Kleines feuilleton.

Theater.

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Lessing Theater: Florian Geyer , Schauspiel in 5 Aften von Gerhart Hauptmann . Der neuen Aufführung des Werkes war die verkürzte Faffung zugrunde gelegt, in der es vor zwei Jahren, acht Jahre nach der heißumstrittenen Premiere, mit Rittner in der Figur des Helden, rauschenden Erfolg erzielte. Der Eindruck war unvermindert start, ja Rittner schien noch höher gewachsen in seiner Rolle, noch ausgeglichener und geschlossener in jedem Einzelzuge, die Illufion, die er hervorrief, noch lebendiger. Freilich, mit dem Hauptmannschen Drama des' Weberaufstandes fann dies Gemälde aus dem Bauernkriege fich an unmittelbarer Wirkung nicht vergleichen. Schon das historische Kostüm, das Fremdartige der Anschauungen und Ideen, unabtrennbar von der Distanz der Zeiten, steht dem im Wege: Die Empörung der Unter­drückten ist hier Empörung unter einer weit entrückten gesellschaft lichen Konstellation und erhält so allerhand nicht jedermann von vornherein verständliche Beimischungen, während sie sich in den " Webern " in ihrer einfachsten elementarsten Gestalt darstellt In dem modernen Stücke wird der Zuschauer zum Zeugen der furcht­baren Ausbeutung, er sieht die Armen hungern, fühlt das Antvachsen der Erbitterung, die zum Verzweiflungstampfe treibt, das kurze Aufflackern der Hoffnung und den dumpfen Schmerz der Niederlage in jeder Faser seines Herzens mit. Eben das aber, was dem Bauernkriege des Reformationszeitalters seine geschichtliche, wie­wohl zum Sieg nicht zureichende Stoßkraft verlieh, das Zusammen­fließen sehr verschiedenartiger sozialer, politischer und firchlicher Interessen im Lager der Aufständischen, die Mannigfaltigkeit der Ziele und die räumliche Ausdehnung der Erhebung macht eine um­spannende und zugleich anschauliche Geschlossenheit der dramatischen Darstellung unmöglich. Nur Episoden jenes Ganzen kann der Dichter geben, Episoden, in denen die bewegte Handlung, um nur irgendwie das weitverzweigte Wefen jenes Ganzen anzudeuten, durch eingeflochtene Berichte und vielfache Beziehungen auf abseits liegende Haupt- und Staatsaktionen sich ergänzen muß. Haupt­mann erreicht die Treue und den Reichtum des geschichtlichen Kolorits nur um den Preis einer, die Energie dramatischer Spannung herabmindernden zerstreuung und Loderung des fzeni­schen Aufbaues. Das Maffenmaterial. das er in den Grenzen der bon ihm herausgegriffenen Episode zu bewältigen hat, läßt keinen Raum, um den Ausbruch, das Entstehen der bäuerlichen Bewegung was doch für das Verständnis von eminenter Bedeutung wäre bildhaft vor uns auszubreiten. Ein Fertiges, dessen Ursprung nur mittelbar nachträglich durch Refleye beleuchtet wird, tritt die Revolte in dem Drama auf und aus demselben Grunde fehlt der Raum, die Figur des Florian Geher, um den die Vorgänge des Schauspiels fich gruppieren, bis in die letzten psychologischen Verzweigungen hin böllig flarzulegen. Auch den Geher sehen wir als den Fertigen. Die Vergangenheit, aus der er, der Standesgenoß der Adeligen, das wurde, was er in dem Schauspiel ist: Der von dem Recht der Boltssache im Herzensgrunde überzeugte Anführer der Bauern, bleibt völlig dunkel. Mit wenigen, aber höchst markanten Linien ist dies Charakterbild schlicht- edler tatenfroher Männlichkeit um­riffen. Bei aller Knappheit in der Zeichnung strömt aus der Gestalt, wenn sie den richtigen Interpreten auf der Bühne findet, doch eine Flut von Stimmung, die schließlich siegreich auch die in der Zer­treutheit des Stofflichen gegebenen Hemmungen überwindet. Neben der prachtvollen Leistung Rittners, leider eine seiner letten, da er das Theater endgültig verlassen will, verdiente in der durchsveg sorgfältig ausgearbeiteten Vorstellung vor allem der riesige brutale Landsknecht Hans Marrs, Sauers vornehm ver­geistigter Schreiber Löffelholz, und Bassermanns frappante, wenn auch etwas outrierte Porträtierung des Feldhauptmanns Tellermanns, Hervorhebung. Minutenlang nach dem Fallen des Vorhangs hielt der Applaus an; immer und immer wieder wurde der Name Rittner gerufen.

