langer Mensch War, so sah Meister RickerS buchstäblich zuihm auf.„Jochen--" sagte er, und seine Stimme bebte.„Was, guter Meister?"«Was bist Du für ein Mann, ich wollt, ich war einMann wie Du, so reich, so klug, so erfahren, so großmütigund so gutl"Härder sprach wie immer plattdeutsch.„Dat is ja ganz gräsi," sagte er wörtlich.„Du böst jokt ganz gräsigen Kerl. So vel Geld, un hes so vel lehrt, undhos so good, so gräsi good. Jochen, wat bös vör n Mann!"(Fortsetzung folgt.)6me Keife nach Genua.Von Dr. R. Tennhardt.(Schluß.)Die Bevölkerung Genuas wohnt ziemlich eng zusammen-gepfercht, jeder Winkel bis ins achte, neunte Stockwerk hinauf istbenutzt, während dicht um Genua herum zahlreiche Villen undLandhäuser jahrelang leer stehen. Reiche Kaufleute und Patrizierbauen sich diese Villen, wohnen einmal ein paar Monate darin unddann stehen die Häuser mitunter viele Jahre unbenutzt.In der nächsten Umgebung Genuas sind die Berge kahl, ihreGipfel sind schon von früher her befestigt. In jüngster Zeit hatman sie sogar mit Geschützen neuerer Konstruktion versehen undbeherrscht nun damit nicht nur die Stadt, sondern die Umgebungund den Hafen.Es ist in Italien bekannt, daß es, um einen Genueser zuüberlisten und zu übervorteilen, der Fähigkeiten von 7 Juden be-darf!— Danach kann man sich einen Begriff von der Schlauheitund Verschlagenheit der Bewohner Genuas machen:Genua hat Berge ohne Wald,Ein Meer ohne Fische,Männer ohne TreueUnd Weiber ohne Scham!—•—Unter diesen Eigenschaften ist eS seit Jahrhunderten imübrigen Italien bekannt. Die beiden ersten sind richtig, was aberdie beiden anderen betrifft, so glaube ich, daß sich die Italiener,an der Riviera wenigstens, so ziemlich überall gleichen. Ich glaubeauch, daß man diese Eigenschaften früher mehr der herrschendenKlasse zugeschrieben hat, denn das Volk, die große Masse, ist fastin allen Ländern der Welt dasselbe. Ihre größere oder geringereBeweglichkeit hängt mit den klimatischen Verhältnissen zusammen,im Grunde genommen aber befindet sich in den Massen überalldasselbe starke Empfinden für Recht, Freiheit und Mitgefühl fürandere.-Genua ist eine der reinlichsten Städte Italiens. Wenn manbedenkt, daß Hafenstädte in der Regel, und namentlich in der Nähedes Hafens, schmutzig sind, so kann man das von Genua nicht sagen!Die Stadt ist durchweg mit großen Quadersteinen gepflastert. Die7— 8 Stockwerk und höheren Häuser haben im neueren Stadtteil,da, wo die Bauplätze dem Felsen abgerungen find, zumeist zweiEingänge. Den einen vorn an der Straße, den anderen hinten3— 4 Stockwerke weiter oben in der dahinterliegenden höherenStraße; der letztere gilt dann für die oberen Stockwerke. AuchGärten findet man vielfach auf den Dächern der Häuser. Da Höfenicht vorhanden find, so wird die nasse Wäsche vielfach zum Fensterhinaus zum Trocknen aufgehängt. Ueber die Straßen werdenbielfach Leinen gezogen, auf welchen die Wäsche hängt. In denengen Straßen in der Nähe des HafenS hängen an allen FensternHosen, Hemden usw., ganze, geflickte und zerlumpte! Weiß siehtdiese Wäsche zumeist nicht aus--- Jedenfalls kann man sichnicht anders helfen, als die Wäsche so zu trocknen, und nicht nurdie Proletarier, sondern auch die Bessersituierten trocknen so ihreWäsche.._,Die breite Mass« der Bevölkerung ist hier ziemlich