Irone. Aber auf unserer Stirn darf man nichts davon sehen,Kind."Dann tritt der Vater ins Zimmer. Er poltert ein wenig undsteckt sich, während er spricht, eine Zigarre an:«Nun, Frauen-zimmerchen? Wie stehen die Aktien? Mach' nur flink, dost Duwieder gesund wirst I Was wünscht sich daS Fräulein Tochter?Samt oder Seide? Etwas Buntes für ihre Augen und für die Augender... der Hahaha I"Und das Schönste. Das Allerschönste. Wenn der Frühlings-wind schlafen gegangen und die Stimmen der Eltern nur ganz ge-dämpft aus dem Nebenzimmer herüberUangen. Dann kams. Ja wasnur? Meistens sah es aus wie Engel. Schmale blasse Gesichter undlange wciste Gewänder. Sie standen um das Bett herrim undsangen mit feinen Stimmen. Manchmal aber lag auch ein froh-liches Rot auf den blasten Gesichtern. Dann nahmen die feierlichenGewänder kecke Farben an, unter denen sich jugendkräftige Gliederstrafften. Die Stimmen klangen nicht mehr fein und fern, sondernganz nahe und wie Meeresrauschen. Das machte die Leu'jedesmal zusammenschauern. Aber es war nicht Furcht.Es war wie niegekannte Freude, wie heimliche Lust, die durch ihreGlieder ging.Hans Heinrich wundert sich über die Len'. Sie sieht immer soweit weg und sagt gar nichts. Früher war das ganz anders. Daging ihr Mund nur so. Aber seiner auch. Doch heute hat er eineArt Scheu vor ihr. Es kommt ihm fast vor, als wäre es gar nichtmehr die alte Lehn', sondern eine andere, fremde.Nach einer Weile fast er sich ein Herz. Er ist doch schließlichnicht über den Zaun gestiegen, um der Len' nur gegenüber zusitzen.„Len'," sagt er laut.„Len'—."„Was, Hans Heinrich?" fragt sie ihn ansehend. Ihre Augenmachen ihn eigentümlich beklommen. Die tolle Freude schwindetund das namenlose Gefühl konrmt wieder. Er möchte aufspringen,zu ihr hinstürzen und irgend was sagen, so was ganz Verwegenes,etwas, was er noch nie gesagt. Aber er findet nicht die Worte. Ja,wenn's noch die alte Leu' wäre.„Len'," preßt er mühsam hervor.„Len'— Du— Du—es hat uns allen sehr leid getan, daß Du so krank warst— mir—mir auch."„Das ist hübsch von Dir", lächelt sie. Dann beugt sie sichüber das Buch.Hans Heinrich blickt ärgerlich zu Boden. Warum mir heute dieWorte so schwer kommen, denkt er. In den drei Wochen ohne siehat er sich so diel zurechtgelegt, was er sagen gewollt, und nunbleibt alles in der Kehle stecken. Früher ging das alles so leicht.Wie oft hatte er nicht schon gesagt:.Len', Du bist frech", oder„Len', ich geb' Dir eine Ohrseige", oder.Leu', dummer Fratz".Ob er das jetzt auch mal sagte? Nein— lieber was anderes. Was— was ganz anderes— ganz Leises— ja was nur?Hans Heinrich nimmt einen Stein vom Boden und wirft nacheiner Anisel, die über ihm auf einem Baume sitzt und flötet.Die Len' sieht vorwurfsvoll auf. Er merkt es und erschricktein wenig.„Die gehen doch bloß in die Erdbeeren", sagt er entschuldigend.Die Len' liest schon wieder. Hans Heinrich wühlt in den Taschenund bringt eine Zigarette zum Vorschein. Das ist das Richtige, denkter. Das hat der Leu' früher immer imponiert.„Wie ein Student",hat sie immer dazu gesagt.Er zündet sich die Zigarette an und bläst den Rauch keck überdep Tisch der Len' entgegen. Ob sie wohl wieder hustet wiefrüher? Er hat ihr dann inuner auf den Rücken geschlagen undgesagt:„Na, stirb nur nicht, Leu'. Du kannst auch gar nichts vertragen."