den vielen einfachen Lieder« auch eine ganze Anzahl von kunstvollenschwierigen Sätzen, an denen Vereine von größerer Leistungsfähig-keit dankbare Aufgaben finden werden. Es ist auch der Geschmackzu loben, mit dem eine Auswahl getroffen ist aus der eigent-lichen Männerchorliterawr des IS. Jahrhunderts. Hier hat maneine Anthologie vor sich aus den besten Kompositionendieser Gattung, von Zelter. Weber, Schubert an bis zuCornelius, BrahmS, Hegar und Richard Strauß. Die großeMenge Lieder dieser drei Gruppen Volkslieder, volkstümliche undeigentliche Kunstlieder ist w 12 Abteilungen übersichtlich angeordnet:Geistliche Lieder; Ernstes und Erbauliches; Vaterland und Heimat;Natur; Wandern und Abschied; Soldatenlieder; Lieder der Jäger,Schiffer, Bauern, Bergleute; Festlieder; Gesellige und Trinklieder;Liebeslieder; Balladen; Scherz- und Spottlieder find die einzelnenAbteilungen überschrieben. Schon auS diesen Titeln ist der ziemlicherschöpfende Inhalt der Sammlung ersichtlich. Ein noch weitererAusbau wird in der vorrede verheißen. Diese Vorrede verdientüberhaupt besondere Aufmerksamkeit. Sie ist verfaßt von einemder besten Kenner de» deutschen Volksliedes. Freiherrn Rochusvon Lilieycron, dessen große Verdienste auf diesem Gebietesowohl von den Literarhistorikern, wie auch von den Musikforschernvollauf gewürdigt werden. Sie gibt eine gedrängte Ucbersicht überdie Geschichte des deutschen Volksgesanges und berichtet auch überdie Tätigkeit der Herausgeber, die Arbeitsmethoden. Mit welcherSorgfalt gearbeitet wurde, zeigt fich z. B. in der Tatsache, daß über8000 Lieder eingehend geprüft wurden, ehe man fich über die Aus-wähl der 600 Stücke einigte, die jetzt den Inhalt des Liederbuchesausmachen. Zu der beratenden Kommisfion waren auS ganzDeutschland, auch auS Oesterreich und der Schweiz viele der be»deutendsten Fachmänner hinzugezogen, sowohl Komponisten, wie dieoben genannten, als auch Chordirigenten, wie Kremser sWien),Hegar< Zürich), Volbach(Mainz), Felix Schmidt(Berlin), SiegfriedOchs(Berlin), Georg Schumann(Berlin), Hans Sitt(Leipzig)und verschiedene andere, Historiker wie Frhr. v. Liliencron, Her-mann Kretzschmar(Berlin), Max Friedlaender und Johannes Bolte(beide in Berlin). Den beiden letztgenannten Gelehrten istder kritische Anhang zu danken, in dem für jedes einzelneLied die Quellen von Text und Melodie nachgewiesen find, über-Haupt zu jedem Lied wertvolle, intereffante Anmerkungen niedergelegtfind. Es handelt fich also bei diesem Liederbuch um einen sehrernsthasten Versuch. Schaffende Künstler, die zu unseren Besten ge-hören, tüchtige Praktiker des ChorgesangeS, hervorragende Fach-gelehrte haben in ausdauernder Arbeit zusammengewirkt, um eineSammlung zu schaffen, die den künstlerischen Geschmack der großenMasten heben soll und so eine wichtige Kulturaufgabe erfüllen soll.An den deutschen Männergesangvereinen ist eS nun gelegen,diese wertvolle Gabe gebührend zu würdigen. Das Liederbuchdürste wohl auch dem kleinsten Vereine zugänglich sein. Die all-bekannte Leipziger Verlagsfirma C. F. Peters hat den Preis für dievorzüglich gedruckten uud geschmackvoll ausgestatteten Bände sofestgesetzt, daß auch kleinen Vereinskasten die Anschaffung ohne großeOpfer möglich ist. Bedenklich erscheint es jedoch, daß ein großer Teilder Sammlung nicht ohne weiteres für die öffentliche Aufführnngstcigegeben ist, sondern einer Steuerpflicht unterliegt an die.Ge-nostenschast deutscher Tonsetzer". Diese Anstalt vertritt dieInteressen der ihr ungehörigen Komponisten. Daß sie berechtigt istauch hier einzuschreiten, darüber kann ein Zweifel kaum sein. Eineandere