fein und gewalttätig aussahen, ruhten nun völlig, und auch der leidende Mund war still. Aber wie voll unbändiger Kraft stand sie da in ihrer starken, hochaufgerichteten Gestalt, welch eine Bracht und Unbezwinglichkeit waren in ihrer Haltung bereint.
Endlich bewegte sie sich, sah auf und veränderte den Ausdruck. Da war einer, der sich schon zweimal verbeugt hatte und mit ihr reden wollte, sie wandte sich um, und der Ernst schwand aus ihren Zügen:
( Fortsetzung folgt.)
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ausgelegt, wo die Ratten zu verkehren pflegen. Am nächsten Morgen werden diese Broden weggefressen sein, und wenige Tage später kommt ein großes Sterben unter die Ratten. Den Menschen Haus- und Wanderratte, der Wasserratte und deren Barietät, die selbst oder anderen Haustieren schaden die Bazillen nichts, nur der als Wühlmaus in den Gärten so großen Schaden tut, bringen sie sicheren Tod. Dieses neue Mittel ist allen Giften, speziell dem mit Strychnin vergifteten Weizen und dem mit Phosphor vergifteten Zucker bei weitem vorzuziehen. An Phosphor gegen Ratten nur in größter Not, und den mit Strychnin vergifteten Weizen schälen sie instinktmäßig, wodurch sie das Gift fast vollständig entfernen. Um der Ratten Herr zu werden, genügt es aber nicht, wenn Herr Briette allein in der vorgeschilderten Weise arbeitet, die mit Typhusbazillen infizierten Broden müssen in der ganzen Kolonie ausgestreut werden und der Sicherheit halber ist dann das Verfahren nach einigen Wochen nochmals zu wiederholen.
Der Garten des Laubenkoloniften. wandte er fich dem Garten zu. Alles war in die weiße Dede ge
Januar.
Nach langer Pause tam Herrn Priebke jüngst wieder mal der Gedanke, heraus nach seiner Laube zu gehen, um festzustellen, wie es da draußen bei ftrenger Kälte und fußhohem Schnee wohl aussieht. Er war der erste, der nach den jüngsten Frösten die Kolonie betrat und der an der Oberfläche gefrorene, hier draußen noch blendend weiße Schnee fnisterte unter seinen Füßen. Es bedurfte einer gewissen Kraftaufwendung, um die hartgefrorene Tür zu feinem Gartenparadies zu öffnen; dann ging er auf den Brunnen zu und versuchte vergeblich den Schwengel in Bewegung zu sehen. Eingefroren," brummte er vor sich hin, um sich darauf direkt der Laube zuzuwenden; sie lag ihm am meisten am Herzen. Im Schweiße seines Angesichts hatte er sie im vorigen Frühjahr mit seinem Freunde Meier aus Rigdorf zusammengezimmert, und wenn auch der wertvollste Inhalt vor Eintritt des Winters heimgeschafft worden war, so befand sich doch noch manches darin, was er nicht gern in Diebeshänden gesehen hätte. In den letzten Nächten hatten ihn wiederholt wüste Träume aus dem Schlafe geschreckt, es träumte ihm, ein Straßenräuber hätte sich in der Laube häuslich eingerichtet, das Kochgeschirr in Gebrauch genommen und die vorhandene Bank nebst der übrigen primitiven Holzeinrichtung als Feuerungsmaterial verarbeitet. Die Sorge war unnötig, die Laube erwies fich in tadelloser Verfassung, nichts dürfte auch ungeeigneter als Winterwohnung sein, als solch ein im Freien stehendes, allen Stürmen und der bitteren Kälte völlig preisgegebenes primitives Bauwerk.