(Schluß folgt.)Kleines f eirilleton*lieber die Denkmäler auf der Potsdamer Brücke in Berlin istschon so diel geschrieben worden, daß man meint, es ließe sich kaumnoch etwas Bemerkenswertes darüber sagen. Man ist ja in Berlinin Denkmalsfragcn so sehr abgebrüht, daß es kaum wundernehmenkann, wenn die vielen Millionen Augen all die Mängel kaum nochsehen, um so weniger, als sich ein halbwegs anständiger Menschin Berlin überhaupt keine Denkmäler mehr ansieht. Da mich abermein Weg spät abends, wenn ich noch am ehesten ein paar Augen-blicke Zeit hatte, oft über die Potsdamer Brücke führte, so kam ichfast wider Willen in die Verlegenheit, mir die Denkmäler dergroßen Gelehrten etwas näher zu besehen. Was den Denkmälerndie größte Antipathie eingetragen hat, nämlich die Position dervier Männer, ist vielleicht noch am ehesten zu entschuldigen. DieDarstellung der Personen auf Lchustühlen sollte offenbar an diesitzende Lebensweise der meisten Gelehrten erinnern. Da doch nunaber der Mensch etwa 8 Stunden täglich, also ein Drittel seinergesamten Lebenszeit, im Bette zubringt, so könnte ein sinnigerKünstler nach demselben Prinzip auch auf die glänzende Ideekommen, jemanden in dieser seiner Hauptbeschäftigung darzu-stellen. Zu welchen Konsequenzen das bei den oft schlechten Wohn-Verhältnissen und Schlafgelegenheiten führen könnte, ist gar nichtabzusehen.Doch sehen wir einmal von den künstlerischen Mängeln ab.Wir können das auch hier um so leichter, als wir ja zu solcher Ver-zichtleistung bei jeder Dcnkmalsenthüllung in Berlin einfach ge-zwungen sind. Wir müssen dann vor allen anderen Dingen diehistorische Wahrheit des Bildwerkes verlangen. Jedoch auch indiesem Punkte ist es bei den Denkmälern sehr übel bestellt. Wennein Künstler das Bildwerk eines bedeutenden Mannes darstellt, somüßte man vermuten, daß er das nur tun kann, nachdem er sichinnig mit dem Charakter dieses Mannes vertraut gemacht haj,um ihn der Nachwelt in seinen markanten und historisch bedeut-amen Zügen zu hinterlassen. Wir können da etwa an den Klinger-chcn Beethoven denken, der uns den gewaltigen Genius in ideali.iertester Form dennoch in aller Treue überliefert hat. Dem nach-zukommen, war besonders bei dem Denkmal von Siemens nichtschwer, da dieser selbstgeschriebene Lebenserinnerungen hinter»lassen hat, aus denen man sich in Verbindung mit manchen anderenleicht zu Gebote stehenden Nachrichten ein ganz gutes Bild diesesMannes zu machen imstande ist. Nun schreibt Siemens, daß ersich immer mehr als Gelehrter gefühlt habe denn als Kaufmannund Praktiker. Seine Freunde, Zeitgenossen und Mitarbeiter be-stätigen diese Selbstkcnnzeichnung. Daraufhin stellt der ausführendeBildhauer des Denkmals den Gelehrten im— Werkstattarbeitskittel dar!— Bei Röntgen wird man erstaunt sein über dasmerkwürdige Ding, das er in seiner Rechten hält und sinnendbeschaut. Der Fachmann wird nach langem Ueberlegen schließlichzu der Einsicht kommen, daß er es mit einer allerdings sonderbargeformten Kathodenstrahlenröhre zu tun hat. Nach dieser Erkenntniswirkt diese eigenartige Sorte von Allegorie nur noch um sokomischer.