Frage jedoch ist eS, ob bei dem gemeinnützigen Zwecke diesesLiederbuchs es nicht bester gewesen wäre, eine Ausnahme zu machenund sämtliche Lieder freizugeben. Dadurch erst hätte die Sammlungals Geschenk an das deutsche Volk ihren vollen Wert er-halten. Wie die Sachen jetzt liegen, ist es vorauszusehen,daß ein großer Teil des Liederbuches totes Gut bleiben wird. VieleSchwierigkeiten werden sich in der Praxis ergeben beim Verkehr mitder Genossenschaft, wennschon, wie es heißt, die Sätze für die Auf-führungsgenehmigung niedrig bemesten worden sind. Viele Vereinewerden geringe Neigung verspüren, in Verhandlungen einzutretenwegen Bearbeitungen von allbekannten Liedweisen, die man sich ge-wohnt hat als Allgemeingut anzusehen. Erst die Zukunft wirdzeigen, ob eS von feiten der Genossenschaft klug war, sich auch hieraus den Boden des strengen Rechts zu stellen, ob daS, was auf dereinen Seite gewonnen wird, auf der anderen nicht eingebüßt wird.Hier bot sich eine Gelegenheit, nun auch einmal in weiten Kreisenfür die lebenden Komponisteit zu werben, und gerade bei diesemersten Versuch wäre wohl mehr Entgegenkommen am Platze gewesen.kleines feuilieton.Zola und Bülow. Wie kommt Bernhard der Schöngescheitcltein solche Gesellschaft? Der„Pornograph" zum Hofmann? Oderhaben die hoffähigen Blätter„im Reiche der Gottesfurcht undfrommen Sitte" vor dem schrecklichen Franzosen(der Kerl hat jasogar ganz frech das Wort„dlerlle" geschrieben, da« Wort desGenerals Cambronne bei Waterloo), haben sie nicht vor ihm1000 Kreuze geschlagen? Und doch, und dochl Sitzen da beiMüller— im alten Pariser Münchner Lokal— etliche guteDeutsche beisammen. Einer, ein ganz verdächtiger Sozialdemokrat—» sonst aber ein guter Kerl— ulkt über die Berliner Wahl-kommission, die die eine Breslauer Wahl für ungültig erklärt hat,weil der Reichskanzler durch ein Telegramm, gerichtet gegen den„Roten", in die Wahl eingegriffen hatte. Ein Herr der Tafel-runde— im Auslande setzen sich die Landsleute eben glücklicher-weise ohne Rücksicht auf Staats- und Kirchenangehörigkcit zu-sammen— i meinte nun, das sei ein Skandal, Bülow habe ganzrecht, die Regierung könne auch für ihre Kandidaten eintreten.„Und überdies hat der Reichskanzler seinen Standpunkt ja in seinergroßartigen Rede so glänzend vertreten." In der Reichshauptstadt— Wasserkopf, sagte mal der schnöde Dr. Julius Bachem ausKöllen— wäre es ja nun nicht möglich, daß am gleichen Stamm.tische Rote, Schwarze, Grüne friedlich beisammensitzen und sichmanchmal weniger friedlich zanken, aber im republikanischenFrankreich gibt's so was. Also legt ein NichtVerehrer Bülows los.(Der Mensch ist ein waschechter„Kreuz-Zeitungs"-Mann, frühererOffizier, Ritter pp. usw.)„Wer's glaubt, kriegt'nen Taler.Exzellenz Bülow hat da eine feine Rede gehalten, die vor ihmschon eine andere Exzellenz gehalten hat— nämlich ExzellenzEugäne Rougon von Emile Zola!" Unseren national-liberalen Stammtischgenossen traf beinahe der Schlag und wiranderen machten auch verdutzte Gesichter. Daß Bernhard Zitateliebt, ist bekannt genug, aber Zola, den Pornographen? PfuiDeibel. Zieht doch der Ritter pp. ein Büchlein aus der Tascheund liest:„Wir verlangen ehrliche Wahlenl Auch die Re-g i e r u n g darf ihre Kandidaten empfehlen. Tun denn das nichtdie Sozialdemokraten auch mit größter Dreistiockeit. Maugreift uns an und wir verteidigen uns einfach. Das ist doch nurin der Ordnung. Man wollte uns knebeln, uns die Hände binden,zum Kadaver machen. Das lasten wir uns nicht gefallenl(Bravol)jAus Liebe zum Vaterlande stehen wir stets bereit, das Land zuberaten und ihm zu sagen, wo seine wahren Interessen liegen.Uebrigens ist ja das Land selbst Herr über seine Geschicke. EShat ja das Wahlrecht. Sie, meine Herren, von der Opposition, hier,wo Sie absolute Redefreiheit haben, Sie sind ja der beste Beweisunseres Respektes vor dem Wahlrechte.