Ihre Untorfidhtigkeit 6

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Shre Unvorsichtigkeit hätte schlimmere Folgen nach sich ziehen können," sagt Hall vollkommen höflich. Was hier in diesem Laboratorium vor sich geht, Herr Lee, ist so absolut kontrolliert, daß es nicht mehr zum guten Zon gehört, etwas davon in Zweifel zu ziehen."

Ich ziehe nicht in 3weifel, mas ich sehe," sagte er ruhig. Ich habe ein Wesen gesehen, das sehr wohl the missing link sein könnte. Es trug einen falschen Bart. Aber ich sehe nicht ein, weshalb ein Individuum, selbst aus einer so fernen Vergangenheit nicht mit falschem Bart gehen sollte. Ich bedauere also nur, daß ich laut gedacht habe."

Und zu Madame d'Ora gewendet, bemerkte Lee: Finden Sie nicht auch, daß er etwas an Happy Hooligan ( lustige Vagabundenfigur) erinnerte?"

Sie sah ihn flehentlich an. Sie empfand zum erstenmal Schrecken und Unwillen bei Lees fast unberechenbarer Ralt­blütigkeit. Sie selber zitterte noch und war bis ins Innerste erschüttert von dem, was geschehen war. Es war, als reiße er etwas aus ihr heraus, indem er das Entsetliche auf diese Weise behandelte. Warum konnte er nicht schweigen? Würde denn niemand sie schonen? Ach, ihr Herz war ja nahe daran, zu zerspringen. Entsetzliche Ahnungen erfüllten fie. In ihrem Haar krochen Ameisen. Sekt dachte sie plößlich, wie infolge einer Explosion in ihrem Kopfe, an andere Dinge, ohne es verhindern zu können.

Es ist warm, es ist warm," flüsterte sie jammernd. Lee sah bestürzt in ihr leidendes Geficht. Das quälte sie, ihre Büge berzerrten sich wie infolge von zwei aufeinander Freischenden Glasscherben. Da jab er ein, daß er sie in Ruhe sah Lassen müsse.

weiter.

( Fortsetzung folgt.)

Die Len'.

( Nachdruck verboten.)

Novelette von Richard H. Schröder. ( Schluß.)

Die Len' hustet nicht. Sie pustet nur ein wenig und blättert alles, alles

Hans Heinrich wundert sich wieder. Es ist doch anders. Er qualmt stärker.

dem

Hans Heinrich," sagt die Len' nach einer Weile. " Was, Len?" Er nimmt die Zigarette interessiert aus Munde. Ich bin in dem Garten der frischen Luft wegen, Hans Heinrich!" " Frische Luft, ja Len', die ist das beste für Kranke!" fagt er überzeugt.

Gewiß, aber ganz, ganz frische Luft, Hans Heinrich!" betonte die Worte.

Sie Er sieht sie erstaunt an und merkt, wie es um ihren Mund zuckt. Dann versteht er sie.

Hm", brummt er. Er schleudert die Zigarette zu Boden und tritt fie ans.

Die Augen der Len' gehen wieder weit weg. Sie bewegt dabei Teise die Lippen, als spräche sie mit jemand, der ganz in der Ferne stand. Vielleicht dort, wo die Berge den Himmel berühren oder noch weiter.

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Die Augen von Hans Heinrich ruhen auf der toten Zigarette. Sie beginnen die Steine zu zählen, die um sie herumliegen. Eins drei bier Steine awei fünf Steine sechs Steine. Der siebente ist ein besonders großer. Das wäre einer für die Amsel in dem Flieder, denkt Hans Heinrich. Wie die wieder flötet! Merkwürdig, sie sagt etwas damit, was er auch sagen möchte. Zu der Len' sagen möchte, zu der jetzigen Len'. Aber es ist so schwer, so furchtbar schwer. Die Amsel hat es leichter. Bei ihr kommt es so spielend heraus, während seine Lippen nicht auseinander wollen. Er lehnt sich in den Stuhl zurück und starrt zu den Wolfen hinauf. Dann suchen seine Augen wieder die Len'. Sie hat sich von neuem über das Buch gebeugt. Früher waren ihr doch Bücher ein Greuel, gerade so wie ihm. Was doch Krankheiten aus einem Menschen machen! Wenn er nun auch mal trank würde? Dann gewönne er bielleicht auch die Bücher lieb? Bielleicht gar den Homer? All­mächtiger Vor dieser Krankheit graut ihm.

" Zen ", sagt er nach einer Pause. Len', sag mal, darfst Du benn eigentlich so viel lesen?"

Warum denn nicht?"

"

Ich

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- ich dachte blog!"

Die Len' will sich wieder in das Buch vertiefen, aber Hans Heinrich läßt ihr feine Zeit dazu.

Was hat Dir denn nun eigentlich gefehlt, Len'. Bar es schlimm?" fragte er weiter.

dabei.

Nein!" antwortet die Zen' furz. Sie wird über und über rot

Die Leute shivagten so allerlei. Aber niemand wußte es. Selbst Frize Beder nicht!" meinte Hans Heinrich. Frige Becker?" fragt die Len' erstaunt. " Ja, Frizze Becker!"

Was hat er denn gesagt?"

Die Len' legt das Buch weg. Ihre Hände zittern und ihre Augen gehen ganz schnell weit weg, tommen aber ebenso schnell wieder zurück.

Hans Heinrich nimmt eine wichtige Miene an.

"

Er hat gesagt: Das arme liebe Ding" hat er gesagt und dann: Das verstehst Du nicht, Kleiner" und hat dann dann hat er gelacht, mächtig gelacht!"