In meinem Garten ist die Laube längst durch ein fleines massives Bauvert mit isolierten Wänden, gutem Fußboden und solidem Dache erseht. Ich habe Priezke schon früher einmal erzählt, daß ich darin bisher nur eine Winternacht verlebt habe, und kaum Lust verspüre, das Experiment auch nur ein zweites Mal zu wiederholen. Die Nacht war scheinbar endlos, und obwohl ich in dem kleinen Ofen gründlich eingeheizt hatte, fror mich bald in meinem Feldbette so furchtbar, daß ich mich wieder vollständig anleiden, späterhin noch doppelt in eine riesige Pferdedecke einwickeln hatte, daß ich erst nach geraumer Zeit wieder von meinen steifmußte, und doch, als es endlich Tag wurde, so furchtbar gelitten gefrorenen Gliedern vorschriftsmäßigen Gebrauch machen konnte. Seit dieser Zeit habe ich mit allen den Obdachlosen ein tiefes Mitleid empfunden, die gezwungen sind, bei Winterfrost in der LaubenKolonie zu übernachten; den Aufenthalt in der Wärmehalle würde ich solchem Nachtquartier entschieden vorziehen.
In Briektes Laube hatten sich aber andere ungebetene Gäste einquartiert, gespensterhafte, langschwänzige Gestalten mit tiefgrauem Pelz, sogenannte Wanderratten. Er fand hier Spuren, die darauf schließen ließen, daß diese Gäste vor Eintritt des Frostes das auf dem Boden stehende, mit Wasser gefüllte Kochgeschirr seiner besseren Hälfte als Badetoilette benutzt hatten, und entdeckte schließlich auch ihre Vorratskammer, in welcher alles Genießbare aus seiner und der Nachbarn Parzellen zusammengetragen war. Der ganze Boden schien vollständig unterminiert, die ausgeworfene Erde war an einer Gde fast meterhoch aufgetürmt! Die Rattenplage ist in diesem Jahre ganz furchtbar! Während die lästigen Gesellen im Herbst über weite Flächen verbreitet leben und dadurch weniger in die Erscheinung treten, haben sie sich mit Eintritt des Frostes in die ihnen am geeignetsten erscheinenden Lauben zurückgezogen, wo es fich für eine Ratte im Winter immerhin ganz angenehm wohnen läßt. Seitdem Frau Priezke Kenntnis vom Vorhandensein der Ratten hat, ist sie durch nichts mehr zum Betreten der Laube zu bewegen, neben den Mäufen fürchtet sie nichts mehr als Ratten, und sie würde, wie sie behauptet, lieber in einen Löwenzwinger
gehen als in die Laube.
Zum Glück hat die Wissenschaft in neuerer Zeit ein Mittel gefunden, durch welches wir der Ratten Herr werden können. Dieses Mittel ist ein Gegenstück zum Professor Loefflerschen Mäusebazillus. Es ist gelungen, Bazillen des Rattentyphus rein zu züchten. Diese Bazillen werden durch das Bakteriologische Institut der landwirtschaftlichen Hochschule zu Bonn in sogenannten Reagenzgläschen auf Gelatine in den Handel gebracht. Diese Reinfulturen löst man in reinem Salzwasser genau nach beigegebener Vorschrift und gibt dann in die Lösung so viel trockene Weißbrotstüde, daß die Flüssigfeit vollständig aufgesogen wird. Das alles ist im Dunkeln zu machen, dann werden asends die infizierten Weißbrotstücke da
Als Herr Priezke die Laube gründlich beaugenscheinigt hatte, hüllt, welche die Dichter das Bahrtuch der Natur zu nennen pflegen; dem Laubenkolonisten ist sie aber mehr, er sieht in ihr eine Schußdede für zarte Pflanzen, wie sie Menschenhände diesen nicht zu bieten vermögen. In einer Ede der Parzelle war durch die Mitwirkung des Schnees eine kleine Gebirgspartie zustande ge= tommen, mit mehreren zadigen Gipfeln, in welcher Priebke taum noch seinen mit so vieler Mühe aufgebauten Kompoſthaufen wiedererkannte. In dem Bestreben, sich in der frischen Winterluft wieder einmal förperliche Bewegung zu machen, und zugleich auch in dem Bewußtsein, damit etwas übliches zu vollbringen, nahm er Schaufel und Rohdehacke zur Hand. Die Hade hatte er sich von einem Freunde, einem Pflasterer, der nun feiern muß, gepumpt. Mit ihr begann er nun nach allen Regeln der Kunst den Kompost zu bearbeiten, die oberen hartgefrorenen Schollen herunterzuhauen und das Ganze umzusehen, so daß das, was früher zu oberst war, zu unterst ftam. Diese Arbeit zweimal im Winter ausgeführt ist von größter Wichtigkeit; Luft und Frost können dann wieder einwirken, und die vollständige Zersehung, wodurch uns aus diesen Gartenabfällen ein wichtiges Düngemittel entsteht, geht rasch von statten. Nachdem diese Arbeit getan war, mußte Priezke wieder an seine Frau denken, die ihn bei der Heimkunft stets zu fragen pflegte, ob und was er aus der Parzelle mitgebracht habe. Er ging an die Kohlbeete, die mit kräftigen Stauden bestanden sind, die alle weiße Mühen trugen und begann hier den ersten Grünkohl und die ersten rosenförmigen Knospen des Rosenkohls zu pflücken, wußte er doch genau, daß diese Gemüsearten erst nach Einwirkung kräftigen Frostes den höheren Geschmad erlangt haben, der ihnen eigen sein soll. Schwer bepadt, mit talten Füßen, aber mit heiterem Sinne, trat er dann den Heimweg an.
