But. Dan
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geschnürten Mund verzerrte unaussprechliche Wut. Dann öffnete er diesen Mund, ein unheimliches Gebiß legten die weit zurückklappenden Lippen bloß. Die Augen waren von Born geladen. Sie blikten. Aber das dauerte nur einen Augenblick. Dann lachte er höhnisch und, wie immer, fett aus dem Kehlkopf heraus. Ab aus dem Kehlkopf heraus. Aber bald glättete seine Haltung zur Ueberlegenheit ab, zu der Ueberlegenheit, die er solange beiseite gesetzt hatte, länger als man es bei Jochen Riese gewohnt war. Diese unausstehliche Ueberlegenheit nahm nun wieder Besitz von allen Herrlichkeiten, die ihr bei Jochen Riese zugehörten. So war er wieder Herr seiner Stimme und Herr seines Bornes, als er die vorher so von ihm bewunderte Schönheit anschrie:
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Unverschämte Dirn! Was bildest Dir ein? Was hast Du denn und was bist Du denn? Da tut man alles, was man kann und ist lieb und freundlich, und dann das? Das wagst Du bei Jochen Riese? Du meinst Jochen Riese zu fennen. Aber Du kennst ihn noch lange nicht. Du glaubst mit ihm spielen zu können, aber ich sag Dir, wer mit Jochen Riese spielt, verliert die Partie. Nein, so was,... so was Infames, so ne Niederträchtigkeit! Und ich heiß doch Jochen Riese, und wenn Jochen Riese sagt: So ist es und so wird es, dann wird's auch so. Du glaubst, ich habe kein Ehrgefühl, und ich will Dir zeigen, daß ich ein feines Ehrgefühl habe. Nun ja, ich will es zugeben, ich bin in Dein Gesicht verschossen, ich habe Dich zur Frau gewünscht. Bisher waren es nur Gedanken, ich hätte allenfalls davon ablassen können, nun aber wird's mir zur Ehrensache. Nun, so sage ich: Du sollst meine Frau werden. Und ich heiße Jochen Riese. Un wenn Jochen Riese was sagt, dann steht es fest. Folglich wirst Du meine Frau!"
Er lachte wieder, das unerträgliche nervös machende Lachen, dabei auf den Tisch trommelnd.
Das gnädige Fräulein hat nicht dulden wollen," fuhr er fiegesgewiß fort, daß ich liebes Tinchen zu ihm sage es soll die Zeit kommen, wo sie mich darum bitten wird und mich lieber Jochen nennt, mich herzt und mich lieb hat, wenn ich's mir nur gefallen lassen will. Ich habe Deine Backe nicht berühren dürfen; es soll die Zeit fommen, wo Du mich bittest, Dich zu nehmen, wie Du bist, Dich und Deinen ganzen sogenannten feuschen Leib. Ja, so wahr ich Jochen Riese heiße" er schlug mit voller Faust auf den Tisches soll die Zeit kommen, wo Du mich um mein Jawort angehst mit der ausdrücklichen und aufrichtigen Erklärung, daß alles aus reiner Herzensliebe geschieht."
Jochen Riese hatte Phantasie. Im Geiste sah er die Szene, die er prophezeite. Er fühlte so was wie ein Rauschen einer Palme über seinem Haupt.
( Fortsetzung folgt.)
Viele sind der Ansicht, wenn sie den Gotthard überschritten haben, dann täte sich ihnen der italienische Frühling mitten im Winter auf. Das ist eine ganz falsche Annahme. Auf meinen mannigfachen Fahrten über den Gotthard fand ich im Gegenteil immer mehr Schnee jenseits als diesseits in der Schweiz . Und selbst in Mailand , ein gutes Stück landeinwärts nach Italien , kann man mehr frieren, wie in Germaniens Fluren, und die nicht mit Glüdsgütern Gesegneten haben bort mehr unter der Kälte des Winters gu leiden als die Nordländer. Man findet dort keine genügenden Heizborrichtungen und dann ist das Feuerungsmaterial so teuer, daß nur Bemittelte es sich leisten können!