Len's Gesicht verfinstert sich. Einen Augenblick verbirgt sie es in den Händen. Hans Heinrich schüttelt den Stopf.

Ach, Len', ärgere Dich doch nicht 1" fagt er gutmütig. Er ist immer so frech- immer 1"

Er ist gar nicht frech, gar nicht 1" ruft die Len' erregt, er ist fo- 10-"

Sie ist aufgesprungen und geht ein Stüdchen in den Garten hinein. Hans Heinrichs Augen folgen ihr.

Was hast Du denn nur?" ruft er ihr nach. Sie bleibt bei feinen Worten stehen. Eine Weile sieht sie ihn groß an, dann gehen ihre Blicke über ihn hinweg ins Weite.

aber diesmal stehen sie nicht um ihr Bett herum, sondern tommen Sie ist wieder bei den blaffen Engeln mit den füßen Stimmen. ihr entgegen. Und einer geht voran. Der ist so schön wie die Sonne, wenn sie des Morgens hinter den Bergen emporsteigt, und feine Stimme übertönt all die anderen. Ihr Klang wedt ein feltsames Jauchzen und Singen in ihr und ein Sehnen, das sie noch nie gefühlt.

Sie

Hans Heinrich wundert sich wieder. Es ist doch wirklich nichts mehr an der Lene, wie früher, denkt er. Ihr Wesen, ihr Neußeres, alles ist verändert. Früher hatte er sie eingefangen, wenn fie fo aufgesprungen und davongelaufen war und an den göpfen zurüd­gebracht. Db er das jetzt auch mal versuchte? Lieber nicht. steht ja unnahbar wie eine fremde schöne Dame dort an der Rosenrabatte, über und über in Sonnenglanz getaucht. Ihre kleinen Hände liebkosen die Rosenknospen, aber ihre Augen sind ganz wo anders. Sehen fie etwas, was er nicht fehen kann? Er sieht den Garten und den blauen Himmel darüber. Dann in der Ferne die Berge, wo er die Anemonen und Maiglöckchen gepflückt. Die armen Anemonen und Maiglöckchen fie liegen dort matt und welt auf dem Steintische. Bei ihrem Anblick fängt in Hans Heinrich das namenlose Gefühl wieder an zu bohren. Wieder drängen sich Worte auf seine Lippen. Dazu flötet gerade jetzt die Amjel so füße, füße. Wenn er jetzt einen Stein hätte

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Plötzlich schießt ihm etwas durch den Kopf. Es war dumm von Sie ihm, der Len' zu sagen, daß Frize Becker so gelacht. weiß ja, wie der sich über alle Mädel lustig macht, und nun ist sie böse darüber.

Ueber alle Mädel lacht Frizze Beder? Hans Heinrich schlägt fich vor den Kopf. Wahrhaftig, er weiß es: über die Len' hat Frize Becker noch nie gelacht. Was hat er neulich mal über sie gesagt? Die Len möchte ich mal in einem langen weißen Kleide sehen, das Goldhaar gelöst, daß es über die Schultern fließt wie ein me­tallener Strom dann dann könnte ich vor ihr niederknien Ja, das hat er gesagt. Und das muß er der Len' wiederfagen, Gleich, sofort. Dann wird sie wieder versöhnt sein, ja.

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Er steht auf und geht auf die Len' zu, die noch immer an der Rosenrabatte steht. Als er in die Sonne tritt, muß er unwillkürlich die Augen schließen. Sie blendet so, und die dumme Amsel.

Len", ruft er schon von weitem. Friße Becker hat das nicht so gemeint 1" Dann erzählt er. Die Len' sieht ihn groß und fragend an.

Ist das wahr, Hans Heinrich?" fragt fie ernst. " Wahrhaftig wahr!" versichert er. Ehrenwort!"

Auf Len's Gesicht schwindet das Finstere. Sie lächelt. Hans Heinrich hat so ein Lächeln noch nie gesehen.

Mit einem Male schreit die Len' laut auf und Hans Heinrich mit.

Vom Zaune her ist eine Handboll Kleiner Kieselsteine geflogen gekommen und hat beide getroffen. Gleich darauf erscheint Frize Beckers lustiges Geficht über der Hecke.

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" Fräulein Helene wieder ganz auf dem Damm? Ich gratuliere!"

Die Len' starrt wie gebannt zu dem Zaun hinüber. Das Jauchzen und Singen in ihr ist bei Frize Beders Worten ganz laut geworden. So laut, daß sie es selbst hört. Sie will antworten. irgend etwas. Aber da spricht Frige Becker wieder.

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Ben'", sagt er, liebe, liebe Len' 1" dann ist er verschwunden. Hans Heinrich ist ganz außer sich. Was war das? Was find das für Worte? Sind's nicht dieselben, die ihm in der Kehle jaßen, und die die Amsel immer fingt: liebe, liebe Len' Len" schreit er wütend. Die Len' lächelt. Dasselbe Lächeln wie vorhin. Nur schöner, glücklicher. Ihr ganzer Körper bebt. Das Goldhaar leuchtet. Dazu die Amjel: Liebe, liebe Len' Sie biegt die Rosenzweige zu sich herab und drückt sie an fich, fest und innig. Hans Heinrich sieht es. Wie wie Frige Beders Hände, denkt er. Dabei schießt ihm das Blut ins Gesicht. Er packt die Len' an den Schultern.

"

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Er hat Dir weh getan, Len'. Es war gemein! Ich zeig's an. Wahrhaftig, ich zeig's an!"