Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 53.
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Freitag, den 15. März.
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1907
( Nachdrud verboten.) lag, bielleicht einen Kilometer entfernt, eine kleine Ansiedeung. Die Dertlichkeit war also für eine Niederlage oder
Im Kampf für Rußlands Freiheit. heime Druckerei vorzüglich geeignet. Nur der Umstand
Die Arbeit in der Agentur war nicht anstrengend, aber tch beschloß doch, mir nach dem Beispiel meines Borgängers einen Sekretär zu halten, denn das würde meine spätere eigentliche Arbeit erleichtern.
war unbequem, daß ringsum weder ein Wald noch ein Garten war: man konnte also jeden, der ins Haus herein des Hauses beobachten. Aber auch das war schließlich gegenoder hinaus ging, wie überhaupt jede Bewegung außerhalb standslos, denn ich hatte mir durch den Verkehr mit dem Polizeipristam und dem Postmeister und anderen angesehenen Leuten des Ortes eine gesellschaftliche Stellung geschaffen, die mich gegen jeden Verdacht schüßte.
Ich schrieb an meine Bekannten nach Moskau und bat, sie möchten mir einen tüchtigen Menschen als Sekretär schicken. Selbstverständlich sollte er zur Partei gehören, aber er müßte auch mit kaufmännischen Dingen vertraut sein. Ich war oft, auch nachdem Betroff erschienen war, entEs waren, glaube ich, zehn Tage vergangen, als ich plöt- weder allein oder mit ihm zu Besuch bei diesem oder jenem, lich ein Telegramm erhielt:„ Stomme heute abend. Betroff." Ort. Erst hier erkannte ich, wie gut es war, daß ich ziemwir luden sie auch zu uns ein oder trafen uns an drittem Das war mir unverständlich, ich fuhr aber doch zur Station, Ort. Erst hier erkannte ich, wie gut es war, daß ich ziemobwohl ich ja gar nicht wußte, wie ich den Herrn Petroff erlich viel vertragen konnte. Es wurde bei diesen Gelegenkennen sollte. Der Bug war schon längst fort, alle Passagiere heiten zuerst ein wenig geklatscht, dann aß man gut zu waren verschwunden, nur im Wartesaal der ersten Klasse Abend, und endlich trank man, und zwar recht viel. Ab faßen zwei Herren, und ein dritter trant etwas am Büfett. und zu wurde auch ein Spielchen arrangiert, während die Ich ging ein paarmal durch den Wartesaal, bis sich schließlich Nichtspielenden den Damen den Hof machten. In ganz der Herr am Büfett umwandte, auf mich zutrat und fragte: furzer Zeit hatten wir beide das Renommee guter Kameraden, oder mit anderen Worten: Saufkumpane.
"
Sind Sie Herr Michailoff?"
" Ja, das bin ich."
„ Mein Name ist Petroff. Ich habe hier ein Empfehlungsschreiben an Sie. Dmitrieff hat Ihnen doch geschrieben, daß er den gewünschten Buchhalter in Moskau gefunden habe? Ich bin es."
Das war eigentümlich, ich hatte keinen Brief erhalten und war im ersten Moment sehr zurückhaltend. Man darf nicht vergessen, daß Briefe oft in die Hände der Gendarmen kommen, und die konnten aus meinem Brief, obwohl er sehr vorsichtig und für einen uneingeweihten unklar gehalten war, doch etwas herausgeschnüffelt haben und mir womöglich einen gefährlichen Spion auf den Hals senden.
Meine Versicherungsgeschäfte brachten mich mit allerlei Menschen, Arbeitern, Kaufleuten, Bauern und kleinen Beamten in Berührung. So lernte ich auch einen Kaufmann Davidoff kennen. Er hatte eine große Handlung, und wir bezogen von ihm alles, was wir fürs Haus an Eßwaren und dergleichen brauchten. Ich stand mit ihm in näheren geschäftlichen Beziehungen, denn er war mein Subagent.
Es war gerade eine Lieferung von Eisenbahnschienen für die kleine Eisenbahnstrecke der Fabrik ausgeschrieben, und Davidoff hatte große Lust diese Lieferung zu übernehmen, aber es fehlte ihm an Geld, und er bot mir an, sein Kompagnon zu werden. Da es sich um eine unbeZu Hause angekommen, las ich das Empfehlungs- deutende Anzahlung handelte, ging ich auf seinen Vorschlag schreiben, war aber noch immer im Zweifel, denn ein ein, mit dem geheimen Gedanken, mir durch dieses Geschäft Empfehlungsschreiben ließ sich schließlich auch fälschen. Ich einen Namen als tüchtiger Kaufmann zu machen. Ich hatte unterwarf daher Herrn Petroff einem eindringlichen Examen; ia nicht viel dabei zu tun, denn die ganze Sache leitete er bestand es aber sehr gut, und mein anfängliches Mißtrauen verschwand.
