Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 89.
Briefe,
Donnerstag, den 9. Mai.
( Nachdruck verboten.)
die in den Papierkorb wandern.
Von T. Schtscheptina- Kupernit.
( Schluß.)
Unabgesandter Brief.
Ich wollte schweigen; Gott ist Beuge, daß ich schweigen wollte. Doch als ich heute Ihren Brief bekam, einen lieben, zärtlichen Brief, in dem Sie mich fragen: ob Sie unsere ländliche Einsamkeit durch Ihr plötzliches Erscheinen unter brechen dürfen," und so einfach, so ruhig fragen, da begann es in mir zu toben. Dmitri war gerade im Begriff auszureiten: er hatte schon gefrühstückt und stand an der Balkontür, seine Handschuhe zuknöpfend, schlank, fraftvoll, schön und mein, mein Mann, mein Freund, mein Geliebter, denn bis heute liebe ich ihn nicht nur als Mann, sondern als Geliebten mit einer Verzweiflung und Aufopferung, die Ihrem launischen Herzen fremd ist.
-Von wem? fragte er gleichgültig. Aber ich habe seine Stimme, feinen Gesichtsausdruck gut studiert. Ist er auf geregt, so beginnt seine linke Braue nervös zu zuden, und aus dieser kaum merkbaren Bewegung ersah ich, daß er Ihr Papier, Ihr Odeur und Ihre Handschrift erkannt hat. Bon Anna Nikolajewna.
- Ach!- Was schreibt sie denn?
1907
auf Sie habe ich mir nichts versprochen, und nun haben Sie mich dahin gebracht, daß ich Ihnen schreiben muß. Oh, ich wollte es wirklich nicht! Sie müssen mir Gerechtigkeit widerfahren lassen: diesen ganzen Winter spielte ich die Rolle
einer Frau, die nicht eifersüchtig ist," und spielte dieſe Rolle
meisterhaft. Keine Fragen, feine Anspielungen, ruhig ließ blieb zu Hause unter dem Vorwand an Migräne zu leiden, ich ihn Ihre Loge, Ihre Soireen, Ihre Diners besuchen und um Sie nicht zusammen mit meinem Manne zu sehen, um nicht Zeugin der Blicke zu sein, die Sie und er miteinander zu Franzesta da Rimini im Theater waren und ich einen wechselten. Ich hatte schon genug, als wir alle zusammen folchen Blick auffing, der mehr sagte, als Morte. Ich verlor beinahe das Bewußtsein, so heftig war der schmerzliche Schlag, den ich plötzlich im Hirn, ins Herz empfing.
Sie haben nichts davon gemerkt; ich erhob mich und bat den Baron mich bis zur Equipage zu geleiten, einen plöplichen Anfall von Migräne borschützend. Und Sie blieben mit Dmitri allein, und er fehrte um 3 Uhr nachts zurüd und sagte Freunde, denen er begegnet, hätten ihn verleitet in den Klub zu gehen. Eine banale Ausrede, die in franzöfischen Romanen vorkommt, aber ich gab mir den Anschein, daß ich ihm glaube; ich kämpfte mit Gewalt meine Sehnsucht, meine Tränen nieder und in der Gesellschaft fagte man nur: Arme Jolisaweta Borissowna! Shre ewigen Kopfschmerzen Und die Aerzte werden ein schlechtes Ende nehmen.".... fchickten mich ins Bad, oder ins Gebirge Ich aber, ich erwartete sehnsuchtsvoll den Sommer! Ich sehnte mich nach meinem lieben Jablonowka, wohin wir endlich beide fahren
sch reichte ihm schweigend den Brief. Schnell, allzu sollten, wie im ersten Sommer nach unserer Hochzeit, wie schnell überflog er hin und gab ihn mir zurück. -Was wirst Du antworten?
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Natürlich, daß ich sehr froh bin, erwiderte ich, wenn Du nichts dagegen haft.
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haben.
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davon.
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Im Gegenteil, Du wirst es ja nicht so langweilig
Ich langweile mich nicht, wenn ich mit Dir bin. Liebchen! und nachdem er mich gefüßt, ritt er
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Gleich setzte er sein Pferd in Galopp; auch dieses Symptom war mir bekannt: das bedeutete, daß er sehr aufgeregt sei. Aber äußerlich korrekt und ruhig wie immer.
Und nachdem ich allein geblieben, bedeckte ich das Gesicht mit den Händen und saß lange so da. Alsdann regte sich in mir das Bedürfnis, Ihnen zu schreiben.
seitdem jeden Sommer. Und da würden wir allein sein, und da wollte ich alles von ihm nehmen, was mir von rechtswegen zukommt: feine Seele, feine Gespräche, die zärtlichen tête à tête an den langen Abenden und das Erwachen an seiner Seite morgen im sonnendurchfluteten Schlafzimmer.
