Hygienisches. D i e geschichtliche EntWickelung des Luftbades. ►JnS Luftbad gilt heute als ein vielfach erprobtes, auch von dem strengen Wissenschaftler durchaus anerkanntes Heilverfahren. Seine Anwendung ist aber keine Errungenschaft der Neuzeit, das Luftbad bat vicliuehr eine lange Geschichte. Von jeher ist das Luftbad mit Vorliebe zu Abhärtungszwecken verwendet worden im Gegensatz zum Sonnenbad, das bei der Behandlung und Heilung von Krank- hcit in Betracht kam. Wie Dr. Marcuse in der Zeitschrift für physikalische und diätetische Therapie ausführt, tauchte das Luft- bad nur zu ganz bestimmten Epochen auf, und zwar entweder als Reaktion gegen zeitgenössische Gebrechen, wie z. B. gegen Ver- weichlichung oder gegen einen ftaltwasserfanatismus. Daß in Hellas und in Rom   nicht von Luftbädern die Rede war, kann uns nicht Wunder nehmen, da ja die Kleidung der Griechen und Römer so beschaffen war, daß sie den Körper nicht völlig von der Luft ab- schloss, und das öffentliche Leben Leibesübungen der Bürger er- heischte. Erst un Mittelalter, als die gesellschaftlichen Verhaltnisse völlig anders beschaffen waren, wurden vereinzelte Stimmen laut, die auf die wohltätige Wirkung des Luftbades aufmerksam machten. IbSV war es der geistreiche französische   Philosoph Montaigne   und !1614 der italienische Arzt Sanctorius  , die das Luftbad empfahlen. Aber ihre Stimme verhallte ungehört. Erst im 18. Jahrhundert wandte man der Propaganda für das Luftbad grössere Aufnrerk- samkeit zu. Benjamin Franklin   hatte an sich selbst die günstige Wirkung des Luftbades erprobt. Jeden Morgen wandte er es eine halbe oder eine ganze Stunde lang im Zimmer an. Im Jahre 1787 brachte Lichtenbergs.Magazin für das Neueste auS der Physik und Naturgeschichte" eine Abhandlung:Heber die unmittelbare Wirkung der Luft auf die Oberfläche des menschlichen Körpers". Er meinte, dass das Luftbad dem menschlichen Körper möglicher- weise mehr angemessen sei als das Waflerbad. Ebenso behauptete der Tübinger   Professor Ploncquet im Jahre 1798, dass kalte Bäder in der Badewanne für den gesunden Menschen kaum auszuhalten feien, geschweige denn für kranke oder geschwächte Personen, und empfahl daher das Schwimmbad und das Luftbad. Ungefähr um dieselbe Zeit äusserte sich der Schaumburg-Lippesche Hofrat und Leibarzt Faust gegen die Einengung des Körpers durch Kleidungs» stücke. Er schlug vor, dass Knaben und Mädchen in der gleichen Weis« ein weites Hemd mit weiten Aermeln und darüber im Sommer ein weites leinenes, im Winter ein weites wollenes Kleid ohne Bermel   mit offener Brust tragen sollten. Die grossen Hhgieniker und Aerzte Johann Peter Frank  , Karl May  , Tissot und andere, die am Ende des 18. Jahrhunderts lebten, waren sämtlich lür das Luftbad eingenommen. Im Jahre 1816 veröffentlichte dann der Jenenser Chemieprofessor Doebereiner eine Arbeit, die zum ersten Male die Grundgedanken der modernen Lichtbehandlung entwickelte. In der Aeit von Priessnitz und seinen unmittelbaren Nachfolgern geriet die Luftbehandlung wieder in Vergessenheit. Erst im IS. Jahrhundert kam sie als Reaktion gegen den Kaltwasser» fanatiSmus, den Kneipp inS Leben gerufen hatte, wieder in Auf» nähme. Am Anfang der siebziger Jahre war cS Rikli in Beides, der als erster Luftbäder und Lufthütten in ausgedehntestem Masse zu Heilzwecken in Anwendung brachte. RikliS Nachfolger auf diesem Gebiete war Lahmann, der die ersten exalten Untersuchungen über den Einfluss der atmosphärischen Luft und des zerstreuten TageS- lichts auf die Hautatmung und den Stoffwechsel durchgeführt hat. Ans dem Tierreiche. Riesentintenfische. Zu unseren Mitteilungen über Riesentintenfische in Nr. 63 deS UnterhaltungsblatteS schreibt unS ein Leser:Ich erlaube mir, Ihnen mitzuteilen, dass unsere Leser nicht erst nach London   zu reisen brauchen, um Modelle von solchen Riesenexemplaren zu sehen. In unserem MuseumfürNatur» t u n d e, Jnvalidenstr. 