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Manschetten aus Pappe oder Sackleinwand zu schüßen sucht, die er mit der offenen Seite nach dem Boden hin um die Stämme unterhalb der Krone bindet. Obwohl die Frostspanner Jahr für Jahr in ziemlich großer Anzahl auftreten, so erscheinen sie in ein zelnen Jahren massenhaft, und besonders an etwas nebeligen Winterabenden macht es sich ganz gespenstig, wenn der kahle Wald von ihnen durchschwirrt wird. An jedem Stamme, an dem ein unbefruchtetes Weibchen sitt, taumeln oft mehr als ein halbes Hundert Männchen, und am anderen Morgen liegen die toten Falter überall auf den Wegen oder schwimmen auf den Gräben, den Meisen, Spechten, Spik- und Waldmäufen ein willkommener Fraz.
Außer den Wintermüden und den Frostspannern gibt es aber noch einige Kerbtiere, die ausschließlich im Winter vorkommen, so die Gletschergäste, Boreus hiemalis, Westwoodii und gigas, drei bis vier Millimeter lange, dunkelmetallgrüne, flügellose, behende Tierchen, die an schattigen Stellen der Bergwälder zwischen dem Moose umherhüpfen. Ihre Gestalt und ihr Benehmen ähnelt den Gallwespen, doch sind sie mit diesen feineswegs verwandt, sondern gehören zu den Neuropteren, also zu den Wasserjungfern und Eintagsfliegen.
Zu der niedrigsten Infektengruppe gehören noch zwei andere Wintertiere unter den Insekten, nämlich zu den Springschwänzen, jenen bekannten winzigen, schmalen Tierchen, die gern auf und unter Blumentöpfen leben und die imftande sind, sich mit einer am Ende des Hinterleibes befindlichen, am Bauche anliegenden Sprunggabel weit fortzuschnellen, eine Konstruktion, die an die Spielwerte erinnern, die wie Kinder auf dem Lande mit Zwirn, Wachs und einem Streichholze aus dem Gabelbeine der Hühner sie herzustellen pflegen.
Das eine ist der Schneefloh, Degeeria nivalis, ein graugelbes, schwarzgesprenkeltes, zwei Millimeter großes Insekt, das sich in unseren Wäldern auf schmelzendem Schnee findet, auf dem es aller lei winzige Algensporen abweidet und munter hin- und herhüpft. Sein naher Verwandter, der Gletscherfloh, Desoria glacialis, der auch nicht größer, aber schwarz und lang behaart ist, lebt auf höheren Gebirgen, besonders in den Alpen, kommt aber auch schon im Riefengebirge vor. Dort ist er nur im Winter zu finden, während er in den Gletscherbezirken auch im Sommer lebt.
Auch unter den deutschen Landschneden finden sich zwei Gruppen, die Vitrinen und die Daudebardien, die man nur vom Herbste bis zum Frühling findet. Es sind kleine Tiere mit sehr dünnen, glashellen Gehäusen, die bei den Daudebardien so flein find, daß sie kaum ein Drittel des Leibes bedecken. Auch hier zeigt es fich wieder, daß die alpinen Formen im Sommer vorkommen, während man die Arten der Ebene und der Mittelgebirge erst im Spätherbste antrifft, während sie den Sommer als Ei tief im feuchten, fühlen Laube oder unter naffem Steingeröll in schattigen Schluchten und Mulden überdauern. Alle zu diesen beiden Gruppen gehörigen Arten sind einjährige Tiere und von räuberischer Natur, die von anderen kleinen Schnecken leben, deren Gehäuse sie mit ihrer mit vielen scharfen Kalfzähnen besetzten Zunge durchfeilen.
So winzig und unscheinbar diese Schnedchen sowie der Schneefloh und der Gletschergast auch sind, so sind sie für den Naturforscher doch viel interessanter, als manches große, auffallend gefärbte Wesen, einmal deswegen, weil fie, obwohl taum mit herbortretenden Schutzvorrichtungen versehen, imftande sind, bei hohen Kältegraden ein bewußtes Leben zu führen. Versuche, die man mit dem Gletscherfloh anstellte, ergaben, daß er eine Temperatur von zehn Grad Kälte, der man ihn in eingefrorenem Zustande aussetzte, ohne Schaden überwand.
