lUßcrmittcIung d« griechischen Tragödie seine unveräußerlich cn Aormansprüche, die dem Bearbeiter manche harte Nuß zu knacken geben. Alfred Poizat ist es gelungen, Sophokles  Elektra  " in gereimten Versen zu übersetzen, die den Fluß der Einpfindnngen nirgends einengen und die großen Forme» der Antike nicht ins lächelnde Barock verzierlichen. Das Schanspielerensemble der C o�ino d i e- F r a n? a i s e, auf der seine Bearbeitung aufgeführt ivnrde, ließ allerdings sein Verständnis und seine Diskretion ver» missen. Es ist kein Zweifel, daß ein intelligenter und eifriger Regisseur diesen im französisch- klassischen und im modernen ikonversationsdrama gleich vorzüglichen, als Sprechern un- vergleichlichcn Künstlern das Verständnis auch für diese Aufgaben erschließen könnte. Das moderne Schauspiel macht jetzt«ine offenbare rück- läufige Wendung zum Thesenstück durch, das ja allerdings nie ganz verdrängt war, wie ja von Ibsen   selbst eigentlich nur jene Schauspiele in Frankreich   nachgewirkt haben, die sich, wieGespenster  " oderNora  ", als soziale Programmdramen deuten ließen. Das charakteristische Merkmal der jetzigen theatralischen Epoche ist ober ihre unverkennbare reaktronäre Tendenz. Die Gesellschaft", die die Stichworte der literarischen Mode ausgibt, zrotesticrt gegen den kleinbürgerlichen Radikalismus, der der republikanischen Politik seinen Stempel aufgedrückt hat. Das Theater aber stellt sich zum Kampf gegen die aktuellen Gesellschasts- reformen. Während daS Parlament die Löslichkeit der Ehe er- leichtert und die Aufhebung des Verbotes, im Ehebruch erzeugte Kinder nachträglich zu legitimieren, in Angriff nimnit, kommen die bei der guten Gesellschaft akkreditierten Autoren von allen Seiten mit dramatischen Rettungsapparaten zum Heil der bedrohten bürgerlichen ZwangSehe angefahren. Es ist inteckssant zu beobachten, wie in dieser vielfachen Apologie der Ehe das Interesse der sozialen Ordnung vor das Recht des Gefühls und daS ethische Prinzip der Wahrheit gestellt wird. Herr Abel H e r m a n t, der gleichzeitig zynischer Salonanarchist und konservativer Salomnoralist ist, hat schon in feinem älteren Schauspiel:L'ornxreiats"(Der Stempel") gegen Sie Ehescheidung polemisiert:Der zlveite Mann ist nur der erste Liebhaber", ist dort seine These, und die Frau, die das erste kirchlich geweihte Band zerrisien hat, muß immer tiefer gleiten. Luch sein neues Schauspiel:Los Jacobines" s.Die �akobmerinnen"), das imVaudeville- Theater aufgeführt wurde, dreht sich um die Ehescheidung. Eine Frau will den ungeliebten Gatten verlassen, unl sich mit ihrem Geliebten zu vereinigen. Der Mann aber verweigert ihr die Freigabe:Du vergißt den ge- schworenen Eid, die Liebe, die Du Deinem Sohn schuldest I Welche Borstellung machst Du Dir von der Ehe? Wenn sie erlaubt den Gatten zu wechseln, wie man den Liebhaber wechselt, dann ist sie nichts als ein gesetzliches Konkubinat, eine schmackvolle, gemeine Posse". Und daS Publikum hat diesegesunde" Moral mit stürmischem Beifall anerkannt. Die Frau bleibt übrigens wirklich. Denn in dem Augenblick, da sie das Haus verlassen will, tritt ihr der Mann entgegen und im Fieber der Auseinandersetzung wandelt sich die Verwirrung und Rührung schließlich in Sinnlichkeit.. Den Zufall geschlechtlicher Erregung zuni Regenerator einer Ehe zu machen,»st nicht nur als Moral, sondern auch als Psychologie sehr seltsam. Goethe   bat in den .Wahlverwandtschaften" anders geurteilt. Das Drama gehört nicht zu Herinants besten Arbeiten, aber Hermant ist immer ein geistrcicker, gewandter Plauderer, der auch seine trivialsten Maximen in blinkend zugesckliffene