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Arzneimittel aller Art, verschiedenste Behandlungsmethoden Koch hat ferner gelebrt, daß das Tuberkulin, in bestimmten wurden erprobt, aber allen diesen Versuchen spottete die Seuche und Kleinsten Dosen dem Menschen eingeimpft, zur Feststellung der Diag rafft nach wie vor einen großen Teil der Menschheit hin. Besonders nose der Tuberkulose benugt werden könne; Behring hält die Reist es das Proletariat, das der Tuberkulose die meisten Opfer bringt. aktion, die nach Tuberkulineinsprigung bei vielen Menschen eintritt, Zweifellos ist die moderne Bewegung zur Bekämpfung der Tuber- durchaus nicht für einen Beweis von vorhandener Tuberkulose, fulose auch von der Arbeiterschaft wenigstens in Deutschland aus- da im Tiererperiment häufig Empfindlichkeit gegen Tuberkulingegangen und hat überall, wo sie Einfluß hat, in Gemeinden, einsprigung erzeugt worden ist, ohne daß bei der Sektion sich das Krankenkaffen, Invalidenanstalten darauf hingewirkt, die moderne geringste Anzeichen von tuberkulösen Herden gefunden habe. Heilstättenbehandlung der Tuberkulose möglichst weiten Boltsschichten Um die Uebertragung durch die Kuhmilch zu verhindern, hält zugänglich zu machen. Diese moderne Tuberkulosenbehandlung, deren nun Behring strengite Beaufsichtigung der Säuglingsmilch und Methode hauptsächlich auf den Heilwirkungen von Luft und Licht, energische Maßregeln zur Steinfreimachung der Milch für unbedingt guter Ernährung und Waffer beruht, hat mehr geleistet, als alle erforderlich. Sollten Behörden oder gefeggebende Organe sich auf bisherigen Heilmethoden, fie hat anscheinend im Verein den Standpunkt Kochs betreffe Unschädlichkeit der Kochschen Tuberfel mit der allgemeinen Besserung gesundheitlicher Einrichtungen die bazillen stellen und dementsprechend die Frage der Tuberkuloseüber Tuberkulosesterblichkeit in den letzten Jahren verringert. Nichtsdesto- tragung durch Kindermilch als unwesentlich betrachten, so hält weniger muß es ausgesprochen werden, daß auch diese Behandlung Behring die Folgen dieser Anschauung für außerordentlich ge der Tuberkulose leider auch weit davon entfernt ist, die Tuberkulose fährlich.
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fönne.
Nach wie vor bleibt also die Heilstättenbehandlung für das Proletariat als zurzeit beste Behandlung übrig. Sache der Arbeiterschaft ist es, für eine recht große Bermehrung der Heilstätten Sorge u tragen, damit der krante Arbeiter möglichst frühzeitig Aufnahme findet und möglichst lange die Kur benutzen kann.
Kleines feuilleton.
zu einer im allgemeinen heilbaren Krankheit zu machen. Trotzdem Als Heilmittel gegen die Tuberkulose empfiehlt Behring das von die Lungenheilstätten nur Kranke im Anfangsstadium aufnehmen, ihm erfundene Tulaselattin in erster Linie ala Schutzmittel im werden völlige Heilungen faft nie erzielt; meist muß man sich mit Sänglingsalter, in zweiter Linie zur Behandlung tuberkulös Besserungen und Verlängerung des Lebens und der Arbeitsfähigkeit infizierter Kinder und zu allerlegt erst bei bestehender Tuberkulose um eine Reihe von Jahren begnügen. Dies gilt natürlich wieder erwachsener Menschen. Bisher ist dieses Mittel erst im Tierversuch faft nur für das Proletariat und zwar hauptsächlich aus dem angewandt, und es ist noch sehr fraglich, ob es sich bei Menschen Grunde, weil bei der Ueberfüllung der Lungenheilstätten die Kranken ebenso wie bei Tieren bewähren wird, außerdem wird sich schwerlich biel zu lange auf Aufnahme warten müssen, sich in den jemand finden, der gesunde Säuglinge zum Zweck der Schußimpfung Lungenheilstätten viel zu kurze Zeit aufhalten( Jahr ist zu Versuchen bringen wird. biel zu wenig) und nach der Entlassung wieder in die Es ist klar, daß diese Anschauungen Behrings zunächst praktisch