Sodann sind diese Tierchen, wie die großen Gesteinsblöcke der norddeutschen Tiefebene, mit Sicherheit wohl als Ueberbleibsel aus jener Zeit aufzufassen, in der Norddeutschland Zehntausende von Jahren ein arttisches Klima hatte und in Eis und Schnee lag. Damals weidete an den Rändern der Gletscher Mofchusochse und Ren, Schneefuchs und Viällfraß, stellten dem Lemminge nach, der Jagdfalte und die Schneeule hausten dort, zwergige Birken und friechende Weiden bedeckten das Geröll der Moränen.
Sie alle verschwanden, als das Eis abschmolz und blieben nur noch im hohen Norden erhalten oder gingen, wie das Mammut, böllig unter. Einige Kerbtiere und wenige Schnecken allein blieben erhalten aus jener Zeit, in der der Mensch, mit Steingerät bewaffnet, in unserer Heimat dasselbe Leben führte, wie heute noch der Eskimo und der Grönländer, und sich die seltsamen flobigen Steinbauten als Wohnungen schuf, die hier und da zerstreut in Deutschlands Heiden erhalten sind, und die uns keinen ficheren Aufschluß darüber geben, wann und wie sie erbaut wurden. Aus toten Dingen, Gletscherschrammen an Steingeschieben, Knochen- und Steinwaffenfunden im Boden und Seeschlamm, Steinbauten in einsamen Heiden denkt sich der Forscher ein Bild jener Zeit zusammen, deren einzige lebende Zeugen, von einigen Pflanzen abgesehen, winzige Insekten und zwerghafte Schnecken sind.
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Kleines feuilleton.
Das Färben der Nahrungsmittel. Dem Publikum ist es beTannt, daß ein Teil der Nahrungsmittel gefärbt wird, um durch ihr gutes Aussehen die Käufer anzuloden. Ueber den Umfang und die Gefahren dieses Unfugs ist es aber nicht immer den Tatsachen entsprechend unterrichtet. In dem Journal der ameri.
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fanischen medizinischen Vereinigung werden jetzt einige dieser auf die Gedankenlosigkeit des taufenden Publifums berechneten Verschönerungsfünfte scharf beleuchtet. Zur Färbung werden selten die nächstliegenden Naturprodukte benutt. So wird die Gelbfärbung des Zitronensaftes gewöhnlich nicht mit Hülfe von Zitronenschalen, sondern unter Benußung einer Anilinfarbe vorgenommen. Gerade die billigsten Extrafte enthalten am meisten Anilinstoff; die teuersten, die natürlich gefärbt sind, verlieren ges wöhnlich bald ihre Farbe. Ebenso büßen die Erdbeeren, wenn sie tonserviert werden, schon nach furzer Zeit ihre natürliche Farbe ein. Durch künstliche Färbung werden die nicht mehr ganz einwandfreien und die halbreifen Früchte für den Käufer hergerichtet und von diesem mit Vorliebe gekauft. Bei einigen Nahrungsmitteln werden die Farbstoffe lediglich dazu verwandt, Wohlgefallen zu erregen, 3. B. bei buntem Zuderwert. In solchen Fällen fragt es sich nur, ob der benutzte Farbstoff schädlich oder unschädlich ist. Gewöhnlich gelten die Mineralfarben mit Ausnahme des Lajurblaues und einiger Eisenmischungen für schädlich, während tierische und pflanzliche Färbemittel für unschädlich gelten. Nur das Tierexperiment bermag über die Schädlichkeit eines Färbemittels zu entscheiden. Auf diesem Wege ist es gelungen, die Unschädlichkeit des Steinkohlenteers nachzuweifen. Ebenso wird die Anilinfarbe nur infolge gewisser Verunreinigungen giftig. Früher wurden diese Farben mit Hülfe von giftigen Metallen und Säuren, die giftige Metalle als Verunreinigungen enthielten, hergestellt, so daß die fertige Farbe meistens die gleichen giftigen Eigenschaften aufwies. Die neueren Herstellungsmethoden haben diesen Mißstand beseitigt, so daß die zum Färben der Nahrungs mittel benutzten Anilinfarben nicht mehr als giftig bezeichnet werden können.