Worte verpackt. Diesmal zieht er aber im besonderen gegen die Gesellschaft der republikanische» Parlamentarier los, und von jeher ist die reaktionäre Kritik am witzigsten gewesen, wenn sie die mnere Leerheit der satten, in geistlole» GenußmaterialiSmus verfallenen liberalen Bourgeoisie verhöhnte. Uebrigens nehmen merkwürdigerweise auch Schriftsteller, die man im Vordertreffcn der Demokratie zu sehen gewohnt war, an dem Angriff ans die Ehescheidung teil, so Lson DescaveS in La Pröfvree", so auch Emil F a b r e. der Verfasser vonLa Maison d'argile"(Das tönerne Haus), der Novität der Eomodie Franyaiie". DaS Argument gegen die Scheidung heißt hier: das Kind. Soweit in diesem vielbeklatschten Drama eine wirkliche sittliche Forderung enthalten ist, hat sie A n z e n g r n b e r in seinemVierten Gebot' viel präziser ausgesprochen: Ehre Vater und Mutter, aber sie sollen auch danach seinl Aber sollen Vater und Muiter den Irrtum jugendlicher Gefühle mit lebenslang- lichem Ehegefängnis büßen? Und ist der Endzweck, auf den die Argumentation Fabres abzielt, die gleichmäßige Versorgung der Nachkommen mit ausreichenden Erbschaften, ein so wertvoller, daß er dieses Opfer verdient?
kleines Feuilleton. Theater. Lessingthcater:Die Stützen der Gesell- schaft", Schauspiel in vier Akten von Ibsen  . Die Aufführung war ein glänzender Triumph, nicht weniger oer Brahmschen Schau- spielertruppe, als auch des Stückes, daS man sich gewöhnt hatte, mit einer halben Anerkennung abzutu». Ten eingeschworenen An­hängernmodernen" AesthetentumS, das alles inStimmung" auflösen möchte, das die schlagkräftig starken dramatischen Kontraste, eine spannende Zuspitzung der Handlung und vor allem ihre Bc-
ziehung zu irgend einer sozialen Tendenz naserümpfend verpönt, kann das Drama gewiß nicht in den Kram paffen. Aber die er* schüttelnde Wirkung, die das Werk, von einer virtuosen Darstellung getragen, im Theater hervorrief, läßt sich nicht wcgdisputiercn. Was beim Lesen leicht verwirrte: die weiigreifeade Kompliziert­heit der Vorgeschichte und die Menge der nur sozusagen stichwort* artig charakterisierten Personen, das hatte in dem anschaulichen Bilde der Aufführung das Störende verloren. All die vielfach nur flüchtig angedeuteten Momente und Motive erhielten hier ein- drucksvolle Klarheit. Die nur flizzicrtcn Nebengestalien füllte die ausbauende Phantasie der Schauspieler mit Blut inid Leben: so gab Ida Wüst   die junge, aus dem stagnierenden Kleinstadtsumpf nach Freiheit und Arbeit sich hinaussehliende Tina, Karl F o r e st den geölten ethischen Süßholzraspler Rörlund, Willi G r u n- wald Hilmar Tönnescn, den ewig klagenden und renommierenden Neurastheniker. Ein Prachtstück von Eharakteristik bot M a r r in der Figur des heimkehrenden Schwager Johannes. Die Ehrlichkeit stand dem blonden Riesen auf dem Geficht geschrieben, rührend wirkte in den Liebesszeuen die etwas täppisch rauhe Art, Hinte  " der die größte Zartheit des Empfindens sich verbarg. Wenn da und dort eine Wendung mit unterläuft, die unnötig deutlich auf die Absichten des Dichters, seine Tendenzen hinweist, so ist der eigentlich dramatische Grundgedanke jedenfalls mit ganz bewunderungswürdiger Konsequenz und Geschlossenheit heraus- gearbeitet. Hier im Charakter und im Schicksale Konsul Bernicks liegt der Nerv der Dichtung, hierin auch das Geheimnis dec eminenten Bühnenwirksamkeit. Mit erstaunlichem dramatischem Kunstverstande entwickelt Ibsen   die Verkettung der Verhältnisse, die den Haltlosen von Schuld zu immer schwererer Verschuldung treibt, bis Scham und Neue ihn in offenem Geständnis Sühne suchen läßt. So tief und