Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 13.

18]

Freitag, den 18. Januar.

( Nachdrud verboten.)

Madame d'Ora.

Roman von Johannes V. Jensen. Evanston war jetzt auf ein Thema gekommen, das ihn beredt machte. Edmund Hall aber saß da und ertappte sich darauf, wie ihn ein zunehmender Widerwille gegen diesen Mann erfaßte, obwohl es ihm sonst nicht einfiel, ihn in irgend eine Beziehung zu sich selbst zu stellen. Mit welchem Recht und aus welchem Grunde saß dieser wohlbeleibte Missionar jetzt da mit einem häßlichen Blick und ereiferte sich über ein Unrecht, das andere, ihm unbekannte Leute erlitten hatten? Evanston wurde indessen von Mc. Carthy zum Schweigen gebracht, der in Allan Kardec und Davis an Bord ging und in den Wolfen verschwand. Edmund Hall schnitt die Spiße einer Zigarre ab und zündete sie an. Mc. Carthy warf immer mehr Ballast aus. Während er schwebte, kam Frau Mc. Carthy aus dem Schlafzimmer herabgeschlichen und setzte sich mit einem vorsichtigen Blick zu ihrem Mann hinüber auf einen Stuhl. Edmund Hall zog fragend die Brauen in die Höhe, und als eine Pause entstand, beugte sie sich vor und flüsterte:

,, Sie hat geweint, jetzt schläft sie."

Hall erhob sich und stand da, den Blick unverwandt auf Me. Carthy gerichtet, bis dieser sicher auf der Erde landete. Sie wollen doch nicht schon gehen, Herr Hall?" rief Mc. Carthy aus, sich gleichsam an einem Baum haltend, bereit wieder in die Luft zu steigen.

1907

zu gehen, er stand im Schatten hinter der hohen Stehlampe, das Gesicht einem Bild an der Wand zugewendet.

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Die Herren wollen doch nicht gehen, weil ich gekommen bin?" sagte Mason bedauernd, mein Anliegen nimmt nur kurze Zeit in Anspruch, ich werde mich gleich wieder emp­fehlen.

Wenn Sie mir Ihre Adresse geben wollen, Herr Thomas A. Mason," sagte Mc. Carthy, so will ich heute abend noch in meinen Büchern nachsehen und Ihnen die ge wünschten Aufklärungen senden."

" Ich bin Ihnen sehr verbunden."

darauf. Dann verabschiedete er sich, indem er jedem die Majon zog eine Karte heraus und schrieb seine Adresse Hand gab.

ich wohl ein Wort mit Ihnen reden? Nicht jetzt, aber viel­ Herr Evanston," fragte er, als er zu ihm kam ,,, könnte leicht würden Sie mir sagen, wo Sie wohnen, dann sehe ich morgen bei Ihnen vor."

Sall sah staunend, daß das knochige Gesicht ganz aschgrau Evanston wandte sich langsam um, er antwortete nicht. war, und daß seine Augen matt aussahen.

,, Es ist übrigens nichts von Wichtigkeit," fügte Mason hinzu, als ihm Evanston nicht gerade willig entgegen zu kommen schien. Ich weiß, Sie sind Missionar in China ge­wesen, Herr Evanston , und ich dachte an die Möglichkeit, einige Aufschlüsse, um die es mir zu tun ist, von Ihnen zu erlangen. Vielleicht treffen wir uns einmal wieder.- Aber was was ist denn dies?"

Ein leises, knarrendes Geräusch an der Tür machte sich Wann haben Sie gedacht, den Kreis zu dem Vortrag hatte nur ein weißes Nachtgewand an, und das Haar war bemerkbar. Alle sahen dahin. Mirjam stand dort. Sie zu versammeln?" fragte Hall mit einer brutalen Höflichkeit, gelöst, das Lampenlicht fiel auf ihre nackten, dünnen Füße. die vielleicht niemand als ihm selber fühlbar war. Mc. Carthy wenigstens merkte nichts, er machte eine liebens- Die Augen ſtanden offen, aber sie saben nicht; die jungen würdige, entgegenkommende Verbeugung, war lauter Zuvor. Büge schliefen, der Mund war gerade so weit geöffnet, daß kommenheit. Ja, darüber mußte man reden sie den Eindruck machte, als atme sie. Sie schlief. Jetzt trat sie vor, die Augen fielen ganz langsam zu, als das Licht ſie berührte, öffneten sich aber wieder.

