Ein ähnliches Experiment, das vor ein paar Jahren mit einer Komödie Giordano Brunos im Berliner   Theater vorgenommen wurde, schlug damals gleichfalls fehl. Die Formen jener allen Possen sind zu prinntiv und ungelenk, um heute, wo man auf diesem Gebiete an die be- hende Jongleurkunst des Pariser Schivaukes gelvohut ist, von der Bühne her lebendige Wirkung auszuüben. Die verfängliche Pointe, auf welche die fünf Alle des Lustspiels hinsteuern, wird schon in den ersten Szenen ausgeplaudert und das Detail der Ausführung ent- hält dann kaum noch irgendwelche neuen drollige» Ueberraschungen. Ein verliebter Fant, der es auf des kinderlosen Doktor Cigola hübsche Gattin abgesehen hat, redet, als Arzt verkleidet, dem dummen Kerl ein, der Saft der Mandragolawurzel werde sein Weib frucht- bar»lachen, nur müsse er Sorge tragen, daß sie unmittelbar nach Einnahme des Trankes statt seiner einen anderen um- arme, da der erste, der ihr dann nahe, unweigerlich dem Tode verfallen sei. Ein Lumpenkerl von Mönch ist gegen klingenden Lohn bereit, als Beichtvater Lucretia   zu beweisen, daß sie, dem Wunsche ihres Mannes gehorchend, nicht die mindeste Sünde auf sich lade, und ihre Mutter hilft bei dem Werk der frommen Ueberredung eifrig mit. Natürlich übernimmt der Jüngling die Rolle des gesuchten Todeskandidaten und die Dame findet an ihm so viel Gefallen, daß sie, was ihr der Gatte einmal anbefahl, nun ganz freiwillig des öfteren wiederholen möchte. Als Anekdote auf ein paar Seiten von BoccacciosDccanierone" rasch hinerzählt. würde die bei allem Zynismus in der Situation enthaltene Komik gewiß prägnanter als in dieser Abfolge breit ausgesponnener Bühnendialoge herausgekommen sein. Besuch und Beifall waren spärlich. ät. Neue freie Volksbühne(Schiller-TheaterNJ:Helden". Komödie von B e r n h a r d S h a w. Es ist lobenswert, daß die bereits durch frühere Aufführungen in Berlin   bekannte und auch an dieser Stelle gewürdigte Komödie vom Berein derNeuen freien Volksbühne" neuerdings in Erinnerung gebracht wurde. Sie gäbe eine vortreffliche pädagogische Lektion für das bramarbasierende »Heldentum" des bevorzugtesten undvornehmsten" Standes in Preußen I Leider aber sind die Vertreter jener Kaste vom Dünkel ihrer vermeintlichen Selbstherrlichkeit allzusehr besessen, um für Belehrungen vomZivilpack" her empfänglich zu sein. Die Komödie ist aber auch insofern lehrreich, als sie die Auffassung Thomas Carlyles vom Heldentum und seiner schwärmerischen Apotheose ins gerade Gegenteil verkehrt, es ins lächerliche Nichts auflöst. Diese osfizierlicheHeldeu"-Koinödie stellt eins der interessantesten Plänkel- spiele, eine der geistreichsten modernen Satiren dar. Sie ist um so amüsanter, je gediegener sie gegeben wird. Die Aufführung war als Ganzes von dieser Art und ließ im einzelnen ausgezeichnete darstellerische Leistungen sehen. Namen aufzuzählen erspare ich mir; eS genügt zu konstatieren, daß selbst die beiden Vertreter der hauptsächlichsten Episodenrollen c Olga Limburg   und Toni Impekoven   kleine Kabinettstückchen boten.   