Heirat Anschluß an die aristokratischen Zirkel, wird Günstling eines höfischen Finanzmannes, mit dessen Geld er, unerschöpflich an neuen Projekten, es schnell zum reichen Manne bringt und das Adelsprädikat erkauft. In jähen Zickzacklinien bewegr sich seine Lebensbahn. Mächtige Popularität erwarb ihm die siegreiche literarische Kampagne gegen einen be­stochenen Gerichtshof, der gegen ihn entschieden hatte, und ganz be- sonders sein.Figaro". Voll leidenschaftlicher Anteilnahme verfolgte die Pariser Gesellschaft das Intrigenspiel, in dem der Dichter den König zur Freigabe des Stückes zwang, ein Spiel, für welches er nach den, Worte Leharpes noch mehr Geist als für die ganze Komödie brauchte. Dann sinkt Beaumarchais Glücksstern. Eine Flut von Pamphleten erscheint gegen ihn in den letzten Jahren vor Ausbruch der Revolution; sein durch versteckte Machenschaften erworbener Reichtum macht ihn dem Volke niehr und niehr verdächtig. Er wurde später auf der Liste der Emigranten verzeichnet, sein Ver- mögen als Nationaleigentum erklärt. Den nach dem Sieg der Reaktion Zurückgekehrten raffte bald der Tod dahin. Kainz war ein sprudelnd frischer Figaro und namentlich in dem klassischen Monolog des Schlußakts von fascinierender Kraft. Auch die Rolle des Grafen hatte in H a r r y W a l d e n, die der Gräfin und Susanne? in den Damen Maren und G a s n h fein­fühlige geschickte Darsteller gefunden. Indes die Zeiten sind an dem Dichtwerk nicht so spurlos vorübergegangen, wie an Mozarts unvergänglich junger Oper. Die einst so glänzend hellen Farben sind nachgedunkelt. Der Spott in der Gerichtsszene des dritten Aktes ist heute überhaupt kaum mehr verständlich und die Anhäufung der Intrigen hat für den modernen, an schärfere Motivierung ge- loohnten Geschmack leicht etwas Ermüdendes. Astronomisches. Die Lautlosigkeit der Mereore. Die meisten Meteorsteine oder, wie man wegen ihrer hauptsächlichen Zusanunensetzung aus Eisen eigentlich immer sagen mich, Meteorite, gelangen überhaupt nicht bis zur Erdoberfläche. Wenn sie der Erde so nahe gekommen find, daß sie ihrer Anziehung nicht mehr widerstehen könne«, so treten sie inimer mit bereits recht erheblicher Geschwindigkeit in die Atmo- sphäre ein. Beim Durchgang durch das Luftmeer erleiden sie aber infolge der starken Reibung mit der Luft eine so gewaltige Erhitzung, daß sie in den meisten Fällen glühend werden und geradezu ver- brennen oder sich verflüchtigen, noch lange ehe sie die Erdoberfläche erreicht haben. Es ist mehr als einmal beobachtet worden, daß ein Meteorit bei diesem Vorgang zerspringt oder explodiert, also jedenfalls in Stücke zerrissen wird. Es ist auch hin und wieder behauptet worden, daß bei einer solchen Explosion ein lautes Geräusch hörbar gewesen sei. Der gegenwärtig beste Kenner der Meteorite, Professor Denning, hält es jedoch nach einer Mit- teilung imMeteorologischen Magazin" für durchaus zweifelhaft, ob jemals ein Mensch einen Knall oder auch nur ein zischendes Geräusch von einem dieser platzenden Meteore gehört habe. Denning schreibt:Ich habe einige Tausende von Meteoren verschiedener Arten und Größen gesehen, aber niemals in irgend einem Fall ein zischendes oder anderes Geräusch vernommen, daS von diesem Gegenstände ausgegangen wäre." Neulich ist einmal berichtet worden, daß jemand ein fernes zischendes Geräusch gehört und dann beim Kufblicken ein Meteor gesehen habe; ein anderer will nur ein schwaches längeres Zischen beobachtet haben. Andere Beobachter des gleichen Meteors aber, die sich in weit geringerer Entfernung von dessen Flugbahn be- fanden, haben bekundet, daß die Erscheinung in absoluter Stille vor sich gegangen sei. Es gibt bisher überhaupt nur einen einzigen Fall, wo die Hörbarkeit von Meteoren in einer Weise behauptet ivorden ist, die eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Es handelte sich um einen höheren englischen Marineoffizier, der mit seinem Schiff in einer Fluß- mündung vor Anker lag und zur Nachtzeit ein Meteor von erster Größe in langer Flugbahn über das Himmelsgewölbe schießen sah und nach etwa einer Sekunde ein schwaches Zischen aus derselben Richtung vernahm, durch das er nach seiner eigenen Angabe in hohem Grade überrascht wurde. Immerhin wird man danach annehmen müssen, daß Meteorgeräusche, wenn sie überhaupt vernehmbar werden, nur äußerst selten in deutlicher Art bis zur Erde gelangen. Humoristisches. --Geistliche Aufsicht. Im preußischen Abgeordneten- hause ist der Antrag eingebracht worden, den Geistlichen die Schul- aufsicht zu entziehen und sie sogenannten Fachmännern, d. h. den Sendlingen des Satans zu übertragen. Dieser Antrag ist ein Wechselbalg, der einer blutschänderischen Paarung zwischen Dynamitarden und Sittlichkeitsverbrcchern entsprungen ist. Die konservativ-ultramontane Paarung, die im preußischen Abgeordnetenhause die Forderung des TageS ist, beabsichtigt im Gegenteil die nebenamtlichen Aufsichtsfnnltionen