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wegungen, die in München , in Berlin , in Darmstadt , entscheidend Wie wir hören, ist der Kanzler jetzt immer auf einen nächtlichen einsetzten und schließlich Scharen von Künstlern um ihre Fahnen Hervorruf gefaßt. Er hat angeordnet, daß auf einem Stuhl neben sammelten. Er steht allein. Weder die neuen malerischen Tendenzen, feinem Bett jede Nacht ein warmer Mantel, die Müge des kaiser­die in München und Berlin auffameu, noch die kunstgewerblichen, lichen Yachtklubs und ein Zitat bereit liegt. die mit Darmstadt einsetzten, zählten ihn unter ihre Anhänger. Und doch war er alles zusammen, Maler, Radierer, Bildhauer, ja auch Kunstgewerbler.

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Einkleidung war beendigt.

Wahres Geschichtchen. Die Rekruteneinstellung und Der feiche Kommis S. verleugnete auch im Drillichanzuge die würde seines bisherigen Standes nicht: Stolz und allein, gesondert bon der Herde, schreitet er mit seiner Schüssel zur Küche. Da erblickt ihn ein schnauzbärtiger Sergeant: " Wo willst Du denn hin?"

" Jch, Herr Sergeant?( erstauntes Geficht ob des noch ungewohnten " Du"). Ich will zum Speisen". Was willst Du?"

"

" Speisen, Herr Sergeant!"

" So merfe Dir ein für allemal: Offiziere speisen, Unteroffiziere

Notizen.

( Jugend.")

Die hohe und reife Intelligenz, die Klinger besitzt, ließ ihn fich der Betätigung in anderen Techniken zuwenden. Das finnlichte­tünstlerische Element fehlt ihm so start, daß er als Maler kaum in Betracht kommt. Gerade hier ist der Mangel seiner Begabung am auffälligsten. Sein Preisurteil", seine Kreuzigung", sein Christus im Olymp", alle diese Bilder schleppen an einem Ballast von Ge­danken, der das rein Künstlerische beinahe erdrückt. Gerade das, was wir heute anstreben, die reinliche Trennung der Techniken und das Herausspüren der materialgemäßen Behandlung miß­achtete er. Er vermischte die Techniken. Als Maler war er Illustrator, als Plastiker malerisch, als Zeichner plastisch. essen, Du aber, Du frißt! Verstanden?" Aber nichts brachte ihn von diesen Irrivegen ab. Die Not, der Zwang der Verhältnisse, der Verhältnisse, traten nicht an ihn heran. Als Graphiker begann Klinger . Graphifer, Zeichner, Illustrator ist er immer geblieben. Er hat das feinste Buch über das Ver­hältnis von Malerei und Zeichnung geschrieben. Hier, in seinen Zyklen, konnte er sich unbebindert aussprechen, das Motiv von vers Wilhelm von Bezold , der Direktor des Meteoro­schiedenen Seiten beleuchten, fragen und Antwort geben und das reizvolle Spiel einer lebendigen Phantasie sich austoben laffen. Der logischen Instituts zu Berlin , ist Sonnabend in Berlin gestorben. Spanier Goya, Böcklin , die Franzosen , die Antike sind seine Vor- Er war 1837 in München geboren und hatte nach Beendigung seiner bilder. Er verschmilzt alles zu einer Einheit, deren Wucht und Studien zuerst eine Profeffur an der Münchener Technischen Hoch­Klarheit imponiert, die aber im einzelnen die Spuren der Einflüsse schule, bis er 1885 einem Rufe an die Berliner Universität folgte. noch deutlich aufweist. Hier konnte er der Luft, zu erzählen, un- Als Forscher wie als Organisator hat er gleich große Verdienste. gehindert nachgehen. Er selbst hat das Wesen der Graphik In Bayern organisierte er den meteorologischen Dienst und auch in in diesem Sinne treffend erläutert. Diese Kunst lag ihm Preußen ist ihm der bessere Ausbau des Wetterdienstes zu danken. am nächsten. Und darum ist auch in diesen Zyklen am Seine wissenschaftlichen Arbeiten kamen besonders der Elektrizitäts­meisten von dem Beitgeist hineingebannt. Er ist da graziös, lehre, sowie der Optik und später auch der Meteorologie zu statten. phantasievoll, leicht, düster, parodistisch, grübelnd. Das soziale, Den erdmagnetischen Forschungen hat er sich mit Vorliebe gewidmet. Erfolgreiche Uraufführungen erzielten fritische Element tritt hier naturgemäß am offensichtlichsten zutage; Breslauer Stadttheater, Moderne Diplomaten" von Blätter, wie sie sich in Ein Leben" und in" Dramen finden, deren Sturt von Neurode( Pseudonym), ein Intrigenstüd aus der Zeit der Milieu und Hintergrund die Großstadt Berlin bildet, zeigten zum Bismarckischen Diplomatie, sowie Der Dieb" von Henry erstenmal in Deutschland den Künstler als Träger einer neuen, sozialen Anschauung; man braucht daraufhin nur die Blätter März Bernstein, ein Effekt- und Bluffstück in der Art Cönen Doyles tage" anzusehen. Technisch sind diese graphischen Blätter vollendet im Wiener Volkstheater . gearbeitet. Klinger arbeitet virtuos mit allen Mitteln; Grabstichel­technik, Rabierung, Aquatinte kombiniert er vielfach, ohne je die Wirkung zu verfehlen. Und wundervoll sind auf diesen Blättern oft die Landschaften, malerischer, als sie nachher der Maler in Farbe darstellte.