s. k. Ans dem Tierreiche. Riesentintenfische. Die Tintenfische oder, wie man ein für allemal sagen sollte, Tintenschnecken, gehören zu den riefen- Hastesten Tieren, die sich in der Gegenwart der Erdgeschichte im Meere vorfinden. Selbstverständlich ist die Vorstellung von der Größe dieser Geschöpfe, wie es auch mit anderen Tieren häufig geschehen ist, durch die Phantasie des Menschen außerordentlich übertrieben worden und man findet in Büchern, deren Entstehung noch gar nicht so weit zurückliegt, Erzählungen von Tintenfischen, deren Arme gegen 100 Meter lang sein sollten. Die Zweifler, die solchen Berichten mit vollem Rechte ihren Unglauben entgegensetzten, sind dann in den gegenteiligen Irrtum verfallen, auch maßvollen Behauptungen über die Beobachtung von großen Tintenschnecken jede Vertrauenswürdigkeit abzusprechen. Wer jetzt eine Reise nach London   macht, kann in einer der Galerien des Naturhistorischen Museums zwei Modelle von riesigen Tinten- fchnecken in natürlicher Größe sehen. Die Tiere, die in diesen Modellen dargestellt worden sind, gehören zu zwei verschiedenen Arten:.Ai-cliitbsutis und Oktopus, von denen letzterer, der Acht- füßer, wohl der bekannteste Vertreter der Tintenschnecken überhaupt ist. Der �rotütbsutis mißt im ganzen zwölf Meter, wovon jedoch nur drei Meter auf den Körper, die übrigen neun Meter auf die beiden Arme entfallen. Das erscheint immerhin schon stattlich genug, obgleich unter den sachkundigen Naturforschern kein Zweifel mehr besteht, daß noch erheblich größere vorkommen. An der Pacifischen Küste von Nord- amerika   sollen gelegentlich Tintenschnecken in halb verwestem Zu- stand angeschwemmt worden sein, deren Arme gegen 30 Meter lang waren, und man hat schon die Möglichkeit erwogen, ob nicht manche Berichte über Beobachtungen der großen Seeschlange durch das Auftancheir einer solchen Riesentintenschnecke veranlaßt sein könnten. UebrigenS bilden diese Tintenschnecken ein HauptnahrungS« mittel für die Wale, denen wohl auch jeder einen solchen Happen geme gönnt. Humoristisches. Berliner   Weltausstellung. Wirtschaftlich von großer Bedeutung, Auch patriotisch in hohem Maße, Aber die wirkliche Kostenbestreutung Uebernimmt doch die Friedrichstraße. In der Ludwigstraße zu München   ist zu einer Leichenparade das Regiment zu beiden Seiten der Straße zum Spalier aufgestellt. Der Oberst kommt, sieht von der Fcldherruhalle aus die Straße hinunter und beanstandet die schlechte Richtung, die beiden Glieder näherten sich gegen das Siegestor immer mehr. Der Adjutant wagt einzuwerfen, daß das doch von der Perspektive komme.Ach, was brauche ich da eine Perspektive", schnauzt ihn der Oberst an, so etwas sehe ich mit freiem Auge". Hofmusik. Wirt zum Phonographenonkel:Scheren Sie sich von Hof, hier wird keen Radau gemacht, ick bin der Wirt!" Aber erlauben Se nral, Verehrtester, ich bringe die Kaiserreden.' (Simplicissimus.") Die Gnädige.«Mit dem Sauerkraut putzen Sie zuerst den Salonteppich und kochen Sie es dann für die Dienerschaft l"j Der neue Plutarch.Wie stellen Sie sich zu dem Vor- gehen der Mächte?" fragte ein Interviewer den Sultan von Marokko  . Hol' sie der Raisuli I" erwiderte der Sultan.Eine Polizei, die Euch Europäer   vor den Marrolkaneru schützt, habe ich nun I Jetzt brauche ich nur noch eine Polizei, die uns Marokkaner vor Euch Europäern schützt!" Russisches Marterl. Auf diesem Schrägen liegt im Tod erbleicht PobjedonoSzew, den Hans Mors doch schließlich hat