gutmutig,fast kindlich und heiter, Wenns nicht gar zu schlimm kommt. Oftsteht man, daß nachts beim Mondeslicht junge Leute ihren An-gebeteten mit Guitarrebegleitung Ständchen bringen. Hoch oben-.n der engen Straße öffnet fich dann wohl das Fenster und dieSänger müssen dann den Kopf ziemlich hoch halten, wollen sie vonihrer Verehrten etwas sehen, auch dringt der Ton der Stimme somehr nach oben. Die heilige Hermandad, die bei uns in Deutsch-land die Sänger gleich beim Kragen packen würde, kümmert sich hierum solche Kleinigkeiten nicht; man läßt den Leuten ihre harmlosenVergnügen.— Zu jeder Zeit des Nachts kann man in Italien fingenhören, zumeist aber um Mitternacht, wenn die Theater zu Endesind und die Galerien sich geleert haben. Das italienische Volk hatein großartiges musikalisches Gehör. Einfache Arbeiter habe ichmit großer Verständnisinnigkeit nach Schluß des Theaters dieschwierigsten Melodien auf der Straße nachsingen hören! Geschehedas bei uns, so würden sich gleich in wilder Wut ein Dutzend Schutz-leute auf die harmlosen Sanger stürzen und ihnen die Lust amSingen austreiben!Im Theater selbst ist das Volk auch zumeist ausschlaggebend.So sturmisch eS mit seinem Applaus ist. so wenig hält es auch zurück,wenn die Sänger ihre Sache nicht gut machen. Das Applaudierengeschieht zumeist durch donnerähnliches Trampeln unter fortwähren-dem Bis-(Da capo») Rufen, welches zumeist erst dann nachläßt.wenn der Sänger wiederholt hat. Mißfällt ein Sänger, dann kannman auch schrille Pfiffe hören!— In San Nemo habe ich es mit-erlebt, daß ein reicher Russe, der aus Liebhaberei ohne Gage sichanstellen ließ und den guten Tenor verdrängte, solange ausgepfiffenwurde, bis der andere wieder angestellt war. Das ganze Theaternahm Anteil und die Polizei war machtlos.Das weibliche Geschlecht unterliegt nicht nur in Genua, sondernin ganz Italien dem Zwange halb orientalischer Sitten. Keinjunges Mädchen von halbwegs guter Familie darf dort allein sichauf der Straße zeigen. Entweder gehen die Eltern mit ihr, odereine Tante, oder ein dienstbarer Geist.— Sind hingegen die jungenDamen erst einmal verheiratet, dann find sie frei und sie könnentun und lassen, was sie wollen! Zu streng bisher abgeschlossen.machen sie dann nicht selten von der erlangten Freiheit den un-gebundensten Gebrauch.—— Junge Mädchen, auch solche ausdem Volke, findet man daher nie wie in Deutschland auf den Tanz-böden. Da tanzen Männer, jüngere und ältere, oft zärtlich um-schlungen miteinander! Und sie tanzen vollendet gut, zumeist nachDrehorgeln.Fischer und Bauern tragen hier noch die phrhgische rote Mütze,wie sie die Sansculotten trugen, als sie die Revolutionsarmee ver-stärkend von Marseilles nach Paris zogen; dort wurden diese Mützendann bekanntlich nach den Jacobinern benannt. Die BewohnerGenuas und der Riviera sind keine reine Rasse, sie sind von früherher. seit der Sarazcnenherrschaft, stark mit Sarazenenblut ver-mischt.Leider ist das Mittelmeer sehr arm an Fischen, und arm finddeshalb auch die Fischer. Eine ganze Anzahl von Familien besitztein großes Netz und mehrere kleine Boote. Wenn die Netze ein-gezogen werden, ziehen Lt) bis 30 Personen daran und die Aus-beute ist oft gleich Null— mitunter nur eine kleine AnzahlSardinen.Die Bevölkerung ist sehr arm. Wer noch soviel zusammen-bringen kann, um auswandern zu können, der tut es.