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Biehzucht"), das Bauern verhöhnt, die städtische Bildung nach zuäffen versuchen. Diffen 8wilgmeyer schreibt niedliche Kinderbücher, worin sie besonders die Badfische aufs Korn nimmt. Anna Munch ist eine Art Erbin Amalie Strams in ihrer realistischen Menschenschilderung.

Von dem allerneuesten Dichtergeschlecht i st Sigurd Mathiesen zu nennen. Er liebt das Mystische und Bizarre und ist in vieler Hinsicht ein Schüler des Dänen Johannes V. Jensen, besitzt aber doch eine trogige Originalität, die ihm einen die Hindernisse durchbrechenden Sieg verschaffen wird.

Unter den Debütanten des Jahres 1906 war einer, der wohl verdiente Aufmerksamkeit weckte. Es war der Lappe Matti Aitio, der fernher, oben von der russischen Grenze aus Finn­marien, fam und erst nachdem er erwachsen war, norwegisch ge­lernt hatte. Er ist der erste bekannte lappische Dichter und kommt mit mündigen Mannes Rede. Er gehört einem Volf an, das keine bleibende Wohnstätte fennt, und dieses Volk schildert er als sein eigenes. Wir sehen hier dessen Berührung mit der Kultur und deren Wirkung auf die verschiedenen Charaktere. Es sind Bilder großen Stils unter dem Spiels der Nordlichtes auf den ewigen Schneegejilden. Aikio ist auch Bildhauer und wird zum ersten Male im kommenden Herbst auf der staatlichen Kunstausstellung vertreten sein.

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Kleines feuilleton.

Auf der Heiligkeit". Die Herberge zur Heimat in D. ist heut gut besucht. In allen Altersstufen siten und hocken sie an den Tischen und stehen um den glühenden Ofen. Auf der schmierigen Tischplatte, die von Speiseüberresten flebt, liegen total zerzauste Hefte der Woche" und des" Daheims" umher. Manch einer von den Graubärten wühlt unter den Papierfeßen und holt in der Langeweile eines der fleinen Bücher hervor, die von dem Wust ganz verdeckt sind. Aber enttäuscht werden sie wieder weggelegt; Balm blätter für die Jugend. Hier und da vertreibt sich ein Jüngling mit einem dreimal älteren Partner die Zeit mit Damenspiel. Faule Wize, Zant und schrilles Lachen vereinigt sich zu einem Lärm, der beinah ebenso unüberwindlich ist, wie der furchtbare Geruch, der den düfter erleuchteten Raum erfüllt. Die Schlafmarken find gelöst und jeder macht sichs so bequem wie möglich. Da pocht der Vizebos mit der Faust auf das blechbelegte Büfett, sett einen weißgedeckten Tisch in die Mitte des Zimmers und stellt sich an die Tür. Schülerhaft, steif, im schlecht fißenden Rockanzug, den Kopf vornübergeneigt, folgt ihm ein jugendlicher Predigtsamtkandidat. Edig sind seine Züge und ausdruckslos; ein Kind des Dogmas, macht er mit seinen schülerhaften Bewegungen einen Eindruck, der schon an und für jich die Herzen der teilweis sturm- und welterfahrenen Männer nicht gewinnen fönnte. Aber er will ja auch nur eine Probepredigt halten. Mit seinen mühsam eingepautten Redewendungen und Bibelsprüchen will er sich vor geduldigen Handwerksburschen auf sein Handwerk vorbereiten. Mehr soll es nicht sein! So machen denn seine Hörer auch recht lange Gejichter, als er sich feierlich auf den Stuhl seit, sanft die Bibel auf den Tisch legt und nach einem gemessenen Guten Abend" mit gefalteten Händen das Orgel­spiel des Hausvaters erwartet. Und dieser, ein Mann mit einem Christusgesicht und frommem Augenaufschlag, schlägt leise das Harmonium auf, spielt ein fleines Vorspiel, und spricht dann die erste Strophe zeilenweis vor, die dann von der Allgemeinheit ge­fungen wird. Seine Stimme ist salbungsvoll und flingt in jenes verschrobene Singen aus, für das der Volksmund eine treffende Parodie fennt: Und es war um die Zeit, als die Spree branute..."

