Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 1.
Dienstag, den 1. Januar.
1907
( Nachdrud verboten.)
Hall richtete sich auf und sah den kleinen Mann zum erstenmal an, leise schüttelte er den Kopf.
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Madame d'Ora.
Roman von Johannes V. Jensen.
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Die Mittagsglode an Bord des„ Bacharach " hatte die Passagiere hinabgerufen, die Decks lagen leer da. Oben auf dem oberen Promenadended wanderte ein Mann allein zwischen den Rettungsbooten und den großen Ventilatoren umber. Er trug eine Tasche in der Hand. Er ging nach vorne und stützte sich auf das Geländer, stand da und jah zu den Zwischendedpassagieren hinab, die in ihre groben Stojendecken gehüllt, rings umber auf dem Vorderded lagen. Es war ruhiges Wetter, aber die Fahrt des Dampfers erzeugte einen starten Zug; die Schornsteine heulten laut in einem sehr tiefen Ton; die farbigen Fenster in der Kuppel über dem Speisesaal waren ein wenig geöffnet, von Zeit zu Zeit fonnte man Violinen da unten hören.
Ein Herr kam die Treppe hinauf und stellte sich an das Geländer, nicht weit von dem mit der Tasche entfernt; er stand eine Weile da mit einer beobachtenden Haltung, machte dann unbemerkt noch einen Schritt, so daß er dicht neben dem anderen stand.
"
Guten Abend, mein Herr," sagte er, und es flang genau fo, als wenn er eine Dame auf der Straße anredete. Der andere wandte langsam das Gesicht zu ihm herum, antwortete aber nicht.
„ Schönes Wetter!" fuhr der sprechlustige Herr einen Grad befreiter fort. Sa, es weht ein wenig, aber das Schiff geht ja ruhig. Ha da wäre der Hut beinahe hingegangen!"
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Dann sollten Sie ihn festhalten!" sagte der andere. Der fleine breitschultrige Mann Lachte sehr hierüber und so nichtsahnend gutmütig, daß den anderen seine Kälte ein wenig gerente und er, ohne sich zu räuspern, etwas vor sich Hinmurmelte, daß es wirklich stark wehe, daß aber das Schiff trotzdem recht ruhig gehe
Lebhaft entgegnete der breite Herr: Ja, ist es nicht sonderbar! 3u anderen Zeiten fann es gerade umgekehrt fein. Ich reifte von Shanghai nach Honolulu , und obwohl fich fein Wind regte, tauchten wir fast die ganze Zeit die Rettangsboote abwechselnd ein. Jesus Christus wie wir rotten! eine Dünung vermute ich. Aber gestatten Sie, daß ich mich vorstelle, mein Name ist Mason, Thomas M. Mason, London . Wir haben uns bei Tische gesehen, nicht wahr... Herr Edmund Hall.
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„ Ich hoffe doch, daß Sie Ihr Leben versichert haben," äußerte er mit trübem Lächeln.... Herr schuldigen Sie, ich habe Ihren Namen vergessen."
ent
„ Sie
Wie beliebt!" sagte Herr Majon und stutte. meinen, daß Gefahr im Anzuge ist? Einer der Kolben lect ein wenig, so viel ich hören famn. Ob ich mein Leben versichert habe- was wollen Sie damit sagen? Mein Name ist Mason
„ Hören Sie jetzt wieder," bat Hall und neigte das Obr nach der Richtung der Schornsteine. ,, Sören Sie, welds eine gute, gründlich zuverlässige Maschine! Die ist beinahe so lebendig wie ein Mensch, Herr Mason, und sie ist ehrlicher. Seien Sie ganz ruhig, Sie find völlig sicher. Wir anderen haben Ihretwegen schlaflos dagelegen.
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Mason sette die Beine auf das Deck, richtete sich stramm auf.„ Sm! Sie sagen, ich bin ficher. Vorhin fragten Sie, Gut. Um ob ich versichert sei. Schlaflos sagen Sie.... von etwas anderem zu reden. Was fagen Sie zu unserer berühmten Reisegefährtin d'Ora? Kennen Sie sie nicht? Nein, Sie fennen die Dame nicht, Herr Hall. Sehe ich Ihnen zu gut?"
Herr Majon lachte still und anspruchsvoll, brach aber ab und begann von neuem:
" Finden Sie es übrigens nicht auffallend, daß eine Dame aus der ersten Kajüte sich in dem Maße mit den Passa Sie gieren der zweiten einläßt? Finden Sie nicht? schweigen, Herr Hall. Ja, Schweigen ist bei einer solchen Gelegenheit vielleicht am allerberedetsten. Haben Sie den großen Laienprediger da hinten, achtern, in der zweiten Kajüte beobachtet, der sich wie ein Hahn spreizt? Die schöne Diva scheint Sorge um das Heil ihrer Seele zu haben..