Aber er nahm im unteren Stockwerk Quartier ,,, um mich nicht zu genieren", unter dem Vorwand, daß er früh ins Feld reiten müsse, und mich nicht wecken wolle. Erft begriff ich nicht, was es zu bedeuten hatte, und achtete auch nicht darauf: mir genügte, daß er immer in meiner Nähe war.
Und nun dieser Brief von Ihnen! und alles wurde mir flar.
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Aber warum, warum wollen Sie mir denn alles nehmen? und werden Sie's denn über's Herz bringen zu mir mit dem Judaskuß zu kommen, hierher, in unser Nest, wo ich geboren Hören Sie, Sie sind doch eine Frau, ein Weib! Sie wurde, wo ich vor sieben Jahren jung, rein und so glücklich, so müßten doch mit Ihresgleichen Mitleid haben. Begreifen glücklich, Hand in Hand mit ihm in ein neues Leben trat, Sie denn nicht, daß ich alles weiß, alles sehe? Ich schweige in der alten Dorfkirche neben dem Friedhofe, wo unter den Nicht um Fhretwillen, sondern um seinetwillen. Sch Linden meine Mutter begraben ist, in dieses alte Haus. liebe ihn so sehr, daß ich zu allem bereit bin, nur um ihm das jetzt für mich der einzige Ort ist, wo nichts mein Herz feine Leiden zu bereiten, und ich weiß, daß er mich dennoch verwundet und wo alles so lebhaft an die liebe Vergangenheit liebt so liebt, wie feine von Euch, die er hatte, und noch erinnert, daß mir dieselbe als Gegenwart scheint. haben wird. Diese Phrase ist keine Grausamkeit meiner- Nein, Sie werden nicht hierher kommen, ich will es nicht, feits ich will nicht grausam sein; doch auch für Sie ist ich will und kann nicht glauben, daß ein weibliches Herz so es nur eine Episode im Leben, wie es bei Jbsen heißt schonungslos sein kann. eine schöne Episode, aber für mich macht es das ganze Leben aus. Ja, ich weiß, daß er mich liebt.
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Sehen Sie denn nicht, daß ich ersticke unter der Last meines Schweigens? Ich weiß nicht, wie lange dieses Schweigen, oder... meine Kräfte ausreichen werden.
Ich fürchte, diesen Brief zu überlesen. Ich zürne, ich fluche Ihnen nicht, denn ich weiß, daß auch Sie ihn lieben... Aber nicht hier! Nicht hier!....
Abgesandter Brief.
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Als er das erste Mal von Ihnen zurückkehrte( ich konnte mich nicht getäuscht haben: er war ganz von Ihrem Parfüm durchdrungen diesem Gemisch von Varvena und noch etwas, das ich nirgends angetroffen), da sagte er mir fein Wort, fette fich aber zu meinen Füßen hin, wie in früheren Zeiten, und legte den Kopf in meinen Schoß. Und als ich ihn leise fragte:„ Was hast Du nur, Mika, da hob er zu mir seine Liebe Anna Nikolajewna! Selbstverständlich werden feuchten Augen er, der niemals weinte empor. mein Mann und ich uns sehr freuen Sie in unserem JabloUm dieser Tränen willen berzieh ich ihm alles..nowfa zu sehen, Ihre Gegenwart wird uns bei unserer Welch eine Seligkeit liegt darin, verzeihen zu können, es ist, etwas monotonen Lebensweise eine Abwechselung bieten; ich als ob man auf Flügeln über einen entfeßlichen Abgrund fürchte nur, daß Sie sich hier langweilen werden: wir haben hinüberschweben konnte, als ob man die Macht hätte, den wenig Nachbarn und bis zur Station ist's weite 20 Werft. Drud, der auf dem Leben lastet, zu entfernen und alles in Dafür gibt's herrliche Promenaden und wenn das Wetter eitel Licht zu wandeln. ungünstig sein wird eine Bibliothek mit sehr vielen intereffanten altertümlichen Schriften, selbst aus dem 14. Jahr. hundert. Nehmen Sie Ihr Reitkleid mit Dmitri ließ für Sie ein Pferd zureiten; ich selbst reite leider nicht( das Seiten wurde mir seit der langen Krankheit nach einer
Dieser Abend war einer unserer schönsten Abende; ich sah ein, daß der Gedanke, mir Schmerz zu bereiten, ihm fürchterlich, unerträglich war, und ich versprach mir, er werde niemals erfahren, daß ich alles weiß. Aber Sie, in bezug
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