43, befindet sich in der Abteilung für Weich- kiere das Modell eineS Tintenfisches, welches den Londoner Exemplaren an Grösse kaum viel nachgibt, sowie der in einem grossen Spiritusbehälter aufbewahrte Körper eine? wirklichen, der zwar kleiner ist, aber doch immerhin durch seine Dimensionen impo- niert. Die Existenz solcher riesigen Tintenfisch« wurde lange Zeit von der Wissenschaft bezweifelt, bis es am 22. September 1877 ge- lang, eines solchen an der Küste von Newfoundland   bei Catilina un» weit St. Johns   habhaft zu werden. Durch einen Sturm wurde er an den Strand getrieben, klemmte sich mit dem Schwanz« zwischen Felsen fest und starb bald nach Eintritt der Ebbe. Sein Umfang betrug 2,30 Meter, die Länge des Rumpfes drei Meter, die der längsten Arme g,38 Meter. Seine Farbe war anfangs dunkelrot. »lach dem Tode weitzlich. Der Körper wurde nach New Uork be- fördert und im dortigen Aquarium in Spiritus aufbewahrt. Seit- dem find noch öfters solche Funde gemacht worden. Die Frage, ob man es hier mit einer besonderen Art oder mit besonders all gewordenen Exemplaren zu tun hat. wird überwiegend in letzterem Sinne entschieden. Da ihnen ausser den Walen noch zahllose andere Feinde nachstellen, erreichen sie selten ein hohes Alter und somit eine derartige Grösse. Dass sie in vielen, wo nicht den meisten Fällen Anlass zu den Sagen von Kraken und Seeschlangen gegeben h.wen, dürfte unzweifelhaft sein. Ihre ganze unheimliche Gestalt, die mächtigen, schlangenähnlichen Arme, der lange Wasserstreifen, den sie nach sich ziehen, und die grosse Schnelligkeit ihrer Bewegung, welche eine genauere Beobachtung»n den seltensten Fällen zulässt, machen dies erklärlich. Ein Riescntintenfisch war aller Wahv- scheinlichkeit nach auch daserschreckliche Ungeheuer", welches Hans Egede   1746 an der Südküste Grönlands   vom Schiff aus sah, und dessen von einem seiner Reisebegleiter verfasste Zeichnung uns er- halten ist. Notizen. Im Schiller-Theater 17. ist die Premiere des vier- aktigen Berliner   Stückes von Heinrich LeeAm grünen Weg' am Sonnabend, den 20. April, festgesetzt. Im Kleinen Theater muss wegen Erkrankung der Frau Fehdiner die für Sonnabend angekündigte Erstaufführung von Max Nlells KomödieDie Pächterin von Litchfield" auf Anfang nächster Woche verschoben worden. Im Zentraltheater wird vom 27. April an zwei Monate lang Direttor Drucker von Hamburg   mit seiner platt» deutschen   Gesellschaft gastieren. C s n r i e d, dem Amerika   die Entführung Parsivals auS Bayreuth   nach New Dork verdankt, hat die Direktion deS Deutschen Theater? in New Uork niedergelegt. Seine Geldmänner hatten ihm bekanntlich die Aufführung von StraussenS Salome verboten. Max Haushofer  , Münchener   Dichter und National- Ökonom, ist, 67 Jahre alt, in Gries   bei Bozen  (Tirol) gestorben. ?in München   pflegten die Nationalökonomen von ihm zu sagen, er olle ein bedeutender Dichter sein, indes fei es mit seiner Wissen- schaft nicht weit her. Und die Dichter sprachen umgekehrt. Die Lehr- bücher und die sonstigen staatsivissenschaftlichen