Nachweis auch zweifellos einen groheu theoretischen Erfolg, fo wäre damit allein für die Praxi» noch nichts gewonnen. Durch Einspritzen deS MuskelgisteS in die Adern von Pferden ist es jedoch W. scheinbar gelungen, auch daS ersehnte Gegengift und Heilmittel, ein Serum gegen Ermüdung, zu gewinnen. Sein Verfahren war dabei ein ganz ähnliches, wie es schon lange von Behring zur Erzeugung des Diphtherieserums angelvandt wird. Der Beweis, das; es sich bei dem aus dem Pferdeblut ge- Ivonnenen Stoff wirklich uni das Ermüdungsantitoxin handelt, wurde folgendermaßen geführt. Brachte man einem Meerschweinchen oder einem anderen Versuchstier durch den Mund oder mittels In- ieklion(Einspritzung unter die Haut) eine Kleinigkeit des Serums 1 Milligramm ist bereits genügend) bei, so konnte ihm darnach ruhig eine starke Einspritzung des ErmüdungSgifteS gemacht werden, ohne daß sich eine Spur von Mattigkeit oder andere schädliche Folgen bemerkbar machten. Daß auch die körperliche Leistungs- fähigkeit beim Menschen durch den Genuß des Serums erheblich gesteigert wird, beweist am besten folgender Versuch, der wörtlich mitgeteilt fei: Ergographenversuch(der Ergograph ist ein von einem italienischen Physiologen erfundener Apparat zur Messung der absoluten Muskelkraft):„Ein junges Mädchen hob am 10. Juli nach längeren sorgfältigen Vor- iibungen mittels des rechten Mittelfingers 2 Kilogramm 1,533 Meter hoch. Am 13. Juli hob dasselbe Mädchen, nachdem sie viermal 0,25 Gramm Serum in Pastillen genossen, 2 Kilogramm 2,487 Nieter hoch. Am 27. Juli, nach vollkommenem Verschwinden des künstlich in den Körper gebrachten Antitoxins, hob sie 2 Kilogramm nur Z,<Z70 Meter hoch." Wir seben also, daß die MuSkellcistung durch Wchandlung mit Ermüdungsserum nahezu verdoppelt wurde. Wochen- lang nahm W. selbst täglich Dosen von Ve bis 2 Kilogramm seines Mittels, ohne irgend eine Störung des Wohlbefindens zu verspüren, im Gegenteil konnte er eine Erhöhung der körperlichen und geistige» Leistungsfähigkeit wahrnehmen. Welche neue, ungeahnte Perspektiven eröffnen diese Forschungen für jegliche» Sport, HochgebirgStouren und alle anderen angespannten Leistungen. Bleibt einer erniatlet zurück, schnell eine Serumpastille und mit frischer Kraft kann er von neuem beginnen. Der Phantasie ist ein weites Feld gelassen, sich alle Möglichkeiten auszumalen. Doch Scherz beiseite, erweisen sich die Forschungen W.s, und nichts be- rcchtigt daran zu zweifeln, als richtig, und ist es erst möglich, daS EnnüdungSsenim m größerer Menge herzustellen, dann kann eS in her Tat berufen sein. z. B. im Operationssaal bei Eintritt von Schwächezuständen, doch auch als Heilmittel bei Neurasthenie und zur Unterstützung der Rekonvaleszenz nach den verschiedensten Krank - heilen eine wichtige Rolle zu spielen. Aus der Pflanzenwelt. Neue Sagoarten. Der Sago stammt von einer Palmenart, die lm Deutschen einfach als Sagopalme, in der Botanik als dletrax�Ius esZo bezeichnet wird. Heimisch ist sie in den Wäldern von Borneo und den benachbarten Inseln. Nach neuen Forschungen, die in einer französischen Zeitschrift zusammengefaßt werden, scheinen sich aber noch andere Palmen der gleichen Familie zur Sagobereitung zu eignen. Die Gewinnung des Sago geschieht derart, daß der Baum an, Boden abgeschnitten und von sämtlichen Blättern sowie von den äußeren Schichten der Rinde befreit wird. Dann wandert er in die Werkstatt eines besonderen Präparators, der den Stamm weiter schält, bis nur der Markzylindcr übrigt bleibt. Dieser wird in Streifen geschnitten, die auf Matten der Sonne ausgesetzt werden. Nachdem die Maffe getrocknet ist, kommt sie in den Mörser, wird durchgesiebt, dann befeuchtet und so lange im Wasser gelaffen, bis sich die mehligen