Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 27.

27]

Donnerstag, den 7. Februar.

( Nachdrud verboten.)

Madame d'Ora.

Februar.

1907

Ste

Sie ließ die Arme an den Seiten herabhängen und ließ ihm Zeit zu sehen, wie alt und grau sie war. Sie hatte die Farbe aus ihrem Haar entfernt, aus ihrer rotblonden Mähne, und es in einer schwermütigen Rofetterie noch weißer ge= pudert, als es in Wirklichkeit war. Die Schminke, die in all Roman von Johannes V. Jensen. den lezten Jahren stets ihr Gesicht und ihren Hals bedeckte, Die Unterredung mit Evanston , an die Madame war verschwunden, so daß man die Haut in ihrem ganzen d'Ora kaum zu denken wagt, die sie um keinen Preis erhob lächelnd ihre eine Hand und zeigte selbst auf die groben zerstörten Elend sah, wie einen verkohlten Bauplay. erwähnen darf, schürt ihre Angst und Unruhe, die Unheimlichkeit der Sitzung verwirrt fie, alles steigert Flecke unter den Ohren, sie blinzelte mit schweren, faffee­braunen Lidern, die unter dem pulverblauen Schatten der sich zu einem Gefühl drohender Gefahr, unaufhaltsam tiefen Brauen lagen. Ihr Lächeln enthüllte eine große Lücke näher rückender Häßlichkeit. Sie hat nur einen einzigen in der einen Seite der Zahnreihe, die Lippen waren bleich Wunsch, und den empfindet sie jezt als bittere, physische Qual, und glanzlos. Sie stand da in einem einfachen, schwarzen sie will helfen, sie will retten, und sie kann nicht! Er will sich kleide, das von einem Gürtel um die reife Gestalt gehalten nicht helfen lassen, er hat sich verschlossen. war. Allen Schmuck hatte sie abgelegt, sie trug weder So findet sie endlich instinktmäßig einen Ausweg, so wie Schlangen in den Ohren noch Brillanten an der Kehle, und in alten Zeiten, wenn Edmund sich hinlegte und sie glaubte, an ihren großen, weißen Händen blitte nicht ein einziger daß er ihr unter den Händen sterben würde. Sie fühlt, daß Ring. Nichts, was strahlte, nichts was Licht fing und sie ruhig werden muß, fie muß ihn einzig und allein durch schimmerte. Sie sah gleichsam kleiner aus. Aber das strenge ihre Nähe, durch ihren Glauben heilen. Und sie seufzt, zwingt leid verlieh dem üppigen Körper einen Ernst und eine alle ängstlichen Gedanken zurück, sie sammelt sich, faßt sich, Sammlung, die fast mehr blendeten als die früheren ver atmet regelmäßig und ruhig. Jetzt erst merkt sie, in welcher wegenen Toiletten, und das weiße, wilde Haar bildete einen Spannung sie sich befunden hat, sie wird so müde, so müde. mystischen Glorienschein um den Ausdruck von Schmerz und Aber sie faßt sich immer mehr und mehr. Sie weint einen Ruhe im Gesicht. Der Mund war noch verzweifelt und schön, Augenblick, dann fängt ihr Herz an, Wärme zu verbreiten. und die Augen brannten wie früher von Edelmut und Leiden­Sie ſigt still, sie wacht getreulich. schaft. Sie war fühner denn je. Sie sah, wie Hall sprachlos von dunkler Neue und Staunen dastand, und da hob sie die Brust und lächelte, glücklich im Gefühl neuer Demut und neuer Kraft.

Der Raum draußen vor den Fenstern ist tiefblau. Unten raft der L- Zug vorüber, macht das Haus erzittern.

Edmund Hall schläft, die Spannung hat nachgelassen, er ruht. Madame d'Ora sizt da und sieht seine Augen an, die im Schlaf nicht ganz gefchloffen sind. Die Augäpfel zittern und schimmern unter den Lidern wie geschmolzenes Blei. Hin und wieder spricht er im Schlaf, schmerzlich und liebevoll, und sie hört ihn nach Eld rufen.

,, Als ich heute morgen erwachte, Edmund, konnte ich nicht mehr," sagte sie und lachte, es lag eine unaussprechliche Wärme in ihrer Stimme.