einen Brandschein aus der Tasche und bittet den Sausvater, ihm eine Suppe und Schlafen bis morgen zu kreditieren. Seine Mutter würde ihm gewiß etwas schicken. Doch jener zuckt die Achseln: Da müssen Sie ins Ashl für Obdachlose gehen, ich lasse mich darauf nicht ein!" Und dabei bleibt er, trob allem Bitten und Flehen, zeigt ihm die Tür und dreht ihm den Rücken. Der Aermste wartet noch einen Augenblid, und als er sieht, daß es nichts nüht, zieht er wieder hinaus auf die Straße, wo ihn der tosende Frühlingssturm mit talten Regenschauern bis auf die Haut durchnäßt. Drinnen aber ladet der Hausvater freundlich den Herrn Kandidaten zum Feierbraten. G. Sch.

Die Kinematographen- Schaustellungen, wie sie sich mehr und mehr entwickelt haben, unterzieht Avenarius im Kunstwart einer schr berechtigten Kritik. Die Technik als solche, führt er aus, fönnte ein föstliches Mittel der Volkserziehung im besten Wort­sinn sein, und als sie begann, sah es fast aus, als wollte man sie in rechter Weise benutzen. Da gab es Naturbilder, die wirklich schön waren, ich entsinne mich z. B. an Aufnahmen von der Meeresbrandung an einer Felsentüste; es war, als lüftete aus ihr ein Hauch der Seele den Saal. Auch die Aufnahmen aus dem Tier- und Menschenleben gaben wirklich Schönes: wie herrlich zeigten sich die Pferdeleiber beim Nahen einer Reiterabteilung, wie verfekten die Aufnahmen von der Lokomotive des Zuges er­frischend in das Hinstürmen durch die Landschaft, wie föstliche Idyllen brachten die Aufnahmen spielender Kinder, die sich un­belauscht glaubten! Mit meinem Vorschlag, die Entwickelung des Kinematographen in dieser Richtung auszubauen, und wenn man einmal spielen" wollte, durch Zusammenfassung zeitlich entfernter Ausnahmen etwa das Aufblühen von Blumen, das Wachstum von Tieren, das Fortschreiten von Bauten, den Wechsel der Jahreszeiten in der Landschaft zu zeigen, bin ich aber bei den Herren Geschäftemachern vorläufig noch gründlich durchgefallen. Die Naturaufnahmen verschwanden mehr und mehr zugunsten alberner Arrangements" von Schauspielern dargestellter, so­genannt humoristischer" oder" sensationeller" Szenen, deren Komödianterie den Menschen von Geschmack langweilte oder ab­stieß. Und jetzt sind wir bereits bei der Spefulation auf sadistische Triebe angelangt. Lefen wir darüber den folgenden Bericht aus dem Berliner Lofalanzeiger":" Die Internationale Kinemato­ graphen - und Lichteffekt- Gesellschaft m. b. H. in Berlin hat vor einiger Zeit ein Breisausschreiben für neue, sensationelle Films erlassen. Den ersten Preis trug eine Bilderserie davon, die den vielversprechenden Titel führi: Ein Boltsgericht im Mittelalter" oder: Die Zeit des Schreckens und des Grauens". Dargestellt wird darin die Geschichte eines Bürgermädchens, das ein Ritter aus Rache für die Abweisung seiner unchrenhaften Anträge als Here denunziert hat. Ein Hegengericht findet statt, die ganze Schredenstammer der Folterungen wird mit liebevoller Natur­treue vorgeführt, zuletzt erfolgt die Verbrennung des Opfers auf dem Scheiterhausen. Schon schlagen die Flammen höher und höher... Die unglückliche windet sich unter entjeklichen Qualen verkohlt hängt schließlich ihr Leichnam auf dem Scheiterhaufen." Die Firma, die diesen Schauerroman ohne Worte" vertreibt, fann bereits triumphierend bekannt machen: Anerkennung über An­erkennung, Order auf Order war bis heute das Resultat dieser Aufnahme! Ungezählte Gremplare diejes Films wurden geliefert. Ein Zugstüd ersten Ranges!" Scheint es überflüssig, auf die Gefahr solcher volksverrohenden, dem niedrigsten Sensationstige! dienenden Schaustellungen hinzuweisen?" Und so wären wir auf dem schönsten Wege, die Kinematographenbilder zu einer Art sichtbarer Kolportage- Schundromane sich entwickeln zu sehen wenn wir uns das auf die Dauer gefallen ließen.

