srzählt uns hier von denkenden Pflanzen, und wieder weih erNeues in reizvollster Weise zu melden. Naturforscher und Dichter— beide sind an scharfe Beobachtung der Dinge gewöhnt; sind nunalle zwei in einem, so müssen die Bilder, die der eine uns vor-zaubert, durch die Kenntnisse des zweiten noch anziehender werden.So ist es denn auch mit dem neuesten Buche von Maurice Maeter-linck. Diese Auffchrift freilich trügt; es ist in dem Werke nicht bloßvon Blumen, vom Pflanzenleben die Rede, man möchte sagen, wiein einem Kaleidoskop entstehen die verschiedenartigsten Denk-gemälde vor uns. Eine Sammlung von Studien ist es, die derGcnter Dichter uns darbietet. Neben der köstlichen, wunderfeinenSkizze:„Das Denken der Blumen" enthält das Buch noch garvielerlei:„Düfte",„Unruhe unserer Moral",„Ueber König Lear",„Kriegsgötter",„Das Maß der Stunden",„Unsere soziale Pflicht",�Unsterblichkeit". Geben wir Maeterlinck das Wort zu einigen«ätzen aus seiner Blumenstudie:„Die Wasserpflanzen können wir nicht verlassen, ohne an dasso überaus romantische Leben einer von ihnen zu erinnern. Dievckannte Vallisneria, eiye Hydrocharidee, hat eine Hochzcits-icier, die die traurigste Tragödie der Liebesgeschichte der Pflanzenist. Die Vallisneria ist ein recht unbedeutendes Gras und hat nichtsvon der Anmut der Lotosblume oder gewissen haarfeinen Meer-pflanzen. Aber man kann sagen, Latz die Natur sie sich ausgesuchthat, um in ihr einen schönen Gedanken zu zeitigen. Das ganzeDasein der Pflanze vollzieht sich am Grunde der Gewässer in einerArt Halbschlaf, bis zur Hochzeitsstunde, wo sie ein neues Lebenbeginnt. Die weibliche Blüte loickelt ihren langen in eine Schraubegedrehten Stiel auf, sie steigt hinan, sie taucht empor, sie treibtauf der Fläche des Teiches und breitet sich aus. Von der Nachbar-stelle aus sehen sie die männlichen Blumen durch das sonnendurch-strahlte Wasser; auch sie erheben sich nun und steigen voller Hoff-nung empor zu ihr, die da oben schwebt, sie erwartet, sie in"einezauberische Welt binaufruft. Aber auf halbem Wege fühlen siesich plötzlich zurückgehalten; ihr Blütenstengel, die Quelle ihresDaseins, ist zu kurz. Niemals werden sie an das Licht hinauf-gelangen können, dahin, wo allein die Vereinigung von Staub-fäden und Stempel sich wird vollziehen können. Gibt es in derNatur eine grausamere Prüfung? Man denke an das Dramadieser Sehnsucht, an das Unerreichbare, das man schon berührt, diesdurchsichtige Verhängnis, das Unmögliche ohne sichtbares Hindernis!Es wäre unlösbar wie unser eigenes Drama auf dieser Erde: abersiehe da, es mischt sich etwas Unerwartetes darein. Hatten die Männ-chen eine Vorahnung ihrer Enttäuschung? Tatsache ist, daß sie inihrem Herzen eine Luftblase verborgen haben, wie man in seinerSeele den Gedanken einer verzweifelten Befreiung einschließt. Esscheint, als zögerten sie einen Augenblick, dann mit einer großartigenAnstrengung— es ist das Uebernatürlichste, was ich aus den Feiernder Insekten und Pflanzen kenne—, um sich zu ihrem Glücke empor-zuerheben, zerreißen sie freiwillig das Band, das sie mit dem Daseinverknüpft. Losreißen sie sich von ihrem Stengel und in einemeinzigen unvergleichlichen Schwünge, während heitere Wasserperlensie umspringen, steigen sie empor und ihre Blütenblätter zerplatzenauf der Oberfläche der Flut. Todeswund, aber strahlend und freigleiten sie zu Seiten der ahnungslosen Brant: Die Vereinigungvollzieht sich; die Opfer sterben dahin und treiben davon, die Gattinaber, schon eine Mutter, schließt ihren Blumenkelch, über dem nochder letzte Hauch schwebt; sie rollt ihre Schraubenschnur wieder zu-sammen und sinkt in die Tiefe zurück, um am Grunde die Fruchtdes heldenhaften Kusses zu reifen.Man kann noch unendlich viele Beispiele