Schriften(darunter mich eine über den modernen Sozialismus) werden HauShofer nicht überleben. Auch feine Dichtungen find nicht weit gedrungen. Aber er hatte für Land und Leute offenen Blick mid feine Schilderungen aus den bayerischen Alpen verraten Freude an der heimischen Nawr. Haushofer war geborener Münchener  . Er war einer der letzten Aus- läufer des epigonenhaften Dichterkreises, der sich unter Maximilian H in München   bildete. Die Briefe Charlotte v. Steins an Goethe sind aus dem Besitze der Steinfchen Familie durch Kauf in das Weimarer   Goethe-Rationalmufeum gekommen. Ein Beethovendenkmal wird in Paris   errichtet werden. Der Gemeinderat hat bereits eine Wiese im schönsten Teil des Boulogner Wäldchen? dem Denkmalkomitee zugesagt. Die Er­richtung des Denkmals ist besonders auch darum von Bedeutung, weil sie daS Absterben des kindischen und rohen Chauvinismus be- zeugt, der noch vor wenigen Jahren die öffentliche Ehrung eines deutschen Künstlers ausgeschlossen hätte. Der Sprachen st reit in Norwegen  . Der Kampf zwischen den Anhängern deS.LaudSmaal", der aus Volksmundarten geschaffenen rein norwegischen Sprache, und denen, die da?Nigs- maal", die dänisch  -norwcgische Reichssprache. bewahrt wissen wollen, flammt in letzter Zeit wieder hell auf. Die Ursache ist ein Gesetz- entwurf der Regierung, der das Landsmaal in den Schulunterricht und für das Studentenexamen einführen will. Die Anhänger der alten Reichssprache haben eine Rigsmaal- Vereinigung gebildet und zum Vorsitzenden Björn st ferne Björnson gewählt. Der alte Dichter und Volksinann sprach am Sonntagnachmittag in Kristiania   vor einer von ungefähr 2000 Menschen besuchten Ver­sammlung für die Reichssprache. Er nannte die Landsmaal- bewegung eine romantische Bewegung, die ihre Ursache in einer krankhasten Bauernvergötterung habe. Er habe gehört, sagte er weiter, man wolle das Deutsche zum Vorteil deS Landsmaal aus dem Schulunterricht beseittgen. Das komme ihm als der Gipfel der UnVerantwortlichkeit vor.Deutschland   ist ja unser Lehrmeister auf alle» möglichen Gebieten, in Handel und Industrie, in Wissen- schaft und Kunst, und es ist im Kampf ums Dasein, eine Lebens- bedingung für uns, deutsch   zu können und in Verbindung zu stehen mit der deutschen Kultur." Björnson verlangte, dass eine Volks- abstimmung entscheiden solle. Borher aber sollten im ganzen Lande Versammlungen abgehalten werden, um daS Voll aufzullären über die Frage. Dann werde, meinte er. der Ausfall nicht zweifelhaft fein. Obwohl ein Mann wie Björnson nnd neben ihm eine Reihe anderer angesehener Leute ihren Einfluss gegen daS Vordringen des LandSmaal geltend zu machen suchen, ist eS sehr zweifelhaft, ob die Annahme jenes Gesetzes verhindert wird. DaS StorthingSkomitee für Kirchen- und Schulangelegenheiten schlägt in seinem Gut« achten über den Gesetzentwurf vor, dass daS Landsmaal bereits vom Jahre 1909 ab als Unterrichtsgegenstand in den Gymnasien obligatorisch eingeführt werde. Ein 80 Mark-EmpfangSessen wurde zu Ehren deS englischen Mimen Beerbohm-Tree in Berlin   veranstaltet. Ver­schiedene Leute, die man dabei gern gesehen hätte, darunter solche. die die Einladung mtt hatten ergehen lassen, wurden vermisst. Offenbar hatte man vergeffen, für sie die Neinen Spesen zu be- zahlen. Vornehme Leute bezahlen nicht gerne selbst. .c:antwortl. Redatteur: Hans Weber, Berlin. Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdruckerei».BerlagSanLaltZaul Singer SeCl»., Berlin   AV.