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Aus dem Gebiete der Chemie.

Und dann spricht der Herr Kandidat. Gleich zu Anfang stolpert er über einige falschgeknüpfte Wortverbindungen, seine Dialektik tommt ins Stocken. Auf seinen blassen Wangen erscheinen zivei hochrote Fleden; mit starren Augen bohrt er seine Blide in ein gegenüberhängendes Kaiserbild. Aber er kommt weiter. Einige mystische Stilwendungen bringen ihn immer wieder über gefährliche Stellen, und schließlich, bei der weiteren Auslegung des zugrunde liegenden Bibelspruchs, wird er sattelfest. Er spricht glatt sein Pensum herunter. Freilich, seine Hörer bleiben kühl bis ans Herz hinan. Weder Logik noch Herzenswärme fesselt ihre Aufmerkſam- wir in der ganzen belebten Natur, und ausschließlich in dieser, das keit, und je mehr der Kandidat ins Feuer fommit, desto fremder und unverständlicher werden seine Ausführungen. Sie alle haben das Gefühl, nur ein vom religiösen Wahn Befangener fönnte da­von begeistert werden. Und doch zuckt und schreit es in den Herzen der unglücklichen Männer nach Verständnis, nach Hülfe und echtem Trost. Aber der junge Mann, der eben die Schulbank verlassen hat, wie fann er die heimlichen Fäden finden, für die das Verständnis eines schiafalkundigen Mannes gerade recht wäre...

Der Hausvater greift in die Tasten; schivach setzt der Chor ein. Mit gewaltigem Baß fommt der Bizebos zu Hülfe, und schlecht und recht wird das Lied zu Ende geleiert. Raum hat der Kandidat Zeit gehabt, sich mit einer leichten Kopfbewegung zu verabschieden, fo fchnell find die aufatmenden Handwerksburschen in den Hausflur zu den Schlafsälen gepoliert. Nur einer, ein anständig gekleideter blutjunger Mensch, geht einigemal unentschlossen hin und her und wendet sich dann an den Hausvater. Er ist ein Kaufmann, stellen­los, und hat viele Nächte schlaflos auf der Straße zugebracht, ehe er sich auf die Herberge gewagt hat. Nun ist ihm auch der letzte Pfennig ausgegangen. Er zieht seinen Ueberzieher aus, tramt fich

auf ihre Zusammensehung zu erforschen trachtet, ist es besonders Vom Eiweiß. Unter allen Substanzen, die der Chemifer eine Gruppe von Körpern, die ihn heute ganz besonders beschäftigt, das ist die Gruppe des Eiweißes. Gehört doch das Eiweiß zu den Bestandteilen, die feinem lebenden Wejen fehlen, sei es Tier oder fortiums oder das höchst entwickelte Wesen, das wir tennen. So finden Pflanze, sei es der einfachste einzellige Plasmaförper eines Infu­Eiweiß. Kann es da Wunder nehmen, daß es ein Problem ganz eigener Art ist, das die moderne Wissenschaft augenblicklich in be­manchen anderen, den uns bis vor kurzer Zeit nur die Natur ge­sonders hohem Maße beschäftigt, diesem Körper auch wie schon so liefert hat, im Laboratorium aus seinen einzelnen Teilen oder den Elementen aufzubauen? Doch noch ist man sehr weit von der endgültigen Lösung dieses Problems entfernt, wenn es auch, wie im folgenden gezeigt werden soll, schon gelungen ist, der Natur auf manchem Gebiete ihr Geheimnis abzulauschen, so daß es uns möglich geworden ist, einzelne Bausteine des Eiweißmoleküls auf fünstlichem Wege herzustellen.

Im gewöhnlichen Leben versteht man unter Eiweiß" wohl hauptsächlich die weiße gallertartige Masse des Hühnereiweißes. Dieses Eiweiß, das alle charakteristischen Merkmale der ganzen Gruppe der Eiweißförper trägt, hat ihr den Namen gegeben. Alle diese Körper stehen sich in ihrem Verhalten außerordentlich nahe, zeigen aber doch in verschiedenen Punkten scharfe Unterschiede, was an manchen Farbenreaktionen leicht zu erkennen ist. Bekannt ist, daß das Hühnereiweiß beim Kochen gerinnt, diese Eigentümlichkeit