Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 40.

40]

Dienstag, den 26. Februar.

( Nachdrud verboten.)

Madame d'Ora.

Roman von Johannes V. Jensen.

" Ich habe ja ihren Namen gerufen!" sagte Mason schnell. Ja, das war nun allerdings eine mysteriöse Begebenheit! Das habe ich nicht verstanden. Ich weiß noch nicht, was ich davon denken soll."

,, Kannten Sie sie?"

sch glaubte, es sei Elly. Ich sah sie ja nur einen Augen­blick. Aber finden Sie es nicht sonderbar, daß ich unwilltür­lich ihren Namen rief?"

" sch erkannte sie nicht," sagte Hall. Aber ich sehe ja auch schlecht. Haben Sie etwas dagegen, mir noch ein wenig

Whisky zu geben?"

Mason schenkte ihm schweigend ein Glas halb voll, und Hall verschlang es.

Alles, dessen ich mich entsinne, ist, daß ich mit einer zwingenden inneren Macht den Mord fühlte und mich seiner erinnerte, während des einen Moments, daß Elly sich zeigte. Aber wenn ich zugebe, daß ich damals selber überzeugt war, so ist damit noch nicht gesagt, daß ich es jetzt tue. Im übrigen ist ja nachgewiesen, daß Evanston alle Geistererscheinungen fabriziert hat, entweder mit verkleideten Personen oder mittels Lichtbildern

"

" Sind Sie wirklich ganz sicher, daß er sie alle gemacht hat? Sind Sie wirklich ganz sicher? Ich bin es nicht, Hall!" Sagen Sie das wirklich? Und Ihren Augen fehlt doch nichts!"

Nein. Und ich glaube, weiß Gott , daß etwas von dem, was wir sahen, tatsächlich war. Ich glaube, Fräulein Rarekin war das Medium, und sie konnte Geister heraufbeschwören. Dazwischen schob dann Evanston seine Sachen hinein, entweder wenn ihre Fähigkeiten bersagten, oder auch um die Wirkung zu erhöhen! Was bezahlten Sie Fräulein Karetin für ihr Kommen? Was erhielt sie pro Sizung?"

,, Sie hat nichts erhalten."

" Nun gut. Aber Evanston , der ja natürlich mit ihr im Bunde war, sah wohl auf andere Weise seinen Vorteil darin, die Situngen im Gange zu halten. Waren die Papiere, die ich bei ihm fand, sehr wertvoll?"

"

Wertvoll? Ja, das waren sie."

Sehen Sie wohl! Aber dann war es ja schade, daß wir fie verbrannt haben!"

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Hall grübelte lange. Dann murmelte er: ,, Wenn die Frau, die wir sahen, ein Geist war einer­lei, was Sie und was ich darunter verstehen so habe ich wahrscheinlich den Mord begangen."

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" Ich glaube, daß es ein Geist war, Hall, weiß Gott , glaube es. Sie gestehen also..."

Hall schielte, als er zu ihm aufsah:

ich

" Ja. Ich habe ihr den Hals abgeschnitten und ihr Blut geschlürft."

Mason umarmte ihn, tanzte im Polfatatt mit ihm, drehte ihn herum:

,, So, nun ist es gut, Hall! Nun sollen Sie auch eine frische Bigarre haben, verdammt und verflucht!"

Während Mason die Zigarre herausholte, streďte Hall unbemerkt den rechten Arm nach der Whiskyflasche aus und tat einen langen Schluck. Er lachte krampfhaft, als Mason es nicht merkte, und er fuhr fort zu lachen, während er seine Zigarre anzündete.

,, Worüber lacht Herr Hall?" fragte Mason mit einer Art von moralischer Wehmut.

,, Sie verstehen nicht den tödlichen Reiz, der in dem Genuß von Ironie liegt," flüsterte Edmund Hall. Sie entdeden nun auch nicht alles, mein lieber Mason. Es be­lustigt mich bis ins Mark hinein, daß ich den Mord begangen haben kann, mit dem Sie sich so eifrig zu beschäftigen be­lieben, aber daß ich es selbstverständlich nicht getan habe. Ich fühle mich beinahe versucht, Ihnen in bezug auf einige Punkte behülflich zu sein, da Ihr psychologischer Sinn nicht ausreicht. Ich könnte mit der größten Leichtigkeit beweisen, daß ich Elly Johnston ermordet und ihr Blut geschlürft" habe Bronie ist doch ein wunderbar gefährlicher Sport! Ich könnte

"

.....