anführen. JedeBlüte hat ihren Gedanken, ihre Art, ihre Erfahrung, die sie benützt.Prüft man ihre kleinen Erfindungen, ihr verschiedenes Vorgehen,so erinnr man sich an fesselnde Maschinenausjtellumjen, wo dermechanisch Erfindungsgeist sich in all seinen Mitteln zeigt. Dieseraber stamu:: von gestern, der der Blumenmcchanik arbeitet seit Jahr-taufenden. Als die Blüte auf der Erde erschien, hatte sie rings-umher kein Muster; alles mußte sie aus ihren eigenen Tiefennehmen. Als wir noch bei der Keule waren, bei Bogen und Pfeil,als wir das Rad, Walze, Widder, Hebel erfanden, als— aber daswar sozusagen voriges Jahr!— als unsere Meisterwerke ein Kata-pult, eine Uhr, ein Webstuhl waren, hatten die Nadelbäume ihrenDrehstamm, das Pedikulariskraut seine Becher mit Teckeln, wiefür einen chemischen Versuch, seine springenden Federn, seinenPlan schiefer Ebenen. Und vor der Schiffsschraube— es ist nochkeine hundert Jahre her— da benutzten sie Ahorn und Linde seitdem Entstehen der Bäume. Wann werden wir einen Fallschirm odereinen Flieger erfinden wie den der Maiblume(Taraxacnml?Wann erfinden wir eine Feder, so kraftvoll wie die, die den Pollendes Ginsters in die Lüfte schleudert...?"So erzählt der Dichter in anregendster Weise so vielerlei. Esist eine Lust, ihm zuzuhören.Kunst.e. s. Holländische Maler. Eine charakteristische, reichhaltigeAuswahl moderner holländischer Bilder stellt der KunstsalonSchulte aus. Ein Ueberblick über die Kunst Hollands in derGegenwart ist dadurch ermöglicht. Als allgemeines Kennzeichen:die Vorliebe für das Stille, das Intime, sei es in der Landschaftoder im Interieur.Wie zart geben sie die unscheinbaren Reize einer anspruchslosenLandschaft, einer Landschaft der Ebene. Mit welcher Liebe undwelcher Kunst I Die Liebe hält sie von effektvoll vergröbernderDarstellung ab und führt sie zur Kunst hin; und zugleichgibt sie ihnen auch im Künstlerischen Fingerzeige, wo die Grenzezwischen feinem Kunstschaffen und raffiniertem Blendcu-Wollenmit Technik besteht. Sie bringen die großen Gegensätze inder Landschaft heraus, Ebene, Wald, Wolke und' da hineinsetzen sie, klein, unscheinbar eine Gestalt; eine Gestalt, die müdedahinschleicht, die vielleicht kaum recht sichtbar ist. Dadurch gebensie die Vorstellung der Unendlichkeit. Zart ergrünen am Hohlwegdie Büsche; mit silbrig hellen, dünnen Zweigen stehen sie in derLust. Eine Schafherde zieht den Weg heraus; das matte, gelblicheLicht liegt auf den Fellen. Vorn zieht der Hirt einher; er trägteine dunkelblaue Jacke; dieses Blau ist daS einzig Leuchtende. Sonstist alles flimmernd, hell und zart. Das ist ein charakteristischesMotiv. Und auch das Motiv der Mühlen, das Rembrandt in seinenRadierungen benutzte, die entweder in dunklen, großen Umrissen ausder Ebene herausragen oder hell auf sonnebeschienenen Feldernstehen, die von blauen Flüssen durchzogen sind, wird mit Vor-liebe verwandt. Man mutz die Schlichtheit dieser Kunst bewundern.Zum Beispiel sehen wir da auf einem Bilde ein karges Stück Land,nmgercs Gras auf hellem Sande; weiter nichts. Aber der Künstlerhat etwas daraus gemacht, indem er den Himmel darüber mit allernatürlichen, lebendigen und wechselreichcn Schönheit malte; und daSLicht, das über den Sand und das dürre Gras hinspielt, verschöntdieses anne Stückchen Erde.Von jeher war das I n t e r i e u r die Domäne der Holländer.Die holländische Kunst des 17. Jahrhunderts schuf das Interieurerst, das von da ab vorbildlich wurde. Dämmerige Jnnenluft. ausder sich Gestalten undeutlich herausheben. Besonders fein ist daBredelet, der breit und farbig aus dem Dunklen, Braunen dieTöne herausleuchten läßt, dabei zugleich alt und modern ist. Ineiner Reihe von Kinderstudien wird diese Art ins Freie übertragentWeich