— Trotz desvon der Natur so reich und herrlich ausgestatteten Landes hat dieAuswanderungsziffer in Italien im ersten Halbjahre des ver-flossenen Jahres beinahe eine halbe Million betragen!— Die Auswandererdampfer, die von Genua nach Südamerika gehen, find zu-meist überfüllt.— Nicht selten aber kehren die Auswanderer alsbemittelte Leute zurück und kaufen sich Villen und genießen dannihr Leben in noch rüstigen Jahren in ihrer unvergleichlich schönenHeimat.Wo es einigermaßen zulässig ist, hat man im oberen Stadtteildie alten engen Straßen niedergerissen und breitere angelegt.Prachtbauten mit Säulenreihen zieren sie. Eine dieser Haupt»straßcn ist die Straße des 22. September. Dieses Datum erinnertan die Befreiung Italiens.— Am Todestage des internationalenRepublikaners Mazzini sah ich vor Jahren einen imposanten De-monstrationszug. Garibaldianer, Republikaner, Sozialdemokraten,alle zogen sie vereint nach dem Grabe Mazzinis. Die Garibaldianerangetan mit ihren roten Blusen. Nach und nach sind sie wohl fastausgestorben. Jetzt tragen die sozialdemokratischen Musikkapellendie roten Blusen. Wie bei uns in Deutschland jedes kleine Nesteinen Gesangverein besitzt, so haben die Italiener statt dessen eineuniformierte Musikkapelle.Auf dem schönsten Platze Genuas, an der Aqua sola, sind zweiDenkmäler errichtet, das eine stellt Mazzini in seiner schlichtenWeise dar, das andere den ersten König Italiens: Victor Emanuel,als Reiterstatuc, der Mazzini gegenüber aufgestellt ist und grüßendseinen Hut zieht.— Eine schöne Zusammenstellung, sehr geeignet,in Preußen lebhaftes Entsetzen zu erregen.Wer nach Genua kommt und es unterläßt, den Eampo santo(Friedhof) zu besuchen, der kennt Genua nicht. Der FriedhofGenuas ist wohl der reichste, eigenartigste und schönste der Welt!Unter geschützten langen Galerien, deren Dächer von Marmor-säulen getragen werden und deren Fußböden ebenfalls aus Marmorbestehen, stehen zahllose Grabdenkmäler, sämtlich aus Marmor vonden bedeutendsten Künstlern Italiens ausgeführt. Die Grüfte sindsämtlich ausgemauert und werden einfach durch eine Marmorplattegeschlossen. Dieser Friedhof gleicht einer großen Kunstgalerie, einemriesigen Museum. Die Statuen sind nicht unter Lebensgröße aus-geführt und stellen oft ganze Szenen aus dem Leben dar. Mutterund Kinder, die noch am Leben sind, stehen in lebensgroßen Figurenam Sarkophage des Vaters und Ehegatten, ein schönes trauerndesGruppenbild darstellend. Während die Mutter das Leichentuchlüftet, unter welchem der Kopf des Gatten sich zeigt, stehen dieKinder mit bewegten Mienen, den Dahingeschiedenen betrachtend.Dort steht ein Knabe auf einem Segelboot, die eine Hand am Segel.die andere am Steuer. Der Knabe ist auf dem Meere verunglücktund die Szene stellt das Boot im Sturme dar. Nicht weit davonstehen zwei Frauengestalten. Die eine öffnet, auf den Marmorstufenstehend, die Bronzetür der Gruft, während die andere ihr nach-folgt. An einer der besonders ins Auge fallenden Stellen des Fried-Hofes, an einer der Ecken der Galerien, fällt uns die Statue eineralten Hökerin in Lebensgröße auf einem erhöhten Marmorsockelauf. In der Hand trägt sie eine Reihe von Brezeln und um denHals eine Reihe von Nüssen, Sachen, mit denen sie ihr Lebtag