Ich war einmal bei einer Familie in Mailand zum Abendessen eingeladen. Als ich Messer und Gabel ergriff, durchrieselte meinen Körper ein Kälteschauer: Messer und Gabel fühlten sich so talt wie Eiszaden an! In den Kamin wurde nun flott eingefeuert, aber die Wärme stieg in den Kamin empor, bas Zimmer selbst blieb falt. Und wenn wir dem Kamin naherückten, so wurden wir von vorn warm und der Rücken blieb kalt! Die Frau des Hauses, eine ältere Dame, hatte es unter solchen Umständen wohl borgezogen, im Bett zu verbleiben, sich mit Unwohlsein entschuldigend.
Etwas aber hat Mailand den nordischen Himmelsstrichen voraus: der Frühling hält dorb viel früher seine Gintbehr und dies mit wenigen Rückschlägen zu einer Zeit, wo bei uns noch Schnee und Eis nicht ausgeschlossen find.
Der spezifisch italienische Charakter der Landschaft beginnt allerdings, sobald man über den Gotthard gekommen ist, obschon es noch schweizerisches Gebiet ist. Wir kommen hier in die italienische Schweiz , in den Kanton Tessin . Die Schweizerhäuser, die Holzbauten, hören hier auf, an ihre Stelle treten Steinhäuser und die Kirchtürme find italienischer Art, fie laufen nicht mehr in einer Scharfen Schieferfpibe aus. Land und Leute haben einen anderen
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Charakter. Man spricht nicht mehr viel deutsch , das Italienisch herrscht vor und die deutschen Schweizer , die sich dort angefiedelt haben, müssen italienisch verstehen, wenn sie fortfommen wollen. Bald kommen wir nach Bellinzona , einer alten, ehemals be= festigten und vor Jahrhunderten italienischen Stadt. Sie lagert ich dicht vor den Paß, der vom Gotthard herunterführt. Hinter Bellinzona , nach der italienischen Seite hin, öffnet sich uns ein weites herrliches Gebirgstal. Die Berge an beiden Seiten steigen weniger schroff zum Himmel empor, und dieses weite imposante Tal zeugt bon einer großen Fruchtbarkeit. Bon größeren Orten folgt Villen und größeren und kleinen Hotels, die den bemittelten Fremden dann Lugano mit seinem herrlichen See und seinem Heer von im Frühjahr und Herbst einen bequemen Aufenthalt gewähren. Hier findet man schon halbtropische Vegetation; zahllose Dörfer lehnen sich hier an die Berge an, die oft in Wolfen eingehüllt sind und die oft im Winter über den Wolfen thronen.
Unweit Lugano sind wir an der italienischen Grenze an gekommen.
Es war ein kühler Märztag, als ich vor zirka 20 Jahren das erstemal mich in dieser Gegend aufhielt. Die Moneten waren mir ausgegangen und ich mußte hier in der Grenzstadt Chiasso ein be scheidenes Unterkommen suchen, da die erwarteten Gelder noch nicht eingetroffen waren. Ich logierte mich daher in einem kleineren Hotel oder Albergo ein. Einen Ofen gab es in der Gaststube nicht, dagegen einen großen Stamin. Er erhob sich etwas vom Fußboden, wie etwa eine kleine Bühne. Im Kamin glimmte ein fleines Feuer, das seine Nahrung durch einen Baumstamm erhielt, der, wenn er etwas verbrannt war, weiter nachgeschoben wurde und auf diese Weise tagelang ausreichte. An dem geräumigen Kamin hatten verschiedene frostige Seelen Plah genommen. Es war nachts und unheimliche Gestalten gingen aus und ein, hockten sich und stedten die Köpfe zusammen. Es waren zumeist Schmuggler, die ihr Handverk unter dem Schleier der Nacht betrieben. Sie mußten große Umwege über die Berge machen, um nicht in die Hände der Bollwächter zu fallen. Kleinere, nicht so schwere Konterbande hingen sie, wie ich nach und nach erfuhr, großen Hunden um, die ihre Schuldigkeit mit ziemlicher Sicherheit taten. Die Hunde waren dazu nicht abgerichtet; sie wurden einfach auf der italienischen Seite sehr gut gehalten und bekamen reichliche und gute Nahrung. Ihr Besizer ging dann mit ihnen über die Grenze nach der Schweiz . Dort wurden ihnen die Waren umgebunden, nachdem man sie gehörig hatte hungern lassen und mit einer Tracht Prügel wurden sie dann unter dem Schatze finsterer Nächte entlassen! under, daß sie dann so schnell als möglich auf die andere Seite zurückzukommen suchten, wo sie von ihrem Herrn schon erwartet wurden!
