun erst als Romanschriftsteller Einfluß und Dichter als das männliche Bendant zur Großmeisterin unfreiwilliger Bedeutung erlangte. Der modernen Richtung bringt Engels Komit: der schlesischen Sängerin Friederike Kempner " hinzustellen. biel Wohlwollen entgegen. Gleichwohl scheint er sich über die Ur- Reders Schöpfungen wären Herrn Engel leicht zugänglich gewesen. fachen des, mit M. G. Conrad zu reden, literarischen Dessen berrliches Epos:" Wotans Heer" habe ich und mit miz Bauernfrieges" spießbürgerlicher Anschauung hinzugeben. Jim andere( Julins Grosse) bei seinem Erscheinen vor nun 14 Jahren patriotischen Zaumel über die Macht und Herrlichkeit als ein Nationalepos von wahrhaft hoher bleibender Bedeutung be des geeinten Deutschland ist jene Bewegung gewiß nicht entstanden. zeichnet. Und daß Neder ferner unter die größten Balladen­Das junge Geschlecht stand sa um 1870/71 noch im Kindesalter. dichter gehört, das sollte, meine ich, cinem Literaturhistoriker immer Aber während es heranwuchs, sah es um sich her ein ganz anderes bin bekannt sein. Andere Irrtümer sind u. a. folgende: Halbe Zeitbild, als es die Väter in ihrer Jugend gesehen hatten. Man ist in West-, nicht in Ostpreußen geboren. Der Schweizer Heer müßte hier die gesamte Entwickelung zum maschinellen Großbetrieb heißt nicht Gustav, sondern Jakob. Bani a ist zwar 1905

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