uns gelänfigen Faust Poesie ist schon im Titel markiert: Faust wird nicht gerettet, sondern von Mephistopheles in einer wüsten Höllen- fahrt hinuntergerissen, wogegen(Äretchen die himmlische Erlösung findet. Die blosse„Legende", also die nichtdramatische Oratorien- form, gestattet, den Faden des Ganzen lockerer zu halten, als ihn ein Drama verlangt, selbst wenn es mehr Zuständlichkeiten als Handlungen vorführen will. Es handelt sich dann einfach um die Gelegenheit, musitalische Lyrik zu entfalten. Das geschieht in dem Berliozschen Werte denn auch so entschieden, dass man schon wirk- lich den faulen Druckfehlerwitz wagen darf, von„Faust's Ver- dummung" zu sprechen. Diesen Eindruck hatten wir, unbeschadet der Bewunderung für das Einzelne, auch bei der Aufführung, die zu Berlin am IS. März ISA) stattfand; Rcinhold L. Hermann hatte die Aufführung bei Kroll mit zahlreichen Hülfskräften zustande gebracht. Und nun hat sich unsere„Komische Oper" der Sache an- genommen und aus ihr eine moderne Ausstattungsoper in der bereits wiederholt geschilderten Art dieses Theaterunternehmens gemacht. Als Grundlage diente hier eine Umformung deS Oratoriums in etwas, das sich allerdings nicht„Oper" oder der- gleichen, fondern bloss„für die Bühne bearbeitet" nennt. Diese Bearbeitung stammt von Raoul Gunsbourg , dem Direktor oder Oberregisseur der Oper von Monte Carlo , die wir im nächsten April hier zu Gast haben werden. Eines sah man bei der hiesigen Aufführung deutlich: Bühnenblut ist in die Sache nicht hinein- gekommen. Das Entscheidende des Abends waren wieder Bühnen- bilder von der durch Direktor Gregor im Bereine mit modernsten Künstlern geschaffenen Art. Tiesmal ging es, man kann fast wörtlich sagen: schon ins Blitzblaue. Ueber einem Liebesduett zwischen Faust und Margarete schloss sich der schwarze Borhang. Die von Berlioz eingeführten Irrlichter erschienen als eine Art Sterne in diesem Borhang, und mitten darin erglühte das Gesicht deS Mephistopheles, der das höhnische Kathrinchenlied singt. Und die Musik? Die Musikgeschichte wird uns wahrscheinlich einen nochmaligen Kalauer verzeihen, wenn wir von einem „Gregorianischen Chloralgesang" sprechen. Man konnte gerade noch bemerken, dass mal der Faust und mal ein anderer irgend etwas zu singen hatte. Rang man sich gegen die hypnotisierende Wirkung der Jllustrationeffekte durch, so hatte man allerdings etwas Köst- lichcS: eben die Musik von Berlioz . Köstlicher werden wir sie wahrscheinlicher haben, wenn nächsten Freitag im selben Theater das unveränderte Werk von Berlioz als„Oratorium" aufgeführt werden wird— dann ohne Illustrationen! Der Text führt den Helden zuerst nach Ungarn . Er sieht dort unter anderem in einer blutroten Abendlandschaft das un- garische Heer„einem nebelhaften Traum nackjagen". Es gilt dieS der magyarischen Revolte unter Fürst Franz Rätoczh(1676— 1735). Den Samen dieses Fürsten trägt ein seither weitbeliebter Marsch, den damals der Zigeunerprimas Michael Barna komponiert und ein ungarischer Geiger namens Ruzsitska zu einem dreiteiligen Clanzen erweitert hat. Dieses Ganze wurde nun wieder von Berlioz umgeformt und in„Faust's Verdammung" wirkungsvoll benützt. Es ist dies nicht bloss ein„musikalisches Zitat", sondern ein Zeugnis für die Berwandtschaft der Berliozschen Musik mit der Zigeunermusik. Hier wie dort das reichbewegte Konzertieren einer Stimme, mit unheimlich starren Bässen; hier wie dort die Vorliebe für verkehrte Rhythmen(„Synkopen")— so schon in dem ersten Bauerntanzchor, so weiterhin in