— Wendet man sich zu Gauß' Denkmal, so sieht man,daß ein Telegraph herhalten muß, um dem Denkmal das ganzüberflüssige allegorische Beiwerk zu geben. Wäre es nicht vielbesser gewesen, man hätte die dort besonders geschmacklose Versinn-bildlichung weggelassen und einfach an den Sockel geschrieben:„Karl Friedrich Gauß, Erfinder des elektromagnetischen Tele-graphen"? Zudem hätte man dann zugleich noch dem viel größerenMathematiker Gauß gerecht werden können. Der aus-führende Bildhauer hat sich überdies hier auch diejpite Gelegenheitnicht entgehen lassen, sich noch einen besonderen Scherz zu leisten.Wenn einmal zu Hause die elektrische Klingel entzwei war, sohaben die meisten von uns sich schon mit Erfolg an deren Reparaturherangemacht. Gewöhnlich war dann das Element schlecht undwir haben es„neu angesetzt". Das machte dann zwar ein bißchenSchweinerei, aber es„ging" doch nachher dafür auch wieder. Wirwußten dann, daß wir einen der beiden Leitungsdrähte an dieKohle, den anderen an das Zink zu legen hatten. Nicht so derBildhauer des Gauß-Denkmals. Und so telegraphiert denn Gaußjahraus jahrein schon mit den beiden Drähten an der Kohle,wohingegen das Zinkende frei in den schönen Weltraum hinaus-ragt. Offenbar allein zu meinem Gaudium! Denn ich habe schondie ganzen Jahre vergeblich gewartet, ob's niemand merkt.— Soverdiente Beachtung finden bei uns DenkmälerlNun noch zu Helmholtz' Denkmal. Dieser Helmholtz stützt sichmit seinem rechten Arm. Es ist sein unzweiselhaftes Recht, sich mitseinem rechten Arm zu stützen, noch dazu auf eigene Lebenswerke.Und gar auf solche Lebenswerke! Man hätte aber dabei nichtnotwendigerweise in Konflikt zu kommen brauchen mit der Tat-fache, daß seine epochemachende und ganz außerordentlich be-deutende Arbeit„Ucber die Erhaltung der Kraft" im Original nur71 kleine Oktavdrucksciten umsaßt, also eine kleine Broschüre dar-stellt, während man ihm am Denkmal unter diesem Titel einenWälzer vom Volumen einer aus dem 11. Jahrhundert stammendengeschriebenen Altarbibel unterschob. Man hätte schließlich im Drucknoch dickere Lebenswerke von ihm gefunden— noch ist der er-wähnte Mangel nicht so schlimm.— Man hat sogar auf solche nochzurückgegriffen. So trägt z. B. eins der dort liegenden den viel-verheißenden Titel„Physiologische Optik". Immer stand der Titelnicht dort. Vielmehr konnte der staunende Naturforscher und auchder Philologe kurz nach der Enthüllung eine„Physiologie der Optik"liegen sehen, als von Helmholtz verfaßt. Der ausführende Bild-Hauer hat doch sicher die so vielgepriesene humanistische Bildungvollkommen intus gehabt— anderenfalls hätte man ihm doch wohlkaum die künstlerische und ideale Darstellung eines so bedeutenden,vielseitigen und tiefen Gelehrten wie Helmholtz übertragen können.Ein« kleine Seitenfragc: Was sich der betreffende Herr dabeiwohl gedacht haben mag?Von dem rein Künstlerischen habe ich bei alledem noch gar nichtgeredet. Wohin könnte es auch führen!— Fl.Theater.Residenz-Theater.„Haben Sie nichts zuverzollen?" Schwank in drei Akten von Hennequin undB e b e r. Der neueste Pariser Residenz-Theater-Schwaick unter-stellt bei seinem Publikum eine, sagen wir in höflicher Um-schrcibung: Ungenicrtheit, die daS für dieses Genre sonst er-forderliche Turchschnittsmaß der Abhärtung noch um einige Gradeübersteigt. Das junge Eheglück des Herrn de Trivelin hat in derersten Nacht der Hochzeitsreise eine Störung erhalten, von der essich in Wochen nicht erholen kann. Gerade in dem Augcichlick, daseine Liebcsbeteucrungen sich zum kühnsten Schwung erhoben,wurde die Coupetür vom Grenzbeamten aufgerissen und die rauhen