erreicht. Zu aller Freiheitsfreunde Trost und austichligem Gaudium Drehte er dem zähen Zeloten endgültig den Kragen mn. Er konnte freilich nur sein sterblich Teil ertöten leider... Sein Geist lebt weiterl (Jugend".) Notizen. Im Neuen k ö n i g I. Operntheater(Kroll) wird vom 27. April bis t. September Direktor Ferenczy Operetten und Opern aufführen. Neue Dramen. Erfolg hatten: im Münchener Schau- spielhause BendienerS Eifenbahudrama dieStrecke", im Deutschen   Theater zu Hannover   Bruno Wagners Drama Und hätte der Liebe nicht". Einen prächtigen Durchfall erlebte im Nürnberger Intimen TheaterDer StaatSminister", ein Stück aus dem Jahre 1343 von I. H. Reitz. Ein probates Mittel, da? allen Theatern zur Nach- ahmung sich empfiehlt, führte eine Liebhaberbühne in Berchtesgaden  (Bayern  ) ein. Um dem Publikum die Beschwerlichkeit des eigenen Urteils zu ersparen, wurde kund und zu wissen gegeben, daß es beim Erscheinen einer blauen Flagge klatschen und beim Auftauchen einer roten Fahne Bewunderung markieren möge. Und so geschah's. Freilich kamen einige Verwechselungen vor. Aber im ganzen be« währte sich die Sache. Vielleicht könnten einige Berliner   Theater ihre sonst unbeschäftigten Dramaturgen mit solchen Aufgaben betrauen. Ein neues Buch von Anatole France  . Nach langer Pause wird Anatole France   demnächst wieder ein Buch ver- öffentlichen, das in dichterisch belebter Prosa die Schicksale der Jungfrau von Orleans erzählen soll. Es werden zwei ziemlich starke Bände sein. Drei Jahre hat France daran gearbeitet und sich im beständigen Umschreiben und Feileu nicht genug tun können. Ein neues Krematorium wurde in Stuttgart  feierlich eingeweiht. Auf dem Pragfriedhof erhebt sich der in weißem Sandstein ausgeführte, in eine viereckige steiuerue Kuppel aus- laufende Bau des Prof. Scholter. Ein Flachrelief über dem Ein- gang stellt den Einzug in die Pforte des Todes dar.(Professor Kieinler). Eine quadratische Halle im Innern bietet für 600 Personen Raum. An die Einweihung schloß sich die Feuerbestattung einer 30jährigen Frau an. Eine frauenfrenndlvche Universität. In Jena  ist den Frauen die Immatrikulation in allen Fakultätenge- stattet" worden. In Preußen ist desgleichen nicht zu befürchten. Andreas H o f e r s SandwirtShof im Passeiertal. der von einem Wildbach bedroht wird, soll durch Maßnahmen des öfter- reichischen Ackerbauministeriums gesichert werden. D. h. wenn er den Jnstanzenzug überlebt. Puppen mit Badehöschen. In Friedrichs- Hafen, der schönen Bodenseestadt, ist die Sittlichkeit eine besonders entwickelte. Wurden da neulich, wie dieFranks. Ztg." berichtet, zwei Putten am neuen Rathause zugedeckt, weil sie auf die an- gestammte Puttencigenschaft der Nacktheit nicht verzichtet hatten. Noch hübscher entfaltete sich der Sittlichkeitseifer an einigen ganz un- vorbestraften Badcpuppen, die in einem Schaufenster man staune: splitternackt ihr unschuldvolles Dasein verträuinten. Einschwarz- tapezierter" Herr verlangte ihre Entfernung, begnügte sich aber mit ein paar Badehöschen für die armen Puppen, denen das deutsche Frühlingsklima offenbar zu kalt ist. Verantwortl. Redakteur: Hans Weber, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckcrei u.Vcrlagsanstalt Paul Singer LcCo..Verlin SW.