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Hier schlug sich Herr Mason mif cinem Stnall auf den Schenkel und lachte ausgelaffen. Aber er brach wieder ab und fragte tastend:
" Finden Sie vielleicht, daß Madame d'Ora zu schön und zu gut ist... Sie lachen nicht, Herr Edmund Hall." „ Wollen Sie nicht hinunter und Mittag essen, Herr Thomas A. Mason?" fragte Hall mit leisem Tadel.
„ Ich bin überzeugt, Madame ist eine bezaubernde Hran gewesen, so vor fünf, sechs Jahren," fuhr Mason langsam fort, aber jetzt ist sie zu start. Nach meinem Geschmack. Jesus Christus ! ich will mit Ihnen wetten, daß fie die erſten zweihundert Pfund hinter sich hat. Aber Leben ist da, weiß Gott , in dem Körper! Der Kapitän hat auch ein Auge auf sie geworfen. Wenn ich der Kapitän wäre, würde ich Madame. einen Wink geben, sich in passendem Abstand von der Das ist mein Name." Sie scheinen nicht zuzuhören, Wundert es Sie, daß ich das weiß?" sagte Herr Mason zweiten Kajüte zu halten... in einer anderen, niederen Tonart, die er jedoch gleich wieder Herr Hall." Da unten auf dem Vorderbed ist einer, der auf der in leichten Scherz übergehen ließ. Wir sind einundsiebzig Mundharmonika spielt," murmelte Hall und drehte den Kopf in der ersten Kajüte, und die neunundsechzig habe ich mir vorsichtig nach Mason herum. Dann beugte er sich wieder nach der Passagierliste und den Nummern bei Tische gemerkt. vor und fah auf das Deck hinab, wo Haufen von Menschen Der Siebenzigste, das bin ich... Herr Edmund Hall. Hm, Herr Edmund Hall. Hm, Sie sind auch nicht seekranf; ich sehe, Sie rauchen. Auf im Schutz des Backs lagen. Die Dunkelheit gestattete nicht, die einzelnen zu erkennen. See rauchen fann ich nun doch nicht, obwohl ich nicht eigentlich seekrank werde; aber der Tabat schmedt mir nicht. Das ist eine Entbehrung. In gut drei Tagen sind wir in New York . Gestatten Sie mir eine Frage
"
Edmund Hall hatte dagestanden und ganz leise den Kopf gewiegt und an andere Dinge gedacht, er unterbrad Mason und fragte gedämpft:
Können Sie die Maschine hören?" Mason lauschte höflich einen Augenblid.
Sa- a. Sa! Sie sind Geschäftsmann, Herr Edmund Sail?" Hall antwortete nicht. Sie reisen für ein Haus, Herr Edmund Hall? Ich habe die Idee--"
Sören Sie doch einmal," sagte Edmund Hall leise, fast flehend, und beugte sich in der hereinbrechenden Dunkelheit vor. Stönnen Sie die Kolben hören? Das flingt wie ein großes Herz und da ist ein Nebengeräusch. Ein Klappenfchler
Sie find Ingenieur?" fragte Herr Mason mit einem Hastigen Blick. Ein Klappenfehler, sagen Sie- ist etwas an der Maschine in Unordnung?"
„ Hören Sie? Klingt es nicht sonderbar?" sagte Hall lächelnden Schwärmerei:„ Dieser jämmerliche Ton! Hören beinahe zuvorkommend. Er erhob die Stimme mit einer Sie doch, wie die kleine Melodie so süß gegen den Wind und die Wellen anweint. Nun schwimmen die Fische ein paar Seemeilen unter unseren Stiefeln und schnüffeln. Hören Sie nur, wie er spielt! Ah, wie flüchtig und fein er spielt. Wie fliegender Sommer, Sie wissen, im September! Wildgänse oben unter den Tauwolfen... ich bilde mir ein, der Kerl ist Bierfahrer oder Totengräber
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Er hat Talent," jagte Mason, freilich hat er Talent. Was spielt er doch?... Nach dem Ball."
Mason wiegte sich ergriffen und fing an, die Melodie zu fummen. Hall waste fich ungeduldig um, firierte den Mann, dann wandte er sich wieder ab und sah in die See hinaus, wo die Schaumfurchen, die der Bug zog, fich von den Suhaugen des Schiffes beleuchtet, fräufelten.„ Ach ja, ja!" rief Hall mit einem Seufzer aus, der wie Weinen Klang. Sie schwiegen eine Weile,