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Das alte Weimarische Theater erlebte am Sonn­abend die legte Aufführung. Gegeben wurde Goethes Iphigenie". Ein Epilog von Richard Voß ließ dann noch einmal in Wort und Bild Goethe und Schiller, sowie Gestalten aus Dramen, die hier zuerst ans Licht traten, lebendig werden. Ein Haedel- Museum in Jena . Ernst Haeckel er­Auch der Plastiker Klinger wird bleiben. Wenigstens in hielt am 16. Februar, seinem 73. Geburtstage, die Mitteilung, daß den Werken, die den Einzelkörper behandeln. Da erreicht Klinger ein von ihm lang gehegter Lieblingswunsch unmittelbar vor der schlechthin eine einzig dastehende Vollendung. Man kann vielleicht Ausführung steht. sagen, in der Darstellung des nadten Einzeltörpers ist er flassischer Dieser Wunsch betraf die Gründung eines Phylogenetischen als die Antike. Der Körper ist beinahe auf eine abstrafte Form Museums, einer Sammlung von Naturgegenständen, Präparaten, gebracht und doch lebt jeder Teil, ist durchpulst von Blut, ist Fleisch. Bildern und anderen Unterrichtsmitteln, welche dem größeren Aber nur seltener finden wir diese Reinheit! In seinen großen Publikum die Bedeutung und das Wesen der Phylogenie oder Werken, die als feine eigentlichen Schöpfungen anzusehen sind, Stammesgeschichte erläutern sollte, jener Wissenschaft, die Haedel strebt Selinger zu einer ebensolchen Vermischung, die feine Malerei 1866 in seiner Generellen Morphologie", auf Lamard und Darwin fennzeichnet; die Formensprache wird übertrieben und bombastisch. weiterbauend, als selbständigen Zweig der Entwickelungslehre be­Der Beethoven" zeigt diese Häufung. Es ist ein Stil darin, gründet hat. die Stilsprache Klingers, doch haben wir heute andere An­schauungen vom Stil. Dies sind uns Materialhäufungen, Erzählungen, wir vermissen die Form, gerade das, was Klinger in seinen Einzel­törpern, in der Badenden", der Schlafenden" so vollendet gibt. Was also von Klingers Schaffen bleiben wird, ist damit schon angedeutet, und es ist genug, ihm bleibenden Ruhm zu sichern. Seine intellektuellen Kräfte standen seinen künstlerischen Sinnen oft hemmend im Wege. Statt Maler zu sein, wurde er oft Boet und Philosoph. Doch sind diese Nachteile zugleich seine Vorteile, wie seine graphischen Arbeiten zeigen. Auch da, wo er irrt, irrt er nicht aus klein­licher Nachahmungsiucht, sondern weil er ein Charakter ist, der nur sein Wesen geben will. Vielleicht haben wir diese Eigensucht auch schon über­wunden und achten sie nicht mehr so hoch. Mit all feinen Fehlern und Vorzügen ist Klinger der Typus eines Künstlers, der seine Beit mit allen Organen erlebt, und selbst seine Irrtümer find lehrreich, weil sie nicht Launen, sondern Zeit- und Kulturirrtümer find. Eine Straft wie Klinger in unsere Gegenivart mit jungen Kräften hinein gestellt, von gleicher Intensität, und wir hätten den Künstler, den