dem Liede Branders von der Ratte, so selbst in Margaretes„König von Thüle". Berlioz ist wohl am berühmtesten durch seine KüNst, die Instrumental- färben zu verwerten. Mit Unrecht würde man ihn nach dieser Richtung als Effektkünstler betrachten; dielmehr ist gerade seine Kunst wunderbar, mit wenigem(z. B. mit zwei Orchesterstimmen) viel zu sagen. Tagegen leiden die Gesangspartien unter jener Neigung zum reichbewegten Konzertieren; sie klingen, als wären sie für eine Zigcunergeige geschrieben, oder für eine Trompete, wie sie im 18. Jahrhundert so virtuos gespielt wurde. Das gibt den Sängern die undankbarsten Aufgaben des Forcierens der Höhe. Herr Willi Merkel(Faust) besitzt einen im allgemeinen, aber nicht für solche Aufgaben günstigen Tenor und litt unter dem hier unvermeidlichen Forcieren. Leichter hatten eSWilliBuerS und Ludwig M a n t l e r in ihren Bariton- und Basspartien; und auch Lola Artot de Padilla konnte ihre Margarete gut zur Geltung bringen. Dem Dirigenten E. Tango ebenfalls unsere Hochachtung.— sz. Hauswirtschast. — Gefärbte Ostereier pflegen bei dem herannahenden Osterfeste in den meisten Hauswirtschaften nicht zu fehlen; einige Winke über da» Färben derselben werden daher vielen Hausfrauen gewiss willkonunen sein. Da die Eier eure poröse Schale befitzen, >0 nimmt letztere eine im Wasser leicht lösliche Farbe gern an; man mnss jedoch die Farbe sehr sorgfältig wählen, weil durch die Sprünge der Schale Farbe in das Innere des EieS gelangen kann. Am besten stellt man für jede Farbe zuerst durch fünf Minuten lange? Kochen mit dem nur in kleiner Menge anznlvendenden Färbmittel eine Farbbrüh« her, in der man die Eier 8—10 Minuten kochen läßt. Grün färbt man mit einer Hand voll frischer Saat, dunkel- grün mit getrockneten Malvenblüten von besonders dunkler Art, gelb mit Safran oder Gelbholz, goldgelb mit den äusseren Zwiebelschalen, strohgelb mit Mandelschalen, zitronengelb mit Brennesselwurzel, braun mit Krapp, rot mit Pernambuk- holz. Auch Zeichnungen lassen sich auf den Eiern an» bringen. Zu diesem Zweck legt man Blätter von Petersilie, Schafgarbe oder dergleichen auf das Ei, bindet dies mittels eines leinenen Lappens fest und kocht in der Färbbrühe aus Pernambuk- holz; dann erhält man rote Eier mit weissen Blättern; Steine, Herzen, Tierbilder usw. aus Zwiebelschale geschnitten und auf Eier befestigt, geben rote Eier mit gelben Figuren. ZarteS Rosa bis Purpurrot erhält man aus mehr oder weniger gepulverter Cochenille. Wenn man gezupfte Seidenflöckchcn an das Ei festbindet und in der Färbbrühe kocht, so wird die Schale des Eies marmoriert erscheinen. Blau färbt man mit Lackmus, lvozu ein Körnchen Soda gefügt lverden kann. Auf so gefärbten Eiern kann man mit verdünntem Essig rote Zeichnungen anbringen. Am bequemsten aber ist die An- bringnng sogenannter Abziehbilder, wie man sie bei jedem Buch» Händler billig erhalten kann. Humoristisches. — Devot. Chef:„... Welche Uhr geht nun bor— die meinige oder die Ihrige?"— Beamter:„Selbstverständlich die Ihrige, Herr Rat!" — Auf einem ländlichen Amtsgericht. Gerichts- diener:„Jetzt nehmt'mal alle da auf der Anklagebank Platz! Wer sich schuldig bekennt, kommt zuerst au die Reihe, die anderen müssen warten!" — Im Künstlercafä..... Mein Lieber— so eine Operette ist keine einfache Sache! Da gehören tüchtige Leute dazu: Zioei, die den Text einem dritten stehlen, und ei» vierter, der die Melodie dem fünften stiehlt." („Fliegende Blätter '.) Notizen. — H i e Wittelsbach— hie Hohenzollern . Nachdem Herr Bonn die