Ich konnte nicht mehr. Die Wiederholungen der Jahre bedrückten mich, ich wurde mir selbst unmöglich. Ach, es ist Eld," flüstert er mit einem freudetrunkenen Klang, den ja gerade dieser ewig sich wiederholende Kampf, die Jugend fie kennt, ach, den sie vor zehn Jahren gekannt hat. Und sie zu bewahren, der uns alt macht. Ich bin nicht mide, sieht sich verwundert und ungeduldig um in dem großen Edmund, aber mein Gott, was habe ich mich nun seit tausend Laboratorium, das in einem schwachen Lichtschein von den Jahren gelangweilt. Und dann heute morgen war da so erleuchteten Häusern draußen und von dem des Mondes da etwas Sonderbares und Schönes beim Erwachen, ich weiß liegt. Das Kabinett ragt schwarz auf, mit hängenden nicht, ob ich geträumt hatte, oder ob ich fühlte, daß es mein Draperien wie eine Bahre. Die Maschinen und die chemischen Todestag war... ich war heute morgen so wunderbar Apparate erscheinen in dem großen Raum wie sonderbar fröhlich und klug. Ich badete im Meer, ich fuhr hinaus und verrenkte und schmerzgekrümmte Gegenstände. Elly", Stöhnte Hall falt und heftig im Schlaf. Elly!" tauchte in dem erwachenden Tage unter. Da war eine große, Madame d'Ora legt ihre Hand auf seine schweißperlende grüne Welle, die dahergebraust kam und mich halb tot füßte.

Stirn; er zittert, er bebt im Schlaf.

12.

Es vergingen ein paar Wochen, und die Wärme, die so lange der ruhelosen Stadt den Charakter einer Folterstätte verliehen hatte, fing an nachzulaffen. Die Listen von denen, die umsanken und am Sonnenstich starben, nahmen ab. Aber noch immer schnurrten die elektrischen Fächer in allen Kon­toren und Cafés. Regen fiel nicht über der versengten, pulverisierten Stadt, deren harte Umrisse nur von dem Dampf und dem elektrischen Rauch gemildert wurden, den fie selber entwickelte, oder von dem Aschennebel, den ein Waldbrand landeinwärts erzeugte.

An einem solchen klaren, unbarmherzigen Tag, als die Sonne von einem wolkenlosen Himmel auf die Riesenstadt herabflammte, die entblößt ihren Strahlen preisgegeben war, fam Leontine d'Ora zu Hall, um ihm lächelnd ihr weißes Haar zu zeigen.

Ah! Ich fang ein Lied da draußen ganz allein. Und da habe ich refigniert. Jest wollen wir alt sein, interessant und tief. Ich bestellte mir Ralph zum Frühstück, und der lange, schöne Junge verstummte genau so wie Du. Er wandte sich ab, ich glaube, er zerdrückte eine Träne. Er kommt übrigens in einer Stunde hierher, um Eld zu sehen, Du hast mir ja erlaubt, ihn heute zu der Sigung mitzubringen. Er raucht nicht und trinkt auch nicht, das Wurm. Er hat um mich angehalten, Edmund, Ralph hat um mich angehalten." Wirklich?" sagte Hall zerstreut und ganz ohne Interesse für das, was in dieser Mitteilung lag; er sah indeffen Leon­tine aufrichtig an, als ob er sich unter allen Umständen freuen würde, wenn es ihr gut ergehe. Tränen traten ihr in die Augen, aber fie verbarg es

"

Aber ich mußte nein sagen. Weißt Du, aus welchem lächerlichem Grunde er mich liebt? Er sagt, weil ich eine Vergangenheit" habe, ist es nicht allerliebst? Daß ich genau doppelt so alt bin wie er, das macht gar nichts, gerade nach meinem Alter, nach den Urzeiten in mir, sehnt sich der galante junge Dichter. Er hat Verwendung dafür für sein Amerika , denn Amerika entbehrt der Vergangenheit. Ralph hat nichts weiter als die Eiszeiten und dann natürlich die Indianer und die viel zu frischen Mythen der Emigrantenzeit, ihn verlegt. Er liebt es, vor den Klippen draußen im Bentralpark, die von dem Gletscher einer ungeheuer fernen Bergangenheit gefurcht sind, in Nachdenken zu verfallen,- als wenn man nicht in jeden beliebigen Stein Rizen mit einem Hammer machen könnte. Aber, siehst Du, er behauptet, ich sei für ihn das personifizierte Europa , er sagt, ich trage die Kultur all der alten Reiche, ihren Lenz, ihren Sommer

Er erkannte ihr Pochen, aber als er öffnete, wich er zurück, starr vor Schrecken. Da draußen stand eine ältere Dame, eine große und stattliche Frau mit schönen Gesichts­zügen und Augen wie Sterne. Es war Leontine. Sie lächelte ruhig und trat ein. Mitten im Sonnenschein stehend, in die er sein Haupt hüllen kann, wenn der amerikanische Tag nahm sie ihren Hut ab, er war von entsagendem Umfang und mit violeten Blumen, sie nickte ihr dichtes Haar war weiß! Ja, ich bin es," sagte sie, und selbst in ihrer tiefen Stimme lag etwas Alterndes, etwas nicht mehr Lächelndes; aber da sie so traurig und bewegt war, flangen ihr Worte schöner als Vogelgesang im Walde. Ich hab' mich ergeben, Edmund!"

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