mächtig sind die auf den Wankenden im letzten Augenblick einstürmenden Erschütterungen, daß der Um- schwang, der befreiende Entschluß zur Wahrheit, als eine innerlich notwendige Folge erscheint. Basser mann wurde auch den ge- heimsten Intentionen.Ibsens   gerecht, von so frappanter origineller Ueberzeugungskraft war jeder Zug in dem Gemälde. Die Bos- heit, wenn er fauchend wie ein gehetztes Tier das glattrasierte Kinn zwischen den spitzen Koteletten vorschob, die gurgelnden Laute der Verzweiflung, das Herrisch-Harte. trotzig Verlogene, endlich die durchschimmernde warme Gemütserregung bei der Rede, alles lam in gleicher Vollendung zum Ausdruck. Oskar Sauer   war ausgezeichnet als schlichter Schiffsbaumeister Aune, sehr gut auch Else Lehmann   in der ihrem Temperamente freilich nicht recht liegenden Rolle der Lona. DaS Publikum dankte mit un- gewöhnlich starkem Beifall.«lt. Kunstgewerbe. e. o. W o h n u n g s k u n st. Eine Berliner   Möbelfirma, Dittmers Möbelfabrik, macht den Versuch, zu einem annehmbaren Preise moderne Möbel herzustellen und damit die neue Stil- bewegung in die breiteren Schichten des Publikums zu bringen. Um diese Ausstellung, die in der Tauenzicnstratze 10(Gartenhaus, von 10 5 Uhr) stattfindet, den gegebenen Verhältnissen möglichst anzupassen und zu zeigen, was unter den vorliegenden Umständen möglich ist, haben die Veranstalter drei gewöhnliche Wohnungen, die voneinander getrennt und in sich abgeschlossen sind, gemietet. Es sind also keine besonderen Ausstellungsräume geschaffen worden und die alten Raums sind ohne jede bauliche Veränderung gelassen. Der Künstler, dem die Aufgabe übertragen wurde, Hermann Münchhausen, hat sein Augenmerk darauf ge- richtet, die Räume einheitlich abzustimmen und auszugestalten. Der Erfolg ist befriedigend. Es ist wirklich etwas zustande gekommen, das zweckmäßig und künstlerisch ist._ Es ist dabei alles einbezogen worden, was zur Ausstattung gehört, Teppiche, Vor- hänge, Gardinen und es entfällt dafür auf ein Zinimer durch- schnutlich ein Betrag von 800 M. In der Ausgestaltung des Zimmers spricht die Wand ent- schieden mit, da sie den großen, ruhigen Hintergrund abgibt. Die Wirkung wird in unseren jetzigen Zimmern immer zerstört, weil die Tapete meist zu grell und zu unruhig ist. Die besten Möbel werden in einem auf solche Weise geschmacklos tapezierten Zimmer schlecht wirken und umgekehrt gewinnen selbst nicht so gute Möbel in einem ruhig und vornehm tapezierten Zimmer. Die Wand ist durchweg in zwei Teile geteilt. In Zwcidrittelhöhe zieht sich eine Holzleiste um den Raum, der unten Stojfbespannung oder eine einfarbige Tapete zeigt. Oben ist die Wand weiß gehalten und geht zwanglos in die Decke über. Dadurch wird auch der Eindruck im Zimmer lichter, heller und dieser Gewinn an Helligkeit erhüht die freundliche Intimität des Ganzen. Statt der sonst üblichen Türen, deren schwülstige Ausführung mit ihren Rollen und Kehlungen meist störend wirkt, sind einfache, glatte Umrahmungen eingefügt, die der Tür eine ruhige ArchU tektonik geben. Dieser breite, einfache Rahmen unterbricht die Wand, ohne daö Auge auf sich zu ziehen, daS doch durch die Schön- heit des glatten Holzes, durch die sachgemäße Einfachheit der Form befriedigt ist. Auch in den Formen der Möbel ist diese organische, sinngemäße Einfachheit beibehalten. Tie Möbel solid, einfach und brauchbar Jeder Schnörkel ist vermieden. In der Zeichnung stabil, in den Farben(meist mattgrangrün, braun und schwarz) diskret und doch charaktervoll; im Material massiv und haltbar. Das Persönlich ist wohl zu merken, aber es drängt sich nicht in Extravaganzeil