Detektivromane zur Genüge in deutschen Bühnen- idealismus umgewandelt hat, will er jetzt auch die Geschichte für seine vom Kaiser protegierte moralische Anstalt nutzbar mache». Ob sein Hohcnzollerndrama„Friedrich IL" genehmigt wird, steht noch dahin. Vorläufig begnügt er sich daher mit Ludwig II. von Bayern, der in dem bekannten„volksromantischen Ton" der Hintertreppen- romane dramatisiert ist. Die liberale„Augs. Abendztg." hat darüber bereits arge bajuwarisch- nationale Beklemmungen be- kommen. Sie appelliert an den Kaiser gegen seinen Schützling und verlangt für die bayerische Dynastie denselben Schutz, dessen sich die verstorbenen Hohenzollern immer noch ans der Bühne erfreuen. Die Reichslegende wird zwar von der Bonnschen arg zerzaust, aber Iva? kümmert das schliesslich den preußische« Partiknlansimis. — Der Snobismus des Buches. Die Verlags- buchhandlung von F. Fontane u. Co. kündigt an. dass vom„Tage- buch einer Verlorenen" bereits mehr als 100 000 Exemplare abgesetzt sind und nimmehr 1000 handschriftlich numerierte Exemplare auf Büttenpapier hergestellt werden(zu 9 und 12 M.) Es fehlt mir noch der Hinweis, dass das Buch auf den Tisch jeder Konfirmandin gehöre und dass die Verfasserin ans Wunsch bereit sei, eigenhändig individuelle Tintenkleckse als Widmung anzubringen. — Zur Reform des Bühnenbildes bringt„Kunst und Künstler" im Märzheft ein umfassendes Resümee und Programm aller Bestrebungen. In dem reich illustrierten Heft werden die aktuellen Fragen der Bühuenkunst von Regisseuren, Architekten, Malern, Musikern und Dichtern bebandelt. Ein mannigfaltiges und umfangreiches Reproduktionsmateriol nach Bildern hervorragender Bühnenkünstler, von Schinkel bis Walser, sorgt für lebendige An- schaulichkeit. — Ein Tänzerinnenschuh— als kulturhistorisches Dokument. Zu den sonstigen„nationalen" Merkwürdigkeiten des B u d a p e st e r Museum? rst jetzt auch ein AtlaSschich der Tänzerin Fanny Elsler gestiftet worden, die vor einigen 60 Jahren auch hervorragendere Leute cnthnssasmierte als die guten Pester. denen sie zum Andenken nach einem Abschiedsmahl einen Schuh dedizierte. Denselben Schuh, auS dem ein Entzückter ihr Wohl getrunken hatte. Der Fetischismus ist nicht bloss in Afrika zu Haufe. — Eine Ausstellung von Flugmaschinen-Mo- bellen. In der„Bgricultural Hall' in London wird im April der Wettbewerb der Modelle beginnen, den die„Daily Mail" ver- anstaltet; anschliessend daran soll die Konkurrenz um den 200000 Mark- Preis für die Luftschiffahrt von London bis Manchester statt- finden. Mehr als 200 Modelle werden ausgestellt werden. Manche Maschinen wiegen mir ein paar Unzen, während andere die Höchst- grenze von 50 Pfund erreichen.... Eine grosse Maschine beansprucht einen Ramn von 16 Qnadratfnss, sie ist ans Stahl und Aluminium konstruiert mid hat ein Gewicht von 48— 50 Psund. Einige Apparate verwenden einen l'/zpferdekräftigen Petroleunimotor. Die Motoren sind sehr verschieden.'sie umsassen nicht nur Petrokernn, sondern auch Dampf, Luftdruck und Uhrwerke finden Verwendung. Ein Bewerber > seist besonders darauf bin, dass sein Modell für 65 M. angefertigt lverden kann. Es gibt Modelle, die nach dem Prinzip deS Bogelfluges, andere, die nach Art des Schmetteilingfliiges konstruiert sind. Berautwortl. Redakteur: Hans Weber. Berlin. — Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.BerlagSanstalt Paul Singe: LiCo.,Berlin L V?»
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24 (23.3.1907) 59
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