Erst nach ein paar Tagen klärte sich der Sachverhalt auf. Dmitrieff hatte nämlich den Brief, auch aus Vorsicht, erst nach Tula gesandt, von dort wurde er durch einen Bekannten nach Charkoff geschickt, und von Charkoff gelangte er durch eine dritte Person in meine Hände, aber erst nach Betroffs Ankunft.
Ich lebte mich sehr schnell mit ihm ein. Er wußte, daß ich unter fremdem Namen lebe, und fand es ausgezeichnet, daß ich, um jeden Verdacht von mir abzulenken, eine Versicherungsagentur übernommen hätte. Die Bekanntschaft mit den Behörden des Fabrikortes, also dem Polizeipristaw, dem Popen und dem Postmeister, hatte ich schon früher gemacht, und es hatte sich ein geselliger Verkehr mit ihnen entwidelt. Ich arbeitete mit Petroff an meinen Versicherungen, d. h. ich prolongierte, erneuerte oder schloß neue Versicherungen ab. Petroff war bei mir Buchhalter und Architekt, wie er sich auch unter den Zeichnungen unterschreiben mußte.
Davidoff.
Dies alles ließ keinen Verdacht weder gegen mich noch gegen Petroff aufkommen, und so konnten wir getrost die Verbindung mit dem Komitee in der Stadt anknüpfen, denn es würde nicht auffällig sein, wenn viele Leute mich aufsuchten und bei mir auch übernachteten.
Als wir einmal beide nach der Gouvernementsstadt reiften, trafen wir im Eisenbahncoupé mit dem Polizeipristam zusammen.
Ah, Sie fahren auch in die Stadt?"
" Ja, wir haben einige Geschäfte zu erledigen."
Das trifft sich ja gut! Wir könnten uns am Abend treffen und uns amüsieren."
Das paßte uns nun allerdings nicht ganz, denn die einzige bequeme Zeit, zu der wir mit den Mitgliedern des Komitees zusammenkommen konnten, war gerade der Abend. Wir durften aber seine Liebenswürdigkeit nicht ablehnen. Deshalb wurde beschlossen, daß Petroff die Leute aufsuchen, ich dagegen den Abend mit dem Polizeibeamten verbringen So waren ein paar Wochen in reger Tätigkeit vergangen; und ihm erklären solle, Petroff sei zu einem Bekannten da meinte Betroff, als wir uns eines Abends über theoretische oder Verwandten gefahren. Der Abend fam, und ich setzte Fragen und politische Pläne unterhielten, es wäre gut, wenn mich mit dem Polizeibeamten in ein Restaurant. Es fanden wir mit dem Komitee, das in der benachbarten Stadt ar- fich noch ein paar Bekannte des Pristaws ein, und alles beitete, in Verbindung träten. Erstens würden wir dadurch ging so wie es gehen mußte die Leute waren bald be. mehr Fühlung mit den Arbeitern erhalten wahrscheinlich trunken. Mir gelang es loszukommen, und ich holte Betroff waren unter den fünf- oder sechstausend Menschen, die in der ab. Dieser hatte seine Sache gut gemacht; die Mitglieder Fabrik tätig waren, doch einige, die zur Partei gehörten des Komitees waren sehr dankbar, eine so günstige Veraußerdem fönnten wir aber auch dem Komitee sehr nüglich bindung anknüpfen zu können, und schon in den nächster fein, indem wir hier eine Niederlage von Geheimschriften, Lagen empfingen wir den Besuch einiger Revolutionäre. Späterhin vielleicht sogar eine Druderei errichteten.
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Unser Haus lag abseits vom Wege, ganz einsam auf einem kleinen Hügel; ungefähr vier- oder fünfhundert Schritt davon lag eine Windmühle, die außer Gebrauch gesetzt war; fie war schon halb verfallen. Auf der anderen Seite, ungefähr in derselben Entfernung, lagen die Verwaltungsgebäude der großen Mühle. Das waren unsere einzigen Nachbarn. Von dem Fabrikdorfe Petrowka waren wir ungefähr zwei Kilometer entfernt, und hinter unserem Sause
Wir führten nun ein reges Leben. Am Tage gingen wir unseren Geschäften nach, am Abend wurden lange Unterredungen mit den Arbeitern geführt. Sehr oft kam der eine oder der andere Revolutionär allein oder in Begleitung seiner Kameraden aus der Stadt zu uns heraus; dann wurden entweder bei uns im Hause oder an irgend einer geeigneten Stelle im Fabrikdorf Beratungen abgehalten, wie man der Unzufriedenheit und den gerechten Forderungen der Arbeiter am besten Ausdruck geben könne.