alte Misere der schädigenden Arbeit, der Unterernährung und für die Heilung und Vorbeugung der Tuberkuloie noch nicht in Frage des Wohnungselends hineinkommen. Nach allen bisherigen Heil- tommen. Die Wissenschaft wird sich erst darüber zu entscheiden methoden der Tuberkulose kann nichts weiter erzielt werden, als daß haben, ob die Immunisierung mit dem Tulafelattin imitande ist, die die Natur in ihrer Tendenz den Tuberkuloseherd einzuschließen und Säuglinge vor der Tuberkuloseübertragung zu schüßen. Darüber bom gefunden Gewebe dauernd zu trennen, unterstügt wird. wird noch lange Zeit vergehen, das fieht Behring ein. Denn er Zweifellos tommt es auch vor, daß solche eingefapielten Herde ver empfiehlt borläufig allgemein hygienische Maßregeln, denen man nur fallen oder bernarben, doch gehört dieser günstige Ausgang leider zustimmen tann. So fordert er die Entfernung der Säuglinge aus nicht zu den häufig vorkommenden. Die völlige Beseitigung der den Wohnungen tuberkulöser Eltern, verlangt staatliche und städtische Tuberkulose ist deshalb auch heute für die große Masse der Be Fürsorge für Brustnahrung und fünstliche Ernährung mit feimfreier Muh bölkerung ein unerreichtes Jdeal. milch. Anfäße dieser Art sind ja in lepter Zeit von einigen Gemeinden in Mit der Heilang der Tuberkulose hat sich seit Jahren auch Form von Säuglingsfürsorgestellen gemacht worden, doch sind sie bisher Professor Behring beschäftigt. Sein Name ist der Welt bekannt wohl meist qualitativ und quantitativ unzureichend. Schließlich kommt er auf Grund seiner Verfuche zu demielben Resultat, das auch schon geworden durch die Entdeckung des Diphtherieheiljerums, nach andere fozialhygienische Statistiken ergeben haben: daß das Beffen allgemeiner Anwendung die Diphtherie aus einer ber häufigsten und mörderischsten Kinderkrankheiten zu einer relativ Berbreitung der Tuberkulose hat und daß eine Befferung der mörderischsten Kinderkrankheiten zu einer relativ ohnungselend des Proletariats viel Schuld an der gewaltigen jeltenen und ungefährlichen geworden. ist. In bezug auf Wohnungsverhältniffe und der allgemeinen Lebenshaltung des die Behandlung der Tuberkulose ist Behring mun in einen scharfen Gegensatz zu Robert Koch , dem Entdecker der Proletariats vielen Nugen in der Bekämpfung der Seuche bringen Tuberkelbazillen, getreten und verteidigt seine Anschauungen mit großer Energie gegen die Autorität Robert Roche. Die Wiffenſchaft hat noch keine Entscheidung in diefem Streite gefällt, noch immer wogen die Anschaumgen hin und her, erst die Zukunft wird lehren, wer in dieser Frage recht hat, Behring oder Koch. Jedenfalls ist es intereffant, auch die Anschauungen Behrings populär darzulegen, aumal er felbft ebenfalls diese Frage aus der wissenschaftlichen Arena in die weiteste Deffentlichkeit gebracht hat; vor einiger Zeit hielt er in Stuttgart einen längeren Vortrag, der seine Thefen zur Behandlung der Tuberkulose enthält. An der Hand dieses Vortrages fann man am besten seine Ansichten studieren. Bon vornherein erkennt Behring die Verdienste Kochs um die Entdeckung des Tuberkelbazillus und um die Entwickelung der ganzen Batteriologie unumwunden an. Aber schon in bezug auf die Verbreitungsweise der Tuberkulose tritt er in einen Gegenfaz zu Koch. Koch und mit ihm die ganze heutige Hygiene ist der Ansicht, daß die Tuberkulose fast stets ihren Ursprung der Einatmung von tuberfelbazillenhaltiger Luft verdankt. Die Tuberkelbazillen werden achtlos mit dem Auswurf entleert, vermischen sich mit dem Staub, werden wieder aufgewirbelt und eingeatmet; gelangen fie nun in Lungen, die ihnen einen günstigen Nährboden bieten, so entwickelt sich die Tuberkulose. Dementsprechend war das Hauptaugen mert bei der Bekämpfung der Tuberkulojeverbreitung auf Beseitigung und Unschädlichmachung des