Körner am Boden und an den Wänden des Gefäßes abgesetzt haben. Nunmehr wird die Flüssigkeit abgegoffen und der Rückstand zwischen zwei Platten ge- rollt, wodurch seine Bestandteile die rundliche Form der bekannten Sagokörner annehmen. Diese Körner werden noch mit Dampf hehandelt und dann wieder getrocknet. Durch ein erneutes Sieben wird der Sago nach verschiedener Größe des Korns ausgesondert. Der Umstand, daß der ganze Baum der Sagogewinnung geopfert werden muß, läßt es besonders wünschenswert erscheinen, daß sie nicht auf eine einzige Pflanzenart angewiesen bleibt. Von Wichtig- keit ist die Feststellung, daß verschiedene Palmenarten aus ihrem Stamm einen guten Sago hergeben, wenn sie nur zur richttgen Zeit gefällt werden, nämlich bevor die Bildung der Früchte einen großen Teil des Mehlgehaltes aus dem Stamme heraussaugt.. Notizen. Der Fall Hildebrandt. Auf die Angriffe, die die sozial- hcmokratitche„Münchener Post" gegen den Münchener Bildhauer und Klassizisten Professor Adolf v. Hildebrandt wegen seines merk- würdigen Verhaltens als erster Preisrichter in verschiedenen bayerischen Denkmals- und Brunnenkonkurrenzen richtete, hat der Angeklagte überhaupt nicht geantwortet. Ein königlicher Akademie- Professor, Tischgenosie an der Tafel eines Prinzregenten steht eben zu hoch, um auf Anfragen der roten Presie, die seine menschliche »ind künstlerische Integrität betreffen, Antwort geben zu müssen. Aber dem„März", dem neuen Organ der Leute vom„Grünen Mops", hat er geantwortet. Einmal durch' die offiziöse Denwntierkorrespondenz Hoffntann, die„die Aufstellungen deS„März", soweit zunächst Brunnen« denkmäler unter Zuschußleistung des staatlichen Kunstfonds in Betracht kommen, als völlig unzutreffend" bezeichnet. Aber auch der schönste Bürgermeister Deutschlands , Herr Geh. Hofrat Ritter Dr. v. B o r s ch t. Münchens erster Konsul, ergreift für seinen schwer- bedrängten Freund Hildebrandt Partei und versendet an die bürger- lichen Blätter langatmige Erklärungen, teils„nach den Akten", teils nach dem Munde des Herrn Professor Hildebrandt, Der von der öffentlichen Meinung deS zu stark ausgeprägten Familien« sinns Beschuldigte hat nämlich Herrn Borscht erklärt, daß er als Preisrichter bei der Sendlinger Brunnendenkmalskonkurrenz „den preisgekrönten Entwurf seines Schwiegersohnes, des Architekten Sattler vorher nicht gesehen noch überhaupt gekannt habe." Und sein Mandatar Herr Borscht fügt ahnungsvoll hinzu, daß„die Eni- scheidung des Preisgerichts über die Entwürfe des Architekten Sattler genau ,m gleichen Sinne getroffen worden wäre, auch wenn Professor v. Hildebrandt nicht als Preisrichter fungiert hätte". Diese Ahnung wird jedenfalls von einen, großen Teil der Münchener Künstlerschaft nicht geteilt.— Zugegeben, daß Hildebraudts Vor- gehen durch diese immerhin einseitigen Erklärungen etwas entlastet erscheint, die Tatsache bleibt unbestritten bestehen, daß in mehreren staatlichen Konkurrenzen, wo Herr H. als e r st e r und ent- scheidender Preisrichter wirkte, nur solche Bildhauer Preise und Aufträge erhielten, die sich bereit erklärten, mit dem Schwiegersohn des Preisrichters zuianimenzuarbeiten. — Ein Mäcen. In Paris ist einer jener Geldmenschen gestorben, auf deren Gunst und Laune in der heutigen Gesellschaft Kunst und Wisienschaft so oft angewiesen sind. Man setzt die Frei- gebigkeit des einstigen Börsianers O f i r i S nicht ungerecht herab, wenn man ihre Wurzeln weniger in einer idealistischen Veranlagung als in den Zufällen seines persönlichen Schicksals und in dem Streben nach gesellschaftlichem An- und Auffehen sucht. Sein Auf- stieg zur Millionärherrlichkeit war nicht sonderlich erhebend. Daniel Jffla— das war der eigentliche Name deS Mannes, dem der Börsenulk