der Geistlichen aus- zudehnen. Es sollen ihnen noch folgende Aufgaben überwiesen werden: Die Dainpfkessclrevisionen, die Aufsicht über den Betrieb der VcrficherungSgesellschaften, die Revision der Seeschiffe auf ihre Seetüchtigkeit, die Revision der Blitzableiter, die Entscheidung über die Berufung von den Urteilen der Straska�nerir, die Genehmigung von Neu- und Umbauten vom bautechnischen Standpunkt aus, die Revision der Lokomotiven und der Weichenstellapparate, die Aufsicht über Dynamit- und Roburitfabrikcir. die Aufsicht über die schlagenden Wetter in Bergwerken, die Steuerrellamationcn, die Aufficht über die Zahlung von ReichStagsdiäten, die Wahlprüftmgen und die Revision der ersten Eisenbahnwagenklassen in den Zügen daraufhin, ob etwa Bauführer oder sonstiges Gesindel die erste Klaffe widerrechtlich benutzt. Preußen und die Strafprozeßreform. Michel: Man sollte doch endlich mal daS arme'chen Justitia gründlich renovieren! Finanzminister v. Rheinbaben: Hm das kommt uns zu teuer, lieber Michel l Aber'ne neue Binde um die Augen bewillige ich ihr gern! DenkenSiean denRücktritt?" wurde b. Studt geftagt. Ja, wie kann ich denn das," lautete die Antwort,so lange noch nicht auf Ivvv Einlvohner mindestens IVO Analphabeten kommen I' (Jugend.") Notizen. Im Neuen Schauspielhause wird Mittwoch, den 27. März wegen plötzlicher Erkrankung des Herrn Ernst Arndt statt desBarbier von Sevilla ' F a u st" mit Josef Kainz gegeben. Bonns nächste Kundgebung an d a S deutsche Volk wird am Donnerstag, den 4. April erfolgen.Der junge Fritz", vaterländisches Drama, gedichtet von Bonn , inszeniert von Bonn , dargestellt von der Familie Bonn , wird in Gegenwart der großen Familie Bonn in einer Privaten Aufführung zu strahlendem Glänze emporsteigen. Das Heimchen im Hause", ein humorvolle? Volks« stück von Rudolf H a w e l hatte vm Wiener Raimund- Theater Erfolg. Der Bildhauer Schilling, der Schöpfer vieler Denk- mäler, darunter des Niederwalddenkmals, ist in Gefahr zu erblinden. Schilling ist seit 1868 als Professor an der Akademie in Dresden tätig. Eine Hoftheaterkrise scheint in München bevor- zustehen. DerBayerische Kurier" erhob gegen den General- Musikdirektor Mottl und den Generalintendanten v. Speidel die schwersten Angriffe. Korruption, Maitressen- und Cliquenwirtschaft ärgster Art wurde ihnen vorgeworfen. Die Angegriffenen haben daraufhin die Eröffnung des Disziplinarverfahrens gegen sich beantragt. StraußenSSalome " wird in Paris im Mai im Theatre Lyrique in deutscher Besetzung aufgeführt tverden. Um das zu ermöglichen, mußte Strauß Mitglied der die Theater be- herrschenden Autorenvereinigung(societs des auteurs) werden. Professor Ernst von Bergmann , der bekannte Chirurg, ist in Wiesbaden nach einer erfolglosen Operation im Alter von 70 Jahren gestorben. Berthelot wurde am Montagvormittag mit seiner Gattin im Pantheon zu Paris feierlich beigesetzt. Minister Briand hielt die Gedächtnisrede. Er führte aus: Berthelot ist einer jener wunderbaren Männer gewesen, die allen Ländern und allen Zeiten zur Ehre gereichen. Er war groß als Philosoph, als politischer Erzieher und als Mann von Charakter. Er förderte die Wissenschaft, von dem höchsten und edelsten Streben beseelt, fie den Menschen darzubieten. Mit ihm wurde die Wissenschaft wahrhaft schöpferisch. Seine Entdeckungen eröffneten der Industrie ein unbegrenztes Feld und weisen ihn in die erste Reihe unter den Wohltätern der Menschheit. Des Seefahrers Martin Behaim GlobuS den dieser auf Ansuchen des Nürnberger Rats zwischen 14911403 anfertigte, ein kulturgeschichtlich sehr wertvolles Stück, wurde von der Familie v. Behaim dem Germanischen Museum in Nürnberg zu dauernder Ausstellung überlassen. Die Drehscheibe Europas ". Der Liberalismus, der bisher diesen Titel mit Auszeichnung führte, hat Konkurrenz bekommen. Es ist der bayerische Flecken Markt-Redwitz , der von den Eisenbahnern so benannt wurde, weil dort alle internattonalen europäischen Schnellzüge sich kreuzen. Einen nor d-östlichen Seeweg durch das nördliche Eismeer soll eine russische Polarexpedition aufsuchen, um die kürzeste Passage von Rußland nach Ostasien festzustellen. Man hält die Benutzung dieser Route, die hauptsächlich nur noch zwischen der Mündung des Jenissei und des Anabara zu erforschen rst, nicht für ausgeschlossen. Der Siegeslauf d eS künstlichen Indigo. Der künstliche Indigo, der Triumph der deutschen Chemie, verdrängt mit unheimlicher Schnelligkeit den natürlichen, der aus Indien über England bezogen wurde. Zwei charakteristische Ziffern: England exportierte an Indigo nach Deutschland 1895 für 257 OOO Pfd. Strrl., 1906 nur für 50Ö0 Pfd. Sterl. Deutschland dagegen exportterte nach England 1395 für 2000 Pfd. Sterl. und 1906 für 173 500 Pfd. Sterl. Berantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin ,-- Druck u, Verlag: Vorwärts Buchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer LcTo., Berlin S W«