An der Haustür wurde geschellt. Mc. Carthy eilte mit einer Entschuldigung hinaus, um zu öffnen. Hall setzte seine blaue Brille auf und suchte nach seinem Stock. Aber er ,, Still!" flüsterte Edmund Hall befehlend. Und während fonnte nicht sofort gehen, denn der Mann, mit dem Mc. Carthy sich nun niemand vom Fleck rührte, ging Mirjam weiter draußen auf dem Gang erst fremd sprach und den er dann ins Zimmer hinein, ohne den Stühlen nahe zu kommen und zuvorkommend in das Zimmer einlud, war Thomas ohne die Arme zu heben. Sie ging dicht an eine Stubenwand A. Mason. heran und glitt in ihrer ganzen Länge daran entlang, blieb 7. ein wenig an dem Harmonium stehen und begann dann weiter Er fannte Evanston und Hall, und sie kannten ihn, aber zu gleiten. Evanston und Hall standen nicht weit voneinander. alle drei verbargen es einen Augenblick, jeder aus seinem Mirjam ging ihnen entgegen und blieb einige Schritte von Beweggrunde. Und sie fahen alle drei stark aus, jeder auf ihnen entfernt stehen; die andern hatten den Eindruck, als seine Weise, während der wenigen Sekunden, die sie einander wolle sie zu einem von ihnen hingehen, wisse aber nicht zu firierten. Mason war der Gewandteste, er tat, als erhole wem. Sie bog den Kopf ein wenig hintenüber, fie fah über­er sich endlich von einer ganz lähmenden Ueberraschung. irdisch aus in ihrer Feinheit und Ruhe, wie sie so dastand. Ja, ich sage, New York ist klein!" rief er famerad Dann wendete sie ganz leise und langsam den Kopf Hall zu, schaftlich aus und ging mit ausgestreckter Hand vor. Sie trat dicht an ihn heran und sah ihm gerade ins Gesicht. sind nicht die ersten bekannten Gefichter vom Promenadended Er beugte sich herab und begegnete ihrem Blick, der blind des Bacharach ", auf die ich heute gestoßen bin, Serr Evan- war, aber fanfter und tiefer als der Blick des Rehs im ston und Herr Edmund Hall. Wissen Sie übrigens, daß man Walde. Sie erhob die eine Hand und näherte sie seinem immer, wenn man von Bord eines Schiffes geht, jeine Mit- Herzen. Da zudte er zusammen und mich zurück. Mirjam reisenden auf die rätselhafteste Weise in der Stadt treffen erwachte, sie wandte sich stumm ab, legte den Arm über wird, nach der man fommt in einem Fahrstuhl, auf der ihre Augen und schien zu schwanken. Frau Mc. Carthy führte Straßenbahn, an Orten, wo es sich um Sekunden handelt, sie still hinaus. ob man zusammenstößt oder nicht, aber man tut es. Ich bin einmal mit einem Reisegefährten in einem Rettungsnes zu sammengetroffen, in das wir beide aus einem brennenden Hotel hinabsprangen und fragten: Wie geht es Ihnen," als wir uns von Angesicht zu Angesicht in dem Net sahen. " Ist Ihnen die Reise gut bekommen?" Einmal habe ich einen höchstgeehrten Mitreisenden in einer Zelle in Sing­Sing getroffen

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War dies letzte Zusammentreffen so ungeheuer zu fällig?" fragte Hall verzweifelt. Er wollte doch einen Stein in die dritte Mühle werfen, die dort zu mahlen anfing.

Mason hielt auch wirklich mit einem fnirschenden Laut an, nickte dann mit der allerfamiliärsten und anerkennend­sten Miene von der Welt.

,, Ein neues Versuchsobjekt, Herr Edmund Hall?" ertönte Masons Stimme mit einer stark verächtlichen Be­tonung. Und als Edmund Hall sich aus seiner Gemüts­bewegung herausriß und Mason erstaunt ansah, begegnete er einem dreisten, fast wilden Blick aus den Augen des kleinen Mannes. Der ist sicher Unteroffizier gewesen", dachte Hall. Was wollen Sie?" fragte er. Was gehen Sie hier überhaupt herum und sammeln unfaßliche Privatgeheimnisse, Herr Mason?"

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Thomas A. Mason trat dicht an Hall heran und bohrte den Blick in den feinen. Es war ein roher, tatkräftiger Blick, es lag Gewalt darin.n

,, Haben Sie die Güte, mich nicht mit Ihrer Person zu wärmen," sagte Hall. Ihr Atem ist auch keineswegs gut, Herr Mason."

" Nicht übel!" sagte er und kniff die Augen zusammen. Hall wandte sich gleichgültig von ihm ab und Me. Carthy sprach leise mit seiner Frau. Hall sah nach seiner Uhr, es war über neun. Evanston hatte sich ebenfalls erhoben, um er.

Mason zog sich zurück.

Sie werden schon erfahren, was ich will," kommandierte Und sich mit einer entschuldigenden Gebärde vor Herrn