den deS egyptifchen Gottes verlieh— hatte als ein kleiner, schlauer BankkommiS begonnen. Gegen Ende des Kaiserreiches Ivar er an einer arg unsauberen Baukunternehmung beteiligt und als der unvermeidliche Krach eintrat, zog er sich— mit einigen Millionen zurück. Einen Anteil diese? und seine? späteren Gewinnes hat er hernach der Gesellschaft in gemeinnützigen Stiftungen zurückerstattet. So widmete er dem Institut de France ein Kapital, aus besten Zinsen alle drei Jahre ein Preis von 100 000 Fr. für eine bedeutende wissenschaftliche Leistung vergeben wird. Da? letztemal hat ihn der kürzlich verstorbene Historiker Albert Corel erhalten. OsiriS hatte seine Frau und die Kinder, die sie ihm geboren hatte, frühzeitig verloren, und so mochte sich in dem Einsamen der Gedanke festsetzen, in der Nachwelt durch nützliche Werke fortzuleben. Daß er sich daneben zeitlebens aufs skrupel- lose Profitmachen verstand, beweist die Tatsache, daß er sein Ver- mögen in einem Bierteljahrhundert verfünffacht hat. Er hinter- läßt 50 Millionen Frank, wovon er die Hälfte dem Institut Pasteur gewidmet hat. Auch seine Schlöster und Grundstücke hat er öffentlichen Körperschaften und wohl- tätigen Anstalten vermacht, seine Kunstsammlung dem Staat. Der Kunstgeschmack des BörseumanncS war allerdigS sehr frag- würdig. So ist daS schmählich kitschige Denkmal M u s s e t S von Merciö, das vor dem TheStre Fran?ais steht, sein Geschenk an die Stadt Paris . Mit Rücksicht auf seine gemeinnützigen Leistungen und wohl auch auf das zu erwartende Legat willigte man, trotz deS Protestes vieler Künstler und Kunstverständiger in die Verunstaltung des herrlichen Platzes. Für sein Grab auf dem Friedhofe von Montmartre aber ließ Ofiris eine Kopie des— Moies von Michel Angela anferttgen. So zeigt sich die innerliche Fremdheit deS Kapitalismus gegenüber der Kultur gerade am Wirken eines Mannes, der noch lange nicht zu seinen schlechtesten Repräsentanten gehört. — Ein dänische? Schrift st eller-Legat. Der Kopen- Hagener Apotheker und Fabrikant Otto Benzon hat dem Literatur« Historiker Georg Brandes an dessen 65. Geburtstag am 4. Februar ein Legat von 25 000 Kronen überwiesen, wovon die Renten— 1000 Kronen jährlich— zur Uitterstiitzung dänischer Schriftsteller dienen sollen, lieber die Austeilung soll Brandes allein verfügen, und er soll auch seinen Nachfolger ernennen. Der Stifter des Legats ist selbst eine Reihe von Jahren im Nebenberuf als Schriftsteller tätig gewesen. Gleichwohl hat ihm seine Schriftstellertätigkeit, wie er an Brandes schreibt, in 25 Jahren nicht mehr als 20 000 Kronen eingebracht. Als Fabrikant von Apothekerwaren soll er allerdings 50000 Kronen jährlich verdienen. Er kann es sich also leisten. BrandcS hat das Legat, dankend im Namen der dänischen Schrift- steller, übernommen.' Sein Autwortschreiben ist in der dänischen Presse veröffentlicht worden.„Social-Demokraten" bemerkt dazu: „Georg Brandes meint, daß dänische Schriftsteller Herrn Otto Benzon preisen werden, dessen Legat„Jahrhunderte lang" bestehen werde. Wir unsererseits hoffen, daß die Zeit nicht mehr fern ist, wo weder Schriftsteller noch andere Leute, deren Arbeit etwas bedeutet für die menschliche Gesellschaft, daraus augewiesen sein werden, um dergleichen Unterstützungen nachzusuchen, und wo man nicht mehr seinen Namen dem„Vereine der angesehenen Männer" einverleibt durch diese Art Wohltätigkeit, wie sie heutzutage in der Errichtung eines Legats erblickt wird." Verantwortl. Redakteur: Hau« Weber. Berlin. — Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u. Verlagsanstalt Paul Singer LcCo.. Berlin 8W.
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24 (9.2.1907) 29
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