Ich hatte Priebke früher einmal gesagt, daß man auch im Winter, wenn Schnee liegt, jäen könne, und zwar dann, wenn das mit Schnee bedeckte Land im Herbst zuvor sauber gegraben und abgeharkt worden sei. Diese Arbeit hatte er sich aber vorläufig noch aufgespart, fie eilt ja nicht, wie er meinte, da sicher der letzte Schnee noch nicht gefallen sei. In früheren Zeiten war es mehr als blumen. Es hat dies so manches für sich, 1. heben sich diese Samen gegenwärtig üblich, feine Samen harter Gewächse auf den Schnee zu streuen, namentlich solche von Primeln, Aurifeln und Sommerdeutlich vom Schnee ab, und man sieht deshalb auf dem weißen Untergrunde, ob man auch richtig gleichmäßig und nicht zu dicht streut, dann aber dringen später diese Samen mit dem schmelzenden Schnee in den Boden ein, um dann bald unter dem Einfluß der Winterfeuchtigkeit zu feimen; sehr frühzeitiges und reichliches Blühen lohnt diese Winterarbeit.
Seitdem Frau Priezke die Laube meidet, und das ist schon lange her, wendet sie sich mit Feuereifer der Pflege ihrer Zimmerblumen zu. Aber auch bei dieser Arbeit stellt sie die praktische frischesten Grün prangender Schnittlauchtopf, von dem sie fast alle Seite in den Vordergrund. Am Küchenfenster steht ein im Tage etwas herunterschneidet, und neben diesem ein Topf mit Beterfilienwurzeln, der schon dreimal seinen Inhalt gewechselt hat. Die Wurzeln sind im Keller eingeschlagen, sie kommen nach und nach ans Licht und in den Topf, aber nicht in den Suppentopf, und unter dem Einfluß der Küchenwärme, die mit feuchten Grün wird dann so lange geschnitten, bis die Triebkraft der Dünsten geschwängert ist, treiben die Wurzeln bald aus und das Wurzeln erschöpft ist, worauf der alte Topf geleert und neu bepflanzt wird. In dieser Arbeit hat es Frau Priebke bereits zu großer Fertigkeit gebracht. Am Küchenfenster steht aber noch ein dritter Topf mit einem Myrthenstock. Diesen hat sich die älteste Tochter aus einem Zweigchen gezogen, das mit hundert anderen den Brautkranz ihrer älteren Freundin bildete. Auch dieses Stöckchen entsprechend, nach und nach zu einem kräftigen Bäumchen heranist frisch und lebensfreudig und soll, den Absichten der Pflegerin wachsen, aus dessen Zweigen sie dann den eigenen Brautkranz zu winden gedenkt, wenn, ja wenn ihr Freier, der sehr ungeduldig ist, nicht schon vorher zugreift.
Frau Briezke hat die Erfahrung gemacht, daß am Küchenfenster eigentlich alles am besten gedeiht. Sie glaubte zuerst diese Tatsache auf den angenehmen Speisengeruch zurüdführen zu müssen, der immer dann herrscht, wenn nicht gerade die Milch überläuft oder der Reisbrei angebrannt ist. Ich habe ihr aber plausibel gemacht, daß die Sache ihre Gründe in der höheren Luftfeuchtigkeit hat,