Auswurfes und Staubes gerichtet. Das Ausspeien auf die Erde wurde verboten, der Desinfektion der Spud näpfe, dem nassen Reinigen der Werkstätten und Wohnräume wurde die größte Bedeutung beigelegt. Behring will diese Vorschriften natürlich nicht beseitigen, er glaubt aber, daß damit wenig geleistet werde, weil er der Ansicht ist, daß hauptsächlich die Menschen von Tuberkulose befallen werden, die Schwindsuchtskeime mit der Säug lingsmilch aufnehmen. Dieser Art von Tuberfelübertragung, die nach Behrings Ansicht viel häufiger vorkommt, wie die nach Kochs Meinung, ist durch Spuckverbote und Desinfektion des Auswurfes nicht beizukommen. Nach Behring gelangen also die Schwindjuchtsteime erst in den Magendarmtanal und erst auf dem Umwege durch den Lymphstrom in die Lungen. Aus diesem Grunde verlegt Behring den Beginn der Krankheit ins Säuglingsalter, während Koch das Jünglingsund erwachsene Alter als Hauptzeit der Schwindsuchtsansteckung bezeichnet. Ein weiterer Unterschied der Anschauungen Kochs und Behrings besteht darin, daß Koch seit einigen Jahren zu der Ueberzeugung gelommen ist, daß die Nindertuberkulose, die sogenannte Perlsucht, dem Menschen nicht gefährlich ist, während Behring die Bazillen der Rindertuberkulose, die auch durch die Milch in den menschlichen Organismus gelangen, für mindestens so gefährlich, wenn nicht noch für gefährlicher hält, als die Erreger der Menschentuberkuloje.
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Die Christnacht ohne Christmette. Die französische Weihnacht ist, wenigstens in den Städten, schon seit langem feine„ stille, heilige", sondern im Gegenteil eine sehr laute, unheilige Nacht, ein üppiges Freß- und Sauffeft, über dem Pantragruel als Patron waltet. Verbirgt sich im deutschen Fest hinter der christlichen Maske ein heidnischer Naturmythos, so bricht hier die unbändige Sinnes freude des Südländers unvermittelt hervor. Diesmal aber ist auch die religiöse Maske gefallen. Die Pariser haben ihren reveillon", die große Mitternachtsschlemmerei des 24. Dezember ohne frommen Borwand abgehalten. Genau wie in früheren Jahren waren in den Restaurants die Plätze vorgemerkt, die Speisenfolge feit Tagen dem Bublifum zu freudiger Erwartung und Vorbereitung der Magenarbeit bekanntgegeben. Nur das chriftliche Bräludium fiel aus- die Chriftmette So hat es der Erzbischof gewollt. Als Grund der Aufhebung hörte man das Bedenken äußern, es fönnte in den Kirchen zu llning tommen. Das aber war mehr ein Vorwand. Die Polizei wacht auch unter dem Trennungsgesetz über die Ruhe und sichtbare Sittlich teit in den Gotteshäusern. Und was in der ausgelassenen Pariser Christnacht etwa im Zeichen Carusos geschehen mochte, das fah die milde Kirche mit verzeihendem Verständnis an. Ein wirklicher wichtiger Grund für die Abiagung der Christmette ist materialistischökonomisch in den Finanzjorgen der Kirche zu suchen. Die Mette ist recht kostspielig, aber ehedem gewährte sie auch fette Cine nahmen. In der Weihnacht wurden besonders die vornehmen Kirchen wie die Madeleine und Saint- Eustache in förmliche Stonzertiale verwandelt, wo sich teuere Dpernfräfte zu hohen Eintrittspreisen hören ließen. Das ist jetzt anders geworden. Die heidnische Republit hat die Kirchen für jedermann zugänglich gemacht und den Pfarrern untersagt, Stühle gegen Geld zu vermieten. Unter folchen Umständen ist die Christmette eine unprofitable Energieausgabe ge worden. Aber ihr Ausfall bestätigt in seiner Wirkungslosigkeit nur, wie überflüssig fie geworden war. Da hilft teine Sentimentalität, die verwehten Glodenflängen nachweinen mag. Die alte Religion hat in den Köpfen und Herzen ausgespielt und lebt nur noch im Magen fort.
Weihnachten bei schwedischen Bauern. Die chriftlichen Feste find dadurch entstanden, daß die Kirche den heidnischen Festen