(Bravol) Die revo»lutionäre Partei mag sich doch beim Lande selbst beschweren, wenndaS Land mit überwältigender Mehrheit für das Reich eintritt!"Ist das nun Bülow? Ist es Zola? Da der Verfasser der„Nana" leider schon tot war. als der„Block" entstand, kann ZolaBülowS Rede nicht abgeschrieben haben und dochl Jedenfalls hatExzellenz Reichskanzler Eugene Rougon(Zola, kleine Pariser AuS-gäbe, Paris, Rue de Gcnclle 11) damals so gesprochen. Die Aehn-lichkeit ist groß und wir Atammtischgcnossen bei Müllers fandendas auch, w-Literarisches.Adolf Stern, der Literaturhistoriker und Schriftsteller,ist Montag nacht in Dresden gestorben. Unter den heutigenLiteraturforschern war er einer der gediegensten und als Novellist nichtohne Talent, wenn ihm auch starke Ursprünglichkeit fehlte. FriedrichAdolf Ernst— so war sein bürgerlicher Name— war am 14. Juni 1835 inLeipzig geboren. Nach Absolvierung seiner Studien ließ er sich in Dresdennieder, wo er die Literaturprofestur am Polytechnikum innehatte.Als Herausgeber der„Bibliothek der Literatur des 18. Jahr-Hunderts", sowie der Werke Herders, Hauffs, Hebbels, Ludwigs usw.,als Biograph Hermann Hettners und Otto Ludwigs sowie besondersdurch seine immer«och lesenswerte„Geschichte der neuerenLiteratur"(7 Bände Leipzig 1882—1885) und die„Ge-schichte der Weltliteratur" wirkte er anregend und befruchtend.Auch seine„Studien zur Literatur der Gegenwart" sind zu er«wähnen. Frei von der herkömmlichen Ledernheit und Borniertheit derliterarischen Herbarienverwalter, frisch und mit einem durch ver-gleichende Studien geschärften Blick, wußte Stern darzustellen undzu analysieren, wenn auck seine Auffassung naturgemäß zu einerökonomisch-grundlegenden Betrachtung nicht vorzudringen vermochte.Als Dichter gehört er ztir kulturhistorischen Art wie etwa Riehl.Zu nennen find die Romane„Die letzten Humanisten",„Camobns"und die in den„historischen",„neuen" und„venezianischen Novellen"gesammelten Erzählungen, von denen einige in billigen Ausgabenerschienen find. Stern hatte persönliche Beziehungen zu Otto Ludwigund HebbelTheater.Kleines Theater. Die Pächterin von Litchfield.Komödie in 3 Akten von Max Mell. Nicht ein Engländer, einWiener Autor war der Verantwortliche. Der Beifall einiger un.entwegter Bewunderer rief ihn auf die Bühne und die Erscheinungbestätigte, was sich auf Grund des TcxtSS vermuten ließ, daß er zuseiner Entlastung alle Milderungsgründe größer Jugendlichkeitgeltend machen durfte. Wenn er die Geschichte, die ihm am Herzenlag. um hundert Jahre zurückdatierte und nach England verlegte,so mag ihn dabei die Erwägung geleitet haben, daß heute ja nie-mand wisse, was für Menschen damals jenseits des Kanals herum-aclaufcn sein mögen. Warum soll da, zumal die Historiker dieSittcnlosigkeit der englischen Aristokratie jener Epoche in schwärzeste>Farben malen, nicht eine englische Frau-Gräfin in allem Ernste;odämonische Reden losgelassen haben. Das Kolorit der Zeit, i jdergleichen passierte, lebendig vor Augen zu rucken, dafür ist Cor egetragen durch einige gepfefferte, dem gräflichen Gemahl in denMund gelegte Anekdoten und einen Kammerdiener, der über alleUnanständigkeiten genaue Rechnung führt, um sie gesammelt als ab-schreckendes Beispiel in einem frommen Traktätlein abdrucken zulassen. Was die Bezeichnung des Stückes als Komödie soll,»st völlig