Literarisches.
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Moderne Balladen. Avenarius bespricht im„ Runstwart einige neue Balladensammlungen und kommt dabei zu ähnlichen Ergebnissen, wie sie fürzlich von E. Kreowsli an dieser Stelle entwidelt wurden. Mir scheink führt Avenarius aus- uns fönnte im Balladenwefen eine Bewegung gut tun, die in einigem der Bewegung im Malerwesen ähnelte, wir brauchten sozusagen Freilichtballaden". Nicht als einzige, ja nicht, auch die moderne Malerei besteht ja durchaus nicht bloß aus Freilichtmalerei, so gut ihr die Bewegung getan hat. Man könnte auch sagen: wir brauchten eine naturalistische Bewegung in der Ballade. Hinein ins volle Menschenleben mit dem Griff und die Gestaltung zunächst so voraussetzungslos wie möglich; der Stil wächst den Talenten aus den Bedingungen der Arbeit von selbst, wenn auch nicht gleich beim ersten Versuch. Der Verkehr, die In dustie von heut, die Technik von heut, die Arbeiterbewegung, der politische Kampf- ich meine: da stecken der Balladenstoffe und der Balladenstimmungen, auch der ganz echten, düster- großen genug. Wahrscheinlich fogar so gewißlich mehr als in der Vergangenheit, als die Bedingungen unseres Lebens mannigfaltiger find. gerade die Einfachheit der Verhältnisse macht ja den Balladenstoff gut." Rein, fie macht ihn nur leichter gestaltbar. Auch das nicht so sehr aus Gründen, die im Einst liegen, denn diese Vorteile werden doch wohl aufgehoben von dem unschäzbaren Vorteil des miterlebens. Sondern, weil für die Behandlung des Neuen die Krücken fehlen, die Herr Vordermann gesägt und gehobelt hat.
„ Aber
Wir brauchten eine Balladenpoefie, die unter der Sonne des Heute empfangene Keime unter freiem Himmel fern von den Rüstfammern und Bibliotheken in eben dieser Sonne reifte. Und ich bin dessen in voller Zuversicht: wenn die wachsende literarische Bilbung erst unsere Dhren dafür geschärft hat, wo geschmiedete und wo Theaterschwerter aneinander schlagen, dann werden wir eine solche Poesie auch ganz von selber bekommen. Und damit auch auf diesem Gebiete einen wirklichen Ausdruck der Gegenwart nicht etwa statt des Ausdrucks dessen was einst war oder was zeitlos ist, aber immerhin neben ihm.
Aus dem Tierleben.
Die Amselfrage. Ob die Amsel oder Schwarzdroffel, die selbst in der nächsten Umgebung oder sogar im Herzen der Großstädte am häufigsten von allen Singbögeln zu finden ist, zu den nüßlichen oder schädlichen Vögeln gehört, darüber ist man sich noch nicht einig geworden. Es hat sogar einmal einen Amfelprozeß gegeben, bei dem ein Gartenbesiker wegen Uebertretung des Vogelschutzgesetzes angeklagt war, weil er die Amseln aus seinem Garten gewaltsam zu vertreiben gesucht hatte. Bei diesem gerichtlichen Verfahren teaten die Urteile über Nüglichkeit oder Schädlichkeit des Vogels scharf gegenüber. Jetzt hat Dr. Friedrich Knauer im Bentralblatt für das gesamte Forstwesen" dieser Frage eine gründ liche Auseinandersetzung gewidmet, wobei er auch das Verhalten der Singdrossel berüdsichtigt hat. Es tönnte nun den Vogelfängern nichts angenehmer sein, als wenn die Schädlichkeit dieser Vögel wirklich derart nachgewiefen würde, daß sie ihnen nach Belieben nachstellen tönnten. Zunächst ist dazu zu bemerken, daß die Singdroffel heute mehr als jeder andere Singvogel eine Art von äfthetischem Wert befibt, weil sie eben gerade den an Naturgenüffen armen Städter mit ihrem Gesang erfreut. Uebrigens sollen erst 20 bis 30 Jahre vergangen sein, seit die Amsel begonnen hat, fich in den Städten anzusiedeln, hauptsächlich wohl, weil sie dort vor