Kein
Jetzt ist den Schmugglern das Handwerk ziemlich schwer gemacht worden. Auf dem Luganofee treugt bie ganze Nacht ein Boot mit Scheinwerfer. Die Bollwächter suchen damit die Ufer des Sees und die Höhen ab. Stacheldrahtzäune berwehren ferner den Schmugglern den Uebergang, aber trotz alledem wird noch viel geschmuggelt. Auf Zigarren wird besonders gefahndet; diese sind einem lächerlich hohen Zoll unterworfen und schon mancher Reisende, der die italienische Grenze überschritt und das nicht mußte, hat es an seinem cigenen Leibe, oder vielmehr Portemonnaie erfahren müssen.
Noch kurz vor Genua findet man die Landschaft winterlich Da, noch ein langer Tunnel bergab nach dem Meere zu und das Land des ewigen Frühlings, mit grünen Olivenhainen, blühenden Blumen, grünen Gemüsegärten, tut sich dem erstaunten und ente zückten Blicke auf. Wir sind an der Riviera und in Genua . Im dunklen Laub veifen die Orangen und Limonen( Bitronen) und etwas später, im März, sieht man reife Früchte und Blüten an ein und demselben Baum. Ein fast ewig blauer Himmel wölbt sich über das Ganze, und wenn bei uns im Norden Eisblumen an den Fenstern sich zeigen, blühen hier Rosen, Nelken und zahllose andere Blumen! Halbtropische Gewächse sind an der Riviera heimisch, aber auch tropische Pflanzen und vor allem die Palme, deren Urheimat Afrika ist, ist von dort nach hier berpflanzt und gedeiht ausgezeichnet; nur die Früchte an der Dattelpalme reifen nicht, dazu fehlt die intensivere Hize Afrikas .
Schmeichelnd umtosen hier die Wellen des Mittelmeeres die wildgrotesken Felsgestade und oft senkrecht fallen die Felsen jäh ab Aber rot wie Blut erscheint das in die flave, hellgrüne Flut. Meer, wenn der Himmel wie in einem Feuerbrande bei unterPalmen und 3hpressen heben sich mit gebender Sonne erglüht. ihren dunklen Konturen dann scharf gegen den glühenden Nachthimmel ab und verleihen der Landschaft erst ihren spezifisch südlichen Charakter. Die Berge erglühen dabei in rotvioletter Farbe, bis sie nach und nach von unten aus verschwindet und zuletzt nur noch die äußersten Spizen leicht in erblaffendem Biolett getaucht erscheinen. Dann verschwindet auch dieses und die Nacht mit ihrem herrlichen, hellerglängenden Sternenhimmel setzt ein. Wie oft habe ich nachts nur unter dieser Beleuchtung über wilde Klippen, unter mir das tosende Meer, meinen Weg heimwärts genommen nach der einsam gelegenen Villa, aufgebaut auf hoher Felswand, die sich direkt aus dem Meere erhebt.
Sterne und Mondlicht erglänzen hier in weit hellerem Echeine und die betwegten Wogen glibern im Mondeslicht in einem hellen Silberstreifen, der sich bis zu dem nächtlichen Wanderer herüberbaut. Die Farbenpracht des Mittelmeei es habe ich nur von der des Roten Meeres übertroffen gefunden. Wer einmal Italien und die Riviera gesehen hat, den zieht es immer von neuem dorthin, namentlich, wenn im Norden im Winter die Stürme brausen und der, Himmel wochenlang schwarz und das ganze Land verdunkelnd