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dt.

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Alle diese Proletarier find als gute dumme Luder" mit der Schnapsflasche hingestellt, so als wären sie aus der Fabrik des Reichslügenverbandes hervorgegangen. Thetje Eggers, der Held" dieser tollen Volkspoffe" feiert mit seiner jungen Frau Doris Bidenpad die Brautnacht. Man sieht da eine Anzahl Arbeiter und Dienstmädchen beim schwelgenden Nachtmahl. Man fingt, man bringt dem jungen Ehepaar derbe Komplimente, Toaste und Ange­binde dar. Und darn kommt der Knalleffekt: einer nach dem andern, Weibsen wie Manderlin laufen unter bielsagenden Grimassen und Gebärden davon. Sollten etwa die Leutchen Rhabarberwurzeln ges gessen haben? Nein. Aber da ist ein Berliner: weil ihm Thetje Die Doris weggeschnappt hat, rächt er sich, indem er die spendierten Getränke mit Schweizerpillen verfüßte. Natürlich übt nun das Ehepaar Vergeltung an ihm: es zwingt ihn, das gleiche Getränk en masse einzunehmen. Während dieser Prozedur fällt der Vorhang. Man glaubt am Ende zu sein. Das glaubten wenigstens am letzten Sonnabend auch alle Zuschauer; sie eilten schleunigst an die Garderoben. Plöblich hieß es: die Schauermär ist ja noch gar nicht aus; es fommt noch ein Bild! Zum Teil schon in Mänteln fehrte man zurück. Richtig: es gab noch ein Schluß­bild. Das schien zwar überflüssig zu sein. Aber wär es anders den Autoren möglich geworden, zu zeigen, wie, tvenn sich das Lafter erbricht", sich die Zugend zu Tisch sezt?" Nämlich Thetje Eggers foll Kupferdraht gestohlen haben! So behauptet der Aufseher Hannes Büttjer. Das ist ein ganz abgefeimter Bösewicht. Einer alten heiratsluftigen Jungfer stiehlt er 600 Mt. mitsamt den bunten Eoden, in denen das Geld verborgen ist. Und Thetje Eggers, den braven Telephonarbeiter bringt Büttjer nicht bloß aus seiner Brot stelle, sondern verächtigt ihn auch der Drahtdieberei. Diese Mori­taten müssen boam Schlußbilde ans Licht der Sonne fommen, maßen Büttjer als Obergauner entlarvt und Thetje Eggers reha bilitiert werden soll! Aber das Schlußbild hat noch einen höheren Zwed. Wie hätte sonst der Knopfmacher Paul Helm seine Anna Rang friegen fönnen? So war denn endlich nach reichlich drei Folterstunden die tolle Boltsposse" aus dank einer mit unge bührlich langen Zwischenattsmusit versehenen Vorführung der eigent lichen Possenbilder Es ist ja wahr: die dekorative Lokalszenerie wirft recht nett; aber Scherls Woche bringt dergleichen auch. Und einige Mitglieder, wie Fräulein Brinkmann( Doris Pickenpad) und Herr Biel( Hannes Büttjer) spielen sehr brob und fnaden" noch firer; aber war es denn nötig, den Berlinern fund und zu wissen zu tun, daß die Hamburger plattdeutsch reden und bannig humorvolle Leute sind? Diese Belehrung haben wir an der Spree biel billiger!

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Aus dem Tierleben.

e. k.