' vir erwarten.

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Humoristisches.

Nachtarbeit. Zu den vielen aufreibenden Geschäften, bie der Reichskanzler schon bisher zu erledigen hatte, sind num auch die Nachtreden gekommen. Schon zweimal ist es in den letzten Wochen vorgekommen, daß die Berliner sich den Kanzler aus den Federn geholt haben, damit er ihnen eine Rede halte. Sie riefen einfach ,, Bülow, Bülow" und dachten dabei an das Wort des Dich­ters: Riefe, tvenn ick piepe, denn komm!" Und welcher Autor käme nicht, wenn er vom Publikum hervorgerufen wird! Auch Fürst Bülow fam. Zu einer Stunde, zu der selbst die Nachtwächter schlafen, mußte er noch eine Rede halten! Seine Sprechstunde tann er auf eine bestimmte Zeit des Tages legen, aber seine Redeſtunde darf an teine Zeit gebunden sein.

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Das, Phylogenetische( oder fürzer Phyletische) Museum in Jena " soll nach dem vorläufigen, schon vor längerer Zeit von Haedel entworfenen Blane in unmittelbarer Nähe des Zoologischen Instituts errichtet werden und einen großen Teil der Sammlungen aufnehmen, welche bisher in den überfüllten Räumen des legteren ungenügend auf­gestellt waren; insbesondere die prachtvollen Sammlungen von Storallen und anderen Seetieren, welche Haeckel auf seinen wieder­holten Reisen nach Indien und dem Roten Meere sowie nach den Kanarischen Inseln gesammelt hatten. Außerdem will Haeckel dem neuen Museum auch die zahlreichen Kunstwerke zum Geschenk machen, die ihm selbst im Laufe seiner 46jährigen Lehrtätigkeit an der Universität Jena verehrt worden sind.

In dem Museum soll auch ein Haeckel- Archiv eingerichtet werden, in dem alles Aufnahme findet, was auf Haedel irgendwie Bezug hat. In einem besonderen Zimmer sollen die Bildnisse der bedeutendsten Zoologen früherer Jahrhunderte zum Aushang ge­bracht werden nebst Erläuterungen, durch was sie einen Fortschritt in der Wissenschaft herbeigeführt haben. Auch ein Vortragsiaal wird nicht fehlen. Zu einer monistischen Bibliothek will Haeckel durch Hergabe seiner eigenen Bibliothek den Grundstock legen. Ueber dem Ganzen soll der Geist Goethes schweben, worauf schon das für das Museum in Aussicht genommene Motto hin­deutet:

Wer Wissenschaft und Kunst besitzt, Der hat auch Religion."

Für das Unternehmen ist bereits ein Kapital von über 100 000 9. vorhanden.

Um diese Mittel noch zu erhöhen, wird demnächst unter den älteren Schülern Haeckels und dem weiteren Kreise seiner Verehrer eine Sammlung veranstaltet. Das Rentamt der Universität Jena, Jenaergasse 8, ist amtlich beauftragt, die Beiträge einzukaffieren und darüber Quittung zu erteilen.

Verantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin . Drud u. Berlag: Borwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Baul Singer& Co..Berlin SW.

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