1907

beweisen, daß niemand anderes als ich Elly Johnston gemordet hat. Sagte ich nicht schon vorhin, daß ich kein Alibi habe? Ein Mann wie ich hat nie ein Alibi, merken Sie sich das, Herr Mason. Ich bin überall zugegen, es geschieht nichts, ohne daß ich es nicht tue, denn ich bin die Seele in aller Welt! Wie sollte überhaupt ein Mensch getötet werden, wenn nicht Mord in meiner Natur auf Lager wäre? In meinem Kopf find viele Kammern es ist nie etwas passiert, was ich nicht bekräftigen könnte. Das ist die Definition von mir. Deshalb brauche ich ja Elly Johnston nicht getötet zu haben, das sieht mir gar nicht ähnlich. Ich habe es auch nicht getan." Mason wurde dunkelrot, er öffnete den Mund Hall ließ ihn aber nicht zu Worte kommen. Er näherte sich ihm, auf den Beinen schwankend und lachte ihm ins Gesicht:

,, Soll ich Ihnen auch erzählen, wer den kleinen Mord

begangen hat? Was meinen Sie, wenn ich behaupten wollte, daß Sie selbst es sind, Sie, Herr Thomas A. Mason? Sie bringen alles an die große Glocke, also find Sie es auch wohl im Grunde, der es als Tatsache in die Welt hineinbringt. Nein, Sie sind unschuldig! Ich scherze ja nur. Nein, Joseph Evanston hat Elly Johnston ermordet!" Welch ein Unsinn. ... Sie find total besoffen, Hall." " Ihr Mord muß ja von einem religiösen Untermenschen begangen sein, von jemand, dessen Geschmack der Prostitution in der Stamfordstreet entspricht. Sospeph Evanston hat es getan. Und er hat alle Indizien auf mich herüber praktiziert, um mein Gehirn zu rauben. Er wollte auch meine chemischen Erfindungen haben und da steckte er das anatomische Prä­barat und die kleine Bibliophilausgabe von Sparkassenbuch statt dessen in meine Tasche nicht wahr? Sie haben sich natürlich mit ihm auf dem Gare du Nord geprügelt, Mason, und er hat auch die alten Zeitungen bei mir eingeschmuggelt, um die Geschichte in mein Treibhaus von Einbildungskraft hineinzupflanzen. Er fand einen müden Mann, einen Mann, der feine Augen ruiniert hatte, weil er für die gesamte Menschheit gesehen hat, den konnte er gebrauchen. Joseph Evanston hat Sie auf die Spur gebracht, indem er Sie auf meine friminalpsychologischen Schriften aufmerksam machte. Ist es nun nicht sonderbar, Unternehmender Mann!- Herr Mason, daß ich so betrunken sein muß, wie ich es jetzt bin, so tierisch betäubt, um dies alles zu durchschauen, in das ich gerade dank der Entfaltung meines Verstandes hineingeraten bin, ist das nicht sonderbar?"

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Hall tat einige Schritte durch das Zimmer, vergnügt lächelnd und mit einem freundlichen Blick auf Mason. Plötz­lich verlor er das Gleichgewicht und war kurz davor zu fallen, machte aber schnell ein paar Schritte, und mit einem Gelächter fant er Mason in die Arme.

Ich bin ja heimgekehrt," sagte er schluchzend und schnob die Luft durch die Nase auf. Sch bin ja weit gewesen und so allein. Aber nun bin ich ganz glücklich. Es ist doch schön, wieder nach Hause zu kommen. Nun wird schon für mich gesorgt werden."

Er brach in ein paar schluchzende Laute aus und verlor damit völlig die Gewalt über sich. Mason führte ihn an den Stuhl und setzte ihn nieder.

So, Hall," tröstete er. Kommen Sie nun zu sich. Ich hätte Ihnen nicht so viel zu trinken geben sollen. Sie reden ja ganz wirres Zeug. Aber es hat gar keinen Zweck, jezt so mit Ihrem Geständnis zu spielen. Was einmal feststeht, daran soll man nicht rühren. Besinnen Sie sich jetzt einmal."

Hall lachte laut. Er sah den Detektiv mit ein paar wunderlichen Augen an, mit klugen, franken und lustigen Augen.

" Ich habe Elly ermordet," sagte er schwermütig ,,, ich habe etwas getötet, was sehr wohl durch Elly repräsentiert werden konnte. Sagte ich Ihnen nicht schon vorhin, daß ich versehentlich das Weib" verlegt habe, indem ich über das Menschliche hinausstrebte? Damit hat er mich ja auch ge­fangen, dieser Evanston , indem er mir die Ewigkeit vor. gaufelte und das Uebernatürliche. Ja, ich habe Elly getötet. Nehmen Sie mich nur."

Hall brach in ein herzliches Gelächter aus. Und er, der sonst niemandem seinen Blick aufzudrängen pflegte, fah iest Mason starr und siegesgewiß an. Mason aber begegnete seinen Blick unsicher, nicht recht zufrieden