Der Winterschlaf der Schmetterlinge. Sobald es warm werden wird, werden die Schmetterlinge wieder erscheinen. Viele werden sie als willkommene Frühlingsboten begrüßen, aber nur wenige werden sich den Kopf darüber zerbrechen, woher sie tommen. Trotzdem ist es durchaus nicht ohne weiteres flar, auf welche Weise die Schmetterlinge den Winter überstehen, und manchem wird es überraschend sein zu hören, daß diese Tiere, je nach ihrer Art, in allen Phasen der Entwickelung, als Ei, als Raupe, als Buppe und als ausgewachsener Schmetterling der Un­bill der kalten Jahreszeit Widerstand leisten. In einem Auffah der Monatsschrift Natur und Offenbarung" schildert Franz Neu­reuter die verschiedenartigen Mittel, deren sich die Natur bedient, um die Schmetterlinge im Winter vor dem Untergang zu bewahren. Berhältnismäßig wenige dieser Insekten legen ihre Eier im Herbste ab und sorgen auf diese Weise für die Erhaltung ihrer Art. Zu diesen wenigen gehören einige Spinnerarten, die schon deshalb er­wähnenswert sind, weil sie ein eigentümliches Verfahren in An­wendung bringen, um ihre Gier den Stürmen des Winters nicht preiszugeben. Der sogenannte Ringelspinner flebt seine zahl­reichen Gier mit einem festen Ritt um einen dünnen Zweig, sodaß ein dichter Ring entsteht. Der zu dieser Eierablagerung gewählte Zweig gehört immer einer Pflanze an, die für die später aus­Im Zentraltheater gastiert gegenwärtig das Ham- tretende Raupe das geeignetste Futter liefert. Durch den Kitt burger Ernst Druder- Theater mit einer tollen Volks- berhindert der Schmetterling, daß seine Nachkommenschaft vom poffe": Thetie Eggers Brautnacht. In die Verfasserschaft Winde verweht und von der geeigneten Futterstelle vertrieben wird. teilen sich folgende Autoren: William Shakespeare ( Falstaff Andere Spinnerarten, z. B. der bekannte Schwammspinner, fleben fomödie und Romeo und Julia ), verschiedene Urheber der alten ihre Eier an die Rinden der Bäume fest und bedecken sie noch Berliner Bosse und neuere Pariser Schwantdichter, endlich der obendrein mit der weichen Wolle ihres Hinterleibs, sodaß die Ei­Direktor des zubenannten Theaters und ein Mitglied desselben: ablagen wie schwammige Auswüchse der Rinde aussehen. Die Hans Buchholz. Für die Musik, ebenfalls ein mixtum com- Nonne schiebt ihre Eier gern unter die rissige Borke der Nadel­positum aus bekannten Operetten usw., zeichnet Rudolf Hart- hölzer. Außer diesen Schmetterlingsarten gibt es noch andere, mann. Der Veranstalter dieses Gesamt- Gastspiels" muß die deren Eier überwintern, aber viel zahlreichere Arten überwintern Berliner sehr gering einschätzen. Er scheint zu glauben, daß ein als Raupen. Merkwürdigerweise sind es nicht nur große und alte Schmarrn wie Thetje Eggers Brautnacht", angesichts dessen man Raupen, die dem Winter Trotz bieten. Manche Raupen verlassen auch an Gastons Hochzeitsnacht in gröbstem Gadleinen denken furz vor dem Eintritt des Winters die Eischale und suchen unter fönnte, für uns gut genug sei. Er meint, der Hamburger Dialekt ein paar welfen Blättern, die zusammengesponnen ein sogenanntes Andere Arten suchen sich am Boden allein tuts uns an. Ach hätte fich Herr Druder doch nur ein Raupennest bilden, Schuß. bißchen umgefehen, so würde er gefunden haben, daß das reichs- unter Steinen, Moos oder abgefallenem Laub zu verstecken. Mand hauptstädtische Publikum mit Aufführung von Theaterstücken in Raupen scheinen wegen ihres dicen Haarpelzes sehr gut für die allen möglichen und unmöglichen Dialekten seit Jahren geradezu leberwinterung ausgerüstet zu sein wie einige Raupen der überfüttert wird. Ob man da sächselt oder schwäbelt cder schuh- Bären", des Brombeerspinners u. a. m. Sehr eigentümlich ist es, plattelt oder tiroler Schnadahüpfln, schweizerische Kuhreigen usw. zu daß die Raupe des sogenannten Augsburger Bären gewöhnlich sehen und zu hören kriegt, es ist alles eins. Was aber jetzt Herr sogar zweimal überwintert und sich erst im Frühling des dritten Drucker serviert, erscheint doch als der Gipfel provinzlicher Jahres verpuppt. Die Zahl der überwinternden Schmetterlinge Naivität. Man höre: das Opus nennt sich Volksposse". Bufolge puppen ist geringer als die der überwinternden Raupen, obgleich dieser Bezeichnung treten unterschiedlich von der bekannten Poffe jene, weil sie keiner Nahrung bedürfen, besonders dazu geeignet Maschinenbauer von Berlin " Hamburger Telephonarbeiter auf. lerscheinen, die ungünstige Jahreszeit zu überdauern. Im Puppen­

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