und duftig leuchten die Farben aus den Schattentönen dergrünen Winkel unter den Büschen. Das Zurückhaltende in. denWetten gibt dieser Kunst altmeisterliche Reife.Israels, der auf Liebermann so entscheidenden Einfluß ge-wann, tritt unter diesen Künstlern in den Vordergrund. Er kommtvon Rembrandt. Er hat dieselbe Vorliebe für bestimmte charakte-ristische Typen falte Juden) wie Rembrandt. Auch im Interieurzeigt sich Verwandtschaft: arme Leute in dämmerigen Stuben sitzend.Das Licht spielt bei ihm ebenfalls die Hauptrolle; es spielt sanftüber alle Dinge, macht die Konturen weich und läßt alle Farben inzitternden Nuancen ineinandergleiten. So z. B. bei der„Netz-flickerin", die von hinten beleuchtet wird, die gebückt vor den, ge»öffneten Fenster sitzt. Das ist das Außerordentliche an diesem Maler,wie er mit den bescheidensten Mitteln eine Fülle von Farbigkeit gibt.Die anscheinend graue oder braune Fläche einer Wand z. B.ist aufs feinste belebt, und man meint plötzlich die Luftin diesen Jnnenräumen flimmern zu sehen. Diese Zurück-Haltung in den Mitteln, diese Bescheidenheit in denEffetten hat Israels von Rembrandt, und Liebermann hat sie wiedervon Israels. Alles Laute ist vermieden, das Leise, Differenzierteherrscht vor.— Auch in den Motiven merkt man einen Einfluß, derauf Liebermann fortwirkte; schon der Titel„Die Netzflickerin" deutetdiesen Einfluß an; einfache Leute bei der Arbeit aufsuchen, daswurde in gewisser Weise ein Kunstprogramm. Vom Genrebild ausentwickelte sich Israels zu diesen raffiniert einfachen Stoffen. Indem„Landarbeiter", der auf freien, Felde steht, dessen Gestalt sichgroß abhebt von den großen Wolken, kommt diese neue Art, die inLieberniann fortwirkt, zu ganz besonders feiner, unaufdringlicher unddoch großer Wirkung.Eine Reihe anderer Künstler stvie M a n v e z. B.) haben sichvon den modernen Franzosen beeinflussen lassen und die alte,holländische Landschaftsmalerei, die wiederum die Franzosen angeregthatten, kommt dadurch auf Umwegen nach dem Ursprungsland zurück.Ein Erntcarbeiter auf dem Felde erinnert in der anspruchslos-stillen, feierliche» Haltung an Millct. Dann wieder sehen wir einBild von Mauve„Reiter an, Strande", das insofern interessant ist,als wir hier wahrscheinlich das Urbild zu den bekannten„Reiter-bildern am Strande" von Liebermann vor uns haben. Der gelbeStrand das grünliche Meer, die Reiter vor dem grauen Himmel,das ist alles mit viel Geschmack und in flächigen, flüssigen Pinsel«strichen gen, alt.Sogar einen ganz modernen Stoff, der sonst immer ganz un-künstlerisch behandelt wird, bewältigen diese arbeitsame» und ehr-lichen Künstler mit viel Delikatesse. Soldaten auf de», Felde.Artillerie, die abgesessen ist. Breites, braunes Feld, braunrot. DerHorizont tiefliegend, so daß unendlicher Himmel grau darüber steht.Ganz klein sind die Pferde, die regellos zusammenstehen, in langenReihen, deren braune Farben sich wenig hervorheben. DaS einzige.waS deutlicher fichtbar ist, find die blauen Mäntelrollen hinter denhelleren Sätteln, und diese immer wiederkehrenden blauen Farben-flecke beleben das Bild in interessanter Weise.Die Bekanntschaft mit den modernen Malern Hollands ist wert-voll. Man wird dafür dankbar sein müssen. Indem diese Künstlerzeigen, wie man sich nicht vor den deutlichen Motiven zu scheuenbraucht und doch das Künstlerische in durchaus einwandSfreier, seinerWeise Vortvalten lassen kann, gebe» sie eine richtige, allgeincineLehre, die gerade für uns Deutsche von Wert ist, da bei uns dieeinen zu stofflich, die anderen zu raffiniert malen. Die Holländerzeigen eine Vereinigung, die in gewisser Hinsicht vorbildlich seinkann und zugleich pflegen